03/02/2015

Jeden ersten Dienstag im Monat veröffentlicht GAT in der Kolumne Aber Hallo! Anmerkungen von Karin Tschavgova zu aktuellen Themen von Architektur und gebauter Umwelt.

03/02/2015
©: Karin Tschavgova

Vom Schreiben über Architektur oder: Präzision und Manierismus

In der jüngsten Projektübung des Instituts für Architekturtheorie an der TU Graz ging es darum, ein digitales Lexikon architektonischer Modebegriffe zu erstellen. Nicht der kurze, der Objektivität verpflichtete lexikalische Eintrag war gefragt - nein, die Aufgabe lautete, zum gewählten Begriff einen Essay zu verfassen. Nun gehört das analytische Schreiben nicht zu den Kernaufgaben der Architekten, auch nicht der Studierenden, die damit großteils Neuland betraten. Schwieriges Terrain, das sich alle, wie die öffentliche Schlusspräsentation zeigte, engagiert und einige bravourös eroberten. Bingo! - wenn sie nach dieser Aufgabe nicht nur besser in der Lage sind, über ein Thema analytisch nachzudenken, sondern auch Sprache und sprachlichen Ausdruck bewusster einsetzen.

Architekturwahrnehmung durch Geschriebenes sei sekundär, meinen immer noch jene, die beharrlich daran festhalten, dass ein Bauwerk sich von selbst erklärt. Sie haben nie erlebt, wie Ablehnung von Neuem, Ungewohntem sich rasch in Wohlgefallen auflösen kann, wenn man es schafft, Gestalt und Form eines Gebäudes über stadtmorphologische, funktionelle und ästhetische Vorgaben und Ziele zu erklären. Die Betonung liegt hier bei der Erklärung, die eine schöpferische Absicht beschreibt, um den Gegenstand der Beschreibung besser verstehen zu können.
Sprache kann helfen, etwas anschaulich und ‚begreifbar’ zu machen. Schon in der Beschreibung ist also die Wahl der Begriffe wichtig und sollte gut überlegt sein. Was ist auch für den Nichtfachmann verstehbar, welche Vergleiche kann man noch gedanklich verknüpfen? „... das chillige, vitaminfarbene Ambiente der 1960er-Jahre“ ruft in mir einen Lachanfall hervor, der bestenfalls meine Wangen rötet, des Weiteren jedoch weder Farbigkeit noch Zufriedenheit über das Gelesene aufkommen lässt.

Was bei der einfachen, nach Objektivität verlangenden Beschreibung wichtig ist, scheint mir bei der Interpretation von Architektur noch wichtiger. Übermäßiger Einsatz von vergleichenden Formulierungen und vor allem von Metaphern ist und bleibt tabu. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mich langweilen die immer ähnlichen Vergleiche von Häusern mit Tieren unendlich. Mit wie vielen Schuppentieren, Gürteltieren, Schlangen, Albino-Marienkäfern und Riesenschaben mit Inox-Panzern die zeitgenössische Architektur bevölkert ist, ganz abgesehen von Gebilden „in der Form einer auffrisierten, aufgeblasenen High-Tech-Amöbe“ oder anderen, die aussehen wie ein „explodiertes Palmenhaus“. Da lobe ich mir fast noch die gute, alte Peichltorte (was, die kennen Sie nicht?), die ich zumindest mit Genuss in Verbindung bringen kann.

Ja, das kreative Schreiben – offensichtlich nicht so einfach, will der Textverfasser nicht als Langweiler dastehen. Trotzdem: Sprachlicher Ausdruck will überlegt und gut gewählt sein, sonst verkommt er zur vordergründigen Manier, die noch dazu Geringschätzung gegenüber dem Leser zeigt. Soll der nicht in der Lage sein, auch komplexere Beschreibungen zu verstehen? Die Übertragung von Bedeutung aus anderen Bereichen hat durchaus Tradition, in der Wissenschaft wie in der Literatur, und sie soll hier auch nicht verteufelt werden. Nur bitte überlegter, nahe an der Sache selbst, selektiver und zugleich weniger populistisch, wenn es um den Versuch geht, Architekturverständnis zu fördern.

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+