05/12/2017

Jeden ersten Dienstag im Monat veröffentlicht GAT in der Kolumne Aber Hallo! Anmerkungen von Karin Tschavgova zu aktuellen Themen von Architektur und gebauter Umwelt.

05/12/2017
©: Karin Tschavgova

Alle Jahre wieder … Ein Lob der Kontinuität.

In Zeiten wie diesen ist tröstlich, dass manches immer wiederkehrt und auf sein Kommen Verlass ist. Die Hauptattraktion des Grazer Advents, die Eiskrippe, wird alle Jahre wieder aufgestellt. Sie ist fix wie das Amen im Gebet, selbst wenn die Klimaerwärmung uns Tagestemperaturen in gefährlicher Nähe zum Zwanziger beschert. Bescherte, denn die Tourismusverantwortlichen rechnen mit der Eventualität des Schlimmsten und sind gewappnet mit einer Zweitausgabe von Maria und Josef und dem Kindl in der Krippe aus Eis.

Kontinuierlich bleibt auch die Kultur bei allen Koalitionsverhandlungen ausgespart. Sie bietet offensichtlich – wie schön – nie Anlass für Diskussionen und auch in der budgetären Vorsorge ist man sich einig. Man muss ja zugeben, dass es Wichtigeres gibt in der koalitionären Abstimmung zur Ausrichtung des österreichischen Weges der nächsten fünf Jahre (nein, ich meine jetzt nicht die wieder und wieder aufkommende Diskussion um ein generelles Rauchverbot in Gasthäusern, die bei diesen Verhandlungen sogar zum Zünglein an der Waage werden könnte – so zynisch bin ich nicht).
Dort, wo Kontinuität angesagt wäre – nicht nur in den Regierungsverhandlun- gen, sondern längst in allen Gremien in allen Legislaturperioden – beim Umweltschutz, da krankt es gewaltig. Der kommt nur selten und punktuell in die Debatten, nun, nach dem Ausscheiden der Grünen aus der Bundesregierung sicher noch weniger, und wenn, dann bestenfalls als Motor für einen Wirtschaftsaufschwung (den wir jetzt, angesichts der guten konjunkturellen Daten, eh gar nicht mehr brauchen, oder?).
Kontinuität wäre auch angesagt bei den Bildungsdebatten. Oder verstehen Sie, lieber Leser, warum man nun von einer weitgehend expertenfreien Steuerungsgruppe der FPÖVP zum Thema Bildung alles schlecht redet und zerredet, was bis jetzt von anerkannten Bildungsexperten national und international als pädagogisch richtig erforscht und festgeschrieben wurde? Es ist geradezu anmaßend, die bis dato von den zuständigen Ministerien in Auftrag gegebenen Studien genauso zu ignorieren wie internationale Forschungsergebnisse und erfolgreiche Modelle, zu denen in früheren Regierungsperioden Studienreisen geführt hatten. 

Welchen Benefit konsequentes Handeln in Kontinuität erzielen kann, zeigt uns der steirische Beitrag zum jüngst vergebenen Bauherrenpreis 2017. Die Jury würdigte ein Vierteljahrhundert an kontinuierlicher Arbeit an Umbau, Sanierung und Erneuerung der Basilika Mariazell und des dazu gehörenden Geistlichen Hauses. Ein Bauherr, das Superiorat Mariazell in Person des umtriebigen Paters Karl Schauer, der seine Vision vom großen Ganzen auch unter widrigen Anfangsbedingungen – kein Geld – konsequent verfolgte und nie aufgab, Baumeister Anton Nolz, der von Anfang an als Projektleiter mitzog, wenn es darum ging, diese Vision in hoher Qualität umzusetzen und die Architekten Wolfgang Feyferlik und Susanne Fritzer, die sich bei ihrer Aufgabe oder besser: ihren Aufgaben nie nur als Dienstleister sahen, sondern immer auch mit großem Geist, mit Hinwendung und Genauigkeit daran arbeiteten, aus den zahlreichen, hier nicht mehr aufzählbaren Einzelmaßnahmen ein Gesamtwerk werden zu lassen, das Generationen lang halten kann. „Es gab immer den ganz großen Maßstab, um nicht den Überblick zu verlieren“ erinnern sich die Architekten, „und es gab auch immer den ganz kleinen, um nicht von Beginn an Fehler im Detail zu machen“. Und es gab Kontinuität als Voraussetzung, diese Vorgangsweise zu einem geglückten Ende zu bringen.
Gewonnen haben bei dieser Art der vertrauensvollen Zusammenarbeit über 25 Jahre, die heute im öffentlichen Bauen aufgrund der Ausschreibungs- und Vergaberichtlinien gar nicht mehr möglich wäre, alle Beteiligten. Superior Pater Karl und die Kirche als Bauherr, die ihr historisches Erbe, ein Stück höchster Baukunst, respektvoll heutigen Bedürfnissen anpassen ließ. Die Pilger, die sich ihrer Andacht in einem spirituellen Rahmen widmen können und in der neuen Tagespilgerstätte aufgenommen werden. Die Pfarrgemeinde, die einen hell und freundlich renovierten Pfarrsaal erhalten hat. Die Angestellten, die in den maßgeschneidert neu gestalteten historischen Räumen gut arbeiten können und die Patres, die nun gleichermaßen funktionelle wie schön möblierte Privaträume bewohnen, die zu Kontemplation anregen. Und schließlich die Architekten, die zeigen konnten, dass sich auch unter höchst funktionellen Prämissen eine ganz persönliche Handschrift verwirklichen lässt. Dem Gesamtkunstwerk Mariazell wurde zu seinen gotischen und barocken Schichten eine weitere, zeitgenössische hinzugefügt – würdig, ansprechend und in hoher Qualität.
Gut Ding braucht Weile und noch mehr an Kontinuität, die im Werk dann auch zum Ausdruck kommt. Das sei Vielen, gerade jetzt, ins Stammbuch geschrieben.

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