16/11/2008
16/11/2008

Bericht vom PlanerInnen-Tag 2008: Klima.Raumplanung.aktiv der Bundesfachgruppe Raumplanung, Landschaftsplanung und Geografie der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten, der am 30. und 31.10. in Wien stattgefunden hat.

Gemeinden : Opfer und Täter
Der Klimawandel mit aktuellen und zu erwartenden weiteren Temperaturanstiegen, Verschiebungen von Niederschlägen und einer zunehmen Anzahl von Katastrophenereignissen wird heute kaum mehr bestritten. Die zu erwartenden Auswirkungen auf die Erdbewohner, auf die globale und regionale Wirtschaft, aber auch auf die Haushalte der Gebietskörperschaften sind ebenfalls vielfach untersucht. So rechnet etwa der Stern-Report für das 2050 mit entstehenden Kosten von 5 – 20% des globalen Bruttoinlandsprodukts, wenn keine Minderungsmaßnahmen zur Stabilisierung des Temperaturanstieges getroffen werden. Demgegenüber sind erforderliche Gegenstrategien zur Eindämmung dieser Szenarien mit Größenordnungen von 1% des BIP noch vergleichsweise „billig“ zu haben.

Die Gemeinden mit ihrer weitgehenden Planungsautonomie gehören einerseits zu den Tätern, aber auch zu den Opfern dieser Entwicklung. So steigt etwa der Flächenverbrauch in Österreich für Verkehr- und Bauflächen weiterhin an (2007: 4.280 km²), obwohl in der Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes eine Reduktion auf 1/10 bis 2010 festgeschrieben wurde. Auch das weiterhin rasant steigende Verkehrsaufkommen ist nicht zuletzt auf eine verfehlte Raumordnung mit Zersiedlung und geringer Abstimmung mit öffentlichen Verkehrsträgern zurückzuführen.

Die Gemeinden werden aber auch die Folgen dieser Entwicklung deutlich zu spüren bekommen. Generell sind hier insbesondere die Abwehr von Naturgefahren, seien es Steinschlag, Waldbrandgefahren oder Hochwasser, Beeinträchtigungen im Wintersport, erhöhte Kosten für Wasserversorgung bis hin zu erhöhten Gesundheitsrisiken der Bürger zu nennen. Zur stetigen Einschränkung kommunaler Entwicklung durch zusätzliche Aufgabenerfüllung bei gleichzeitiger budgetärer Schrumpfung kommt auch noch die steigende Verwundbarkeit durch die Auswirkungen des Klimawandels.

Kyoto-Ziele nur schwer realisierbar
Die Umsetzung des Kyoto Protokolls und damit zusammenhängende Reduktionsziele der EU werden gerade im Zusammenhang mit der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise wieder heftig diskutiert. Der Österreichischen Klimastrategie und dementsprechenden Einrichtungen und Förderprogrammen wie dem Klimafond folgte auch der Entwurf eines Bundesklimaschutzgesetzes, das insbesondere eine kompetenzrechtliche Zuordnung von Reduktionsverpflichtungen auf Bund und Länder vorschlägt und damit auch sehr föderal ausgerichtete Materien wie Raumordnung und Wohnbauförderung in die Pflicht nimmt.

Trotz internationaler Verpflichtungen und nationaler Nachhaltigkeits- und Umweltprogramme liegt die Emissionsentwicklung bei Treibhausgasen in Österreich noch weit über dem Soll-Wert relevanter internationaler Vereinbarungen. Insbesondere die Entwicklung der Verkehrsemissionen weist steil nach oben. Die Verantwortlichen sind noch zuversichtlich, den in einigen Jahren anfallenden Strafzahlungen zu entgehen, NGOs aber auch Vertreter der Wirtschaft beurteilen die zukünftige Einhaltung der Kyoto Ziele als wenig wahrscheinlich.

Die Rolle der Raumplanung
Verkehr und Raumwärme sind für 43% der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Rechnet man die Energieaufbringung für Einzelverbraucher, Siedlungswesen und Verkehr dazu (17% am Gesamtaufkommen), kann von einer teilweise direkten und indirekten Verantwortung der Querschnittsmaterie Raumplanung und Raumentwicklung von der Hälfte der Klimaverantwortung ausgehen. Damit kommt dem Umgang mit Siedlung und Raum eine Schlüsselkompetenz bei der Umwelt- und Klimapolitik zu.

Die Blechlawinen in den Speckgürteln der österreichischen Zentralräume für Pendler-, Einkaufs- und Freizeitfahrten sind das Ergebnis von zahnlosen Raumordnungsgesetzen und teilweise wenig ernsthafter Anwendung auf kommunaler Ebene. Aber auch eine Reihe von raumordnungsfeindlichen Ausgleichs- und Förderinstrumentarien wie Pendlerbeihilfen oder räumlich undifferenzierte Wohnbau- und Wirtschaftsförderungsansätze konterkarieren eine klimafreundliche Raumentwicklung.

Die Ziele und Handlungsanleitungen für eine umweltschonende Raumentwicklung werden im Grünbuch der EU-Kommission, im Österreichischen Raumentwicklungskonzept, in den Landesentwicklungskonzepten oder Klimaschutzkonzepten einzelner Länder detailliert beschrieben. Die Umsetzungspraxis ist jedoch oft eine andere und forciert weiterhin die wachsenden, klimafeindlichen Einfamilienhaussiedlungen am Stadtrand, den Einkauf „auf der grünen Wiese“ und steigende Fahrleistungen zwischen den einzelnen Funktionen.

