02/04/2024

Anfang März fand der 3. Teil der von der IG Architektur veranstalteten Diskussionsreihe ig_am wort mit dem Titel „Vom Grätzel bis zur Hausgemeinschaft - Lebendige Nachbarschaft“ statt.

Die Mitgestaltung von Nachbarschaften durch BewohnerInnen und Möglichkeiten zur Teilhabe am Planungsprozess des Wohnungsumfeldes und des umgebenden öffentlichen und halböffentlichen Raums waren Thema dieser ig_am wort Diskussion. SprecherInnen waren Lilli Lička, Katarina Rimanóczy, Robert Temel und Annegret Haider. Konzeption und Moderation: Ralf Bock.

02/04/2024

Sant Antoni Superblock, © Mariona Gil/barcelona.cat, licensed under CC BY-NC-ND 4.0

Einen ersten Input zur Diskussion gab Lilli Lička, mit den unterschiedlichen Richtungen, in die sich Stadtgebiete entwickeln können, von Verdichtung gegenüber der Berücksichtigung von Klimafragen, Gestaltung des Wohnumfeldes und allgemein die Erhaltung von „Möglichkeitsflächen“. Erwähnung fanden dabei die Ideen Hans Scharouns, den Außenraum gleichwertig zum Innenraum zu planen. Es wurde auch auf die AK Studie „Grünraumgerechtigkeit für eine resiliente Stadt“ hingewiesen, eine gerechte Verteilung von Grünraum sorgt für besseres Klima, Erholung und dafür, den Aufenthalt im Freien und in der Stadt menschengerechter zu gestalten. Als best practice Beispiel wurden SLA Projekte in Kopenhagen genannt.

In der Diskussion, wie Grünraumgerechtigkeit konkret zu erreichen ist, wurden unterschiedliche Ansätze genannt. Etwa, die Straße als Freiraum auszugestalten, die als öffentlichen Raum gewidmeten Flächen neu als zu gleichen Teilen motorisierten und nichtmotorisierten Raum mit parkähnlicher Gestaltung zu denken, eine Grünraumverpflichtung analog zur Stellplatzverpflichtung, oder die Erweiterung von Parkflächen durch Einbeziehung von Straßenflächen zu diesem Zweck.

Am Beispiel des Westbahnareals wurde argumentiert, dass eine weitere Verdichtung des Areals zu einem weiteren Mangel von fußläufig erreichbaren Grünflächen führen würde, was in einer Stadt vor allem vulnerable Gruppen trifft. Und vor allem wären die Flächen für Grünraum hier vorhanden, würden sie nicht verbaut und könnten eine Unterversorgung an Grünraum in dem Gebiet abmildern.

Von Annegret Haider wurde das Projekt Gleis 21 im Sonnwendviertel vorgestellt, welches als dynamischer sozialer Prozess unter Beteiligung der BewohnerInnen entstand und wegging von den monofunktionalen Prämissen von klimagerechtem, autogerechtem oder smartem Bauen. Das Grätzel wurde für die NachbarInnenschaft mitgestaltet, bottom up entwickelt und versteht den Landschaftsbezug von Wohnraum als Grundbedürfnis.

Katarina Rimanóczy berichtete von der Initiative des Vereins SeeStadtgrün, den Süden der Seestadt zu begrünen und Problemen wie Staub und Hitzestau entgegenzuwirken, Hürden die teilweise auch durch Bauträger und Bezirk verursacht werden. Der nördliche Teil der Seestadt wurde zwei Jahre nach der Errichtung um 1,7 Mio. Euro begrünt. Die Nachbegrünung des südlichen Teils traf allerdings auf Widerstände, so auch die Begrünung auf Eigeninitiative der BewohnerInnen und die Betreuung der Grünräume durch diese. Durch Petitionen, Einwirkung auf Politik und Medienpräsenz ist aber eine Verbesserung der Lage näher gerückt und möglich.

Die auf die Projektberichte folgende Diskussion brachte die Hochschwelligkeit von gemeinschaftlich entwickelten Wohnprojekten ein, dass Verkehrsberuhigung häufig als lebensfremd wahrgenommen wird, etwa wenn es um die Realität von PendlerInnen geht und dass heute durch die hohen Preise von Altbauten eher die Nachkriegsarchitektur für Wohnprojekte zugänglich wäre. Das Bedürfnis nach Gemeinschaft und Wirksamkeit ist jedoch immer gegeben und darauf kann mit einer Architektur geantwortet werden, die auf soziale Bedürfnisse reagiert. Ebenso sollte die Angst vor Mitbestimmung fallen, von Seiten der Stadt oder von BauträgerInnenseite. 

Zum Abschluss wurde für einen strategischen Zugang zur Schaffung von Grünraum und von Verkehrsberuhigung plädiert, etwa wie bei der Umsetzung der Superblocks in Barcelona. Anfangs waren diese insulär, wurden nach dem trial an error Prinzip schnell ausgewertet und dann strategisch und großflächig umgesetzt. 

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