24/04/2024

Obdachlosigkeit ist ein drängendes Thema in unserer Gesellschaft. Verschiedene Gründe wie Armut, Flucht und soziale Segregation können dazu führen. Obdachlose Menschen neigen dazu, sich aus der Gesellschaft zurückzuziehen bzw. werden von dieser marginalisiert. Um diesem Problem zu begegnen, entwickelten die Studierenden der FH Kärnten ein Wohnkonzept, inspiriert vom Zitat der Soziologin Hilary Silver: „Es ist nicht das herkömmliche Dach über dem Kopf, das uns ein Zugehörigkeitsgefühl gibt. Es sind die sozialen Strukturen, die uns über Wasser halten.“

Diese Ansätze beindruckten die Jury des International DesignbuildXchange Award 2024. Sie zeichnete unter zahlreichen, weltweiten Einreichungen, die Verteilungsgerechtigkeit, ökosoziale Vorhaben in interdisziplinären Formen der Kreativwirtschaft zum Thema haben, den Prototyp „Impulshaus“ der FH Kärnten, entwickelt unter der Leitung von Alexander Hagner (Professor für Architektur & Soziabilität), aus.

24/04/2024

Prototyp "Impulshaus", FH Kärnten

©: FH Kärnten

Der Begriff IMPULSHAUS steht für den Prototyp, der als Minimal-Zuhause für Menschen in Not im „Design Build“ Prozess von Architekturstudierenden der FH Kärnten entwickelt und gebaut wurde. 

Der Prozess & das Ergebnis wurden 2021 mit dem Kärntner Menschenrechtspreis und 2024 beim internationalen DesignbuildXchange-Wettbewerb ausgezeichnet. Gewürdigt wurde damit das individuelle Engagement von Lehrenden und Studierenden der FH Kärnten sowie die internationale Zusammenarbeit mit weiteren Hochschulen. Der Prototyp, der bewußt auf mehrere Bedürfnisse eingeht, ist auch Ergebnis jahrelanger Forschung und Kompetenzentwicklung in nachhaltiger Architektur. (Mehr hierzu gibt es in der Broschüre, die zum download unterhalb dieses Textes zur Verfügung steht.)

Herauskristallisiert haben sich im internationalen Zusammenhang die aktuellen, konkreten Bauvorhaben „Josefidorf“ in Klagenfurt sowie das „VinziDorf“ der Stadt Marburg an der Lahn, die sich aus Wohnmodulen entwickelt haben, die im Wesentlichen auf eben diesem Prototyp IMPULSHAUS aufbauen. Derzeit gibt es zum Josefidorf einen entsprechenden Masterplan des Architekturbüros gaupenraub+/- und beim VinziDorf Marburg arbeitet gaupenraub+/- gerade am Vorentwurf – jeweils mit dem IMPULSHAUS als Basis für die einzelnen Wohnhäuschen.

Im Wintersemester 2021/22 nahmen Architekturstudierende der FH Kärnten an einer internationalen Summerschool der Sto-Stiftung teil, die im Rahmen der 17. Biennale in Venedig stattfand. Dort stellten sie den Prozess zum IMPULSHAUS vor. Rund 50 bis 60 Studierende aus 7-10 renommierten europäischen Universitäten diskutierten und suchten gemeinsam nach unterschiedlichen Lösungsansätzen für ein zukünftiges Miteinander in Architektur und sozialer Praxis.

Dabei wurden grundsätzliche Lebenseinstellungen diskutiert und "... wie der öffentliche Raum schwellenfrei und für alle nutzbar gestaltet werden kann. Es geht um die Frage nach grauer Energie und um durch eine veränderte Work-Live-Balance neu entstehende Räume jenseits des Wohnens und Arbeitens im Kultur- und Bildungsbereich. Es geht um zukünftige Wohnformen und -modelle, Orte der Begegnung (...). Es geht um partizipative Methoden außerhalb der bekannten Grenzen und um gelebte Nachbarschaft als Verknüpfung von next und past generation. Und am Ende geht es um so vieles mehr, doch vor allem auch darum alle Menschen gleichermaßen in ein gemeinschaftliches Leben einzubeziehen, unabhängig aller möglichen Unterschiede."  So lautet ein statement der FORWARD ARCHITECTURE-Studierenden, die in der Summerschool, ihre Schwerpunkte auf soziales Engagement legten und nachwievor diese gemeinnützigen Ziele verfolgen.