Ansatzpunkte auf lokaler und regionaler Ebene
Beim PlanerInnentag der Bundesfachgruppe Raumplanung, Landschaftsplanung und Geografie wurden neben grundsätzlichen Rahmenbedingungen und Anforderungen für eine klimataugliche Raumentwicklung auch konkrete, durchaus erfolgreiche Projekte vorgestellt.
Insgesamt umfassten die Beiträge der Experten ein breites Bild erforderlicher Anpassungs- und Verhinderungsstrategien:
- eine verstärkte Information, Kommunikation und Motivation der Bürger im Sinne eines erhöhten Bewusstseins und notwendiger Haltungsänderungen (Bsp. Klimabündnis, Klima.aktiv Schwerpunkte Energie, Mobilität, Freizeit, Schulen, Bauen, Klimapreise,..)
- eine generelle Klimaverträglichkeitsprüfung für Regelungsvorhaben und Förderungen auf Bundes- und Landesebene
- die Stärkung des Raumentwicklungsinstrumentariums und dessen Koppelung mit Anreiz- und Förderungssystemen (Bsp. Regionalisierte standortabhängige Wohnbauförderung, Stärkung von regionalen Wirtschaftskreisläufen, Stärkung der Bundesraumordnung, ...)
- eine Raumentwicklungspolitik der kurzen Wege mit Nutzungsmischungen und Funktionsüberlagerungen (Bsp. Chancengleichheit PKW- und ÖV-Nutzer, sparsame Erschließungen, „shared space“, Begegnungszonen, Modellprojekte autofreier Siedlungen, ..)
- Mobilitätsmanagement auf verschiedenen Ebenen (Bsp. Betriebe, Schulen, lokale Ebene,..)
- die strikte Koppelung von Baulandausweisungen an leistungsfähige öffentliche Verkehrsmittel
- Energie- und Raumplanung auf regionaler Ebene mit einer Festlegung von Klimazonen, Energieträgern (Abwärme, biogene Energie, ergänzende fossile Energie), Anschluss- und Einsparbereichen
- die Entwicklung eines Energieausweises für Siedlungen mit einer energetischen Bewertung von Bausubstanz, aber auch ergänzenden Energie fressenden Faktoren wie Standort, Ausrichtung, Erschließung und die Umsetzung dieses Modells in der Siedlungs- und Bebauungsplanung
- eine Prioritätensetzung auf energieeffizientes Bauen mit einer Konzentration der Wohnbauförderung auf Objekte mit 0-Energie und Passivhausstandard
- Regenwassermanagement auch in städtischen Bereichen als Ansatz für die Reduktion der Abflussmengen und die Verbesserung des Kleinklimas
- Eine insgesamt dramatische Einschränkung des Bodenverbrauchs im Zusammenhang mit einer Verdichtung nach innen, Folgenutzung von Brachflächen, Einführung eines Zertifikathandels für Boden, etc.
- die strikte Freihaltung und mittelfristige Freimachung von Hochwasserabflussbereichen und sonstigen Gefährdungszonen
- die Anpassung von gefährdeten Wintersportregionen an neue klimatische Rahmenbedingungen
- die Umsetzung von PPP-Modellen zwischen privater und öffentlicher Risikovorsorge zwischen Versicherungsindustrie, Katastrophenfonds und Bürgern
- die forcierte Unterstützung von klima- und umweltrelevanten Forschungs- und Modellvorhaben (Bsp. Europäische Territoriale Zusammenarbeit, ÖROK-Projekt Energie & Raumentwicklung, regionale Klimafolgenabschätzung, Modellvorhaben der Gemeinden,..)
- Die Förderung von Transparenz und Kostenwahrheit als Grundlage für einen notwendigen permanenten Diskussions- und Verhandlungsprozess unterschiedlicher Interessen in Verbindung mit einem nachhaltiges Monitoring klimafreundlicher Raumentwicklung
- Die Qualifizierung und die Entwicklung neue Rollenbilder bei RaumplanerInnen, LandschaftsplanerInnen und ArchitektInnen im Sinne der Raumverantwortung und eines immer stärker notwendigen interdisziplinären und prozessorientierten Denkens.

Ein klares Bekenntnis zu Raumplanung und Klimaschutz und eine dementsprechende „Vorsorge- und Vorzugspolitik“ der öffentlichen Hand sind aber letztlich die Voraussetzung für die mögliche Erreichung der vereinbarten Klimaziele. Auch unter den Prämissen der aktuellen Wirtschaftskrise und steigender Staatsverschuldung sind Vorsorgemaßnahmen bei weitem effizienter als nachträgliche teure Reparaturerfordernisse. Den Gemeinden kommt dabei auf Grund der umfangreichen raumplanerischen Kompetenzen eine zentrale Rolle zu.

Die einzelnen Beiträge der Tagung Klima.Raumplanung.Aktiv stehen auf der Homepage der Bundeskammer der Architekten und Ingenierkonsulenten unter www.bsik.at/raum/aktuelles_html/Planertag8 zum Download bereit.

DI Richard Resch ist Ingenieurkonsulent für Raumplanung und Raumordnung; regionalentwicklung.at

Verfasser/in:
DI Richard Resch, Bericht
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