Da vielleicht einige noch auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken sind, (für sich oder für andere ...), anbei fünf kurze Buchtipps, die alle mehr oder weniger mit Architektur zu tun haben:
Joséphine Nicolas: Ein Haus am Meeresufer
Leider klingen sowohl Buchtitel als Name der Autorin ein bisschen nach süßlicher Strandromanze, tatsächlich ist es ein stimmiger Roman, der die Geschichte von Eileen Gray und ihrer berühmten Villa E.1027 erzählt. Die Anfänge als Interieurkünstlerin, die Jahre in Paris, die Zeit mit Jan Badovici, die Begegnungen und späteren Konflikte mit Le Corbusier werden in beinahe pragmatischem Tonfall aus der Ich-Perspektive geschildert.
Achtung: Das ist trotzdem keine Biografie – aber es gibt auch niemals vor, eine zu sein.
Dieses Buch führt auch aufgrund der darin enthaltener Zitate zu einem Klassiker von 1922, Le Corbusiers Ausblick auf eine Architektur eventuell bekannter unter dem Titel Vers une Architecture. (Bauwelt Fundamente). Auch wenn es momentan eher en vogue ist, auf den alten weißen Mann zu bashen, so kann man nach dem Lesen des Romans von Nicolas wenigstens fundiert zuschlagen.
Dumont Verlag, 2023
Belletristik
Clemens Rathe: Die Philosophie der Oberfläche. Medien- und kulturwissenschaftliche Perspektiven auf Äußerlichkeiten und ihre tiefere Bedeutung
In sorgsam aufbauenden Schritten kann man sich mit diesem Buch in die Tiefgründe der Oberflächen einlesen. Auf die Etymologie des Wortes folgen Erscheinung, Wahrnehmung und Darstellung der Oberfläche in Philosophie, Ästhetik, Literatur, Mode und Architektur.
Ein richtiges Fachbuch, und somit nicht unbedingt ein entspannendes – da bevorzuge ich nach wie vor viktorianische Krimis –, aber ein mit vielen Beispielen ausgestattetes Nachschlagewerk zum Immer-wieder-mal-Nach- und Rein-lesen.
transcript Verlag, 2020
Fachbuch
Norman Eisen: Der letzte Palast von Prag
Geschickt verbindet der ehemalige US-Botschafter Norman Eisen die Geschichte des „letzten Palastes“, der von Otto Petschek erbauten Villa, mit der privaten Geschichte des Bankiers und Großindustriellen. Beides zeigt er tief verwoben mit den historischen Ereignissen des 20. Jahrhunderts und dem Werdegang Tschechiens; und ab und an klingt dazu die Stimme seiner Mutter, einer Holocaust-Überlebenden, durch. Die Villa, das Gebäude, bündelt und hält all diese Geschichten wie in einer Nussschale. Prädikat ungeheuer spannend!
Propyläen, 2020
Biografie eines Gebäude
Heisel, Felix; Hebel, Dirk E. (HG): Urban Mining und kreislaufgerechtes Bauen.
Die Stadt als Rohstofflager
Keinem muss erzählt werden, wie wichtig die Verbreitung von Wissen um Kreislaufwirtschaft, zero waste und Nachhaltiges Bauen ist. In diesem Kompendium kommen unter anderen Werner Sobek, Walter Stahel und Annette Hillebrandt zu Wort. Viele aufschlussreiche Grafiken, Detailpläne und auch gute Architekturfotografie werden eingesetzt, um Sachverhalte wie geschlossene Kreisläufe, Sortenreinheit oder das geforderte neue Materialverständnis näher zu betrachten.
Unbedingte Empfehlung, auch gut als Einstieg in die umfassende Thematik – ergänzend gibt es neben einer umfassenden Einführung auch ein Glossar.
Fraunhofer IRB Verlag, 2021
Fachbuch
Als Letztes möchte ich noch ein Buch empfehlen, das schon älter ist, aber aufgrund seiner Aktualität und seiner Aussagekraft gerade jetzt dringend wiederentdeckt und vor allem gelesen werden sollte:
Norbert Elias, John L. Scotson: Etablierte und Außenseiter
Ursprünglich wurde dieses Werk bereits 1965 in London erstveröffentlicht. Für die holländische Ausgabe (in deutschsprachigen Landen wurde der Exilant Elias lange ignoriert), wurde ein 60 Seiten langes Vorwort verfasst, das die Grundzüge, urbanen Voraussetzungen und soziologischen Theorien des Buchinhaltes recht gut darstellt, bei dessen Lektüre man es allerdings nicht belassen sollte. Zu klug und fesselnd ist die Fallstudie über ein kleine Stadt in der Nähe von Leicester, in der sich zwei Gruppen nicht etwa aufgrund von Klassenzugehörigkeit, Ethnie oder Religion bekämpfen, sondern die Trennlinien aufgrund des so kindisch scheinenden, aber offensichtlich basal wirksamen: „Ich war als erster da“ gezogen werden. Mechanismen im Machtgefälle und Mittel der Stigmatisierungen, die damit einhergehen, sind erschreckend zeitlos und beängstigend. Lösungen bietet dieses Buch nicht an, aber Elias vielleicht zu optimistisches Zitat „Die Zivilisation ist noch nicht abgeschlossen. Sie ist erst im Werden.“ gibt zumindest ein wenig Hoffnung für uns alle.
Suhrkamp Taschenbuch, 1993
Soziologische Fallstudie – Gruppen bzw. Segregationsprozesse