Im folgenden Wintersemester 2022/23 wurde unter der Leitung von Alexander Hagner und Stefan Breuer (wissenschaftlicher Mitarbeiter & Senior Lecturer an der FH Kärnten) mit Studierenden aus Kärnten und Marburg, die „Anwendung“ des IMPULSHAUS beim konkreten Bauvorhaben VinziDorf der deutschen Universitätsstadt Marburg an der Lahn umgesetzt.

Nach Alexander Hagner, der die Stiftungsprofessur für Architektur & Soziabilität an der FH Kärnten innehat, hat sich die langjährige, internationale Zusammen- und Forschungsarbeit dahingehend bewährt, dass das Projekt nun schon zwei Mal ausgezeichnet und für konkrete Bauvorhaben ausgewählt wurde. Zur aktuellen Situation in Österreich, wo offiziell geschätzt über 21.000 Menschen obdachlos sind, besteht dringender Handlungsbedarf für innovative und umsetzbare Wohnraumlösungen. Soziale Architektur, Holzbau und Bauen im & mit Bestand sind darum wichtige Eckpfeiler des Architekturstudiengangs an der FH Kärnten.

Abschliessend und einladend sich weiter zu informieren, noch einen Hinweis zum innovativen Architekturbüro gaupenraub+/-   Die beiden Gründer:innen Ulrike Schartner und  Alexander Hagner legen bereits seit zwei Jahrzehnten (Mehr-)Wert auf die Potenziale sozialer Gerechtigkeit. Im Podcast "Morgenbau" präsentieren sich die beiden Akteur:innen in puncto vorbildliche Projekte: "Sie bauen seit mehr als 20 Jahren für obdachlose Menschen. Begonnen haben sie mit einer Notschlafstelle in Wien. In der Zwischenzeit sind drei weitere wegweisende Bauten entstanden: Vinzirast Mittendrin - ein Haus, in dem Studierende und ehemalige Obdachlose zusammenwohnen. Im Vinzidorf Wien wohnen Langzeitobdachlose und in Vinzirast am Land wohnen ehemalige Obdachlose und betreiben gemeinsam eine Landwirtschaft. Wie entstehen solche innovative Projekte und was kann man daraus lernen?", fragt Anne Isopp die zwei engagierten Architekt:innen. Mehr dazu erfährt man in der Folge #16 von "Morgenbau".

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Vorgeschichte des Projekts "Impulshaus":

Im Jahr 2020, Start an der Universität in den Architekturstudiengänge mit dem Thema „pur“ = Architektur & Obdachlosigkeit;

2021/03, Start mit der individuellen Gestaltung des „IMPULSHAUS“ / einem Minimal-Zuhause für Menschen in Bedarf

2021/05, Bildung eines gemeinsamen Architekturentwurfs vor Ort;

2021/08, Durchführung einer Sommerschule zur Fortführung des Entwurfsbauprozesses; & weiter im Designbau;

2022/03-06, Fertigstellung des Gebäudes und Organisation einer großen Party für alle Beteiligten zur Feier des Projektabschlusses und zur Feier des Kärntner Menschenrechtspreises, der mit IMPULSHAUS gewonnen wurde. Party und gute Stimmung trugen im Sinne eines nachbarschaftlichen Miteinanders dazu bei, dass die Akzeptanzchancen für die Umsetzung solcher Projekte für marginalisierte Gruppen wie „JosefiDorf Klagenfurt“ (A) und „VinziDorf Marburg“ (D) stiegen.

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