01/11/2006
01/11/2006

Arch. DI Hans Hohenfellner lebt und arbeitet in Feldkirch (Vorarlberg)

Arch. DI Hans Hohenfellner lebt und arbeitet in Feldkirch (Vorarlberg)

"Die Stimmung in der Südsteiermark erinnert schon ein bisschen an die Goldgräberzeit". Der Vorarlberger Architekt Hans Hohenfellner, Mitglied im Gestaltungsbeirat Naturpark Südsteirisches Weinland im Gespräch mit Michaela Wambacher, Redaktion GAT. Fotos: Fabian Wallmüller

Seit einem halben Jahr leistet der Vorarlberger Architekt Hans Hohenfellner Starthilfe beim ersten Gestaltungsbeirat der Steiermark. Ein Erfolgsmodell? Hohenfellner im Gespräch.

Im März 2006 haben die südsteirischen Gemeinden Gamlitz, Spielfeld und Sankt Johann den ersten Gestaltungsbeirat der Steiermark eingerichtet. In einem einjährigen Probelauf begutachtete der "Gestaltungsbeirat Naturpark Südsteirisches Weinland" bisher über 100 Bauvorhaben in den beteiligten Gemeinden, gab Hilfestellungen in Entscheidungsfragen für Bürgermeister und Bauämter, versteht sich aber auch als Dienstleister für Bauherren in Planungsfragen. „Es gibt noch viel zu tun“, sagt der Vorarlberger Architekt Hans Hohenfellner, der neben Architekt Norbert Grabensteiner und DI Karl Amtmann von der BBL Hartberg im Beirat sitzt. Die Gestaltungsbeiräte Vorarlbergs – eine mittlerweile 20-jährige Erfolgsgeschichte – dienten nicht zuletzt auch als Vorbild für den steirischen Testballon. Ob er weiterhin fliegen wird, wollen Gamlitz, Spielfeld und Sankt Johann noch vor Ablauf der Testphase im Dezember beschließen.

GAT: Während in Vorarlberg rund ein Viertel aller Städte und Gemeinden eine externe Beratung bei der Begutachtung von Bauvorhaben in Anspruch nimmt, steht die Steiermark in dieser Entwicklung noch ganz am Anfang. Warum genießen Gestaltungsbeiräte in Vorarlberg eine derart beeindruckende Akzeptanz?
Hohenfellner: Der Gestaltungsbeirat ist in Vorarlberg eine Notwendigkeit. Gerade Ortschaften an der Peripherie von Städten erleben gegenwärtig einen unglaublichen Bauboom. Der Baugrund ist knapp, die Grundpreise klettern nach oben, und es ist eine Notwendigkeit, die Raumplanung zu optimieren. Gerade deshalb sind diese Ortschaften auch besonders an Gestaltungsbeiräten interessiert.

GAT: Auch der Gestaltungsbeirat Naturpark Südsteirisches Weinland wurde angesichts des neuen Baubooms in der Südsteiermark eingerichtet. Gibt es hier Parallelen zu Vorarlberg?
Hohenfellner: Die Situation ist anders. Die Südsteiermark ist ein Grenzland und ist in relativ kurzer Zeit vom Armenhaus Österreichs zu einer außerordentlichen Prosperität aufgestiegen. Sie ist aber auch eine Region mit einer unglaublichen landschaftlichen Sensibilität. Hundert Jahre ist hier so gut wie nichts gebaut worden, aber jetzt hat das mit einem Mal einen Umschwung genommen, der nicht allerorten positiv ist. Manchmal denkt man, das darf nicht wahr sein: Wunderbare alte Gebäude, unglaubliche Situationen, eingebettet, richtiggehend eingewachsen: Nein, es wird gewartet bis das Alte verfällt, damit dann ein Fertigteilhaus hingestellt wird. Es fehlt in der Steiermark das Bewusstsein, dass das Alte etwas wert ist. Das Alte wird immer nur mit Armut assoziiert.

GAT: Hinsichtlich neuer Architektur wurden unter dem Namen Weinarchitektur aber auch positive Signale gesetzt.
Hohenfellner: Meine persönliche Meinung ist: Ein Großteil dessen, was vor zehn Jahren gut gehende Buschenschanken waren, sind heute Designschuppen, wo Sie mit dem Krawattl Wein einkaufen können, der mittlerweile auch das Doppelte kostet. Das hält die Gegend schon aus, nur inflationär darf das nicht werden. Wenn es nur mehr Designerschuppen gibt, werden die Leute in Slowenien ihren Wein kaufen. Weil dort haben sie vielleicht noch die Gemütlichkeit, die sie von hier gewohnt waren.

GAT: Auf die Baukultur hat die neue Weinarchitektur keinen Einfluss?
Hohenfellner: Der Einheimische kann mit der eventuellen Vorbildwirkung einer modernen Weinkellerei überhaupt nichts anfangen. Das geht am Bewusststein der Häuslbauer komplett vorbei. Aber wir haben noch ein ganz anderes Problem: Laut Raumordnungsgesetz können Neubauten im Freiland nur als landwirtschaftlich genutzte Gebäude errichtet werden. Im Unterschied zu Vorarlberg ist in der Steiermark die Definition, was ein landwirtschaftlich genutzte Gebäude ist, aber sehr weit gefasst. Das hat zur Folge, dass diese Regel ständig umschifft wird. Und plötzlich stellt sich ein zum Kräutertrocknen deklariertes Nebengebäude als blitzdumme Villa mit Swimmingpool heraus. Da kriegst’ eine Wut!

GAT: Welche Möglichkeiten hat hier der Gestaltungsbeirat?
Hohenfellner: Keine! Da muss schon die Raumordnung vorher nein sagen. Die Frage ist: Wo setzt man den Hebel an, dass so etwas nicht möglich ist?

GAT: Wo kann der Gestaltungsbeirat den Hebel ansetzen?
Hohenfellner: Ganz dumm gesagt: Er kann die Häuslbauer vor Blödheiten bewahren. Die einfachen Lösungen werden ja meist außer Acht gelassen. Und mit mehr Planung gibt es ja auch bessere Lösungen. Wenn man sich anschaut, mit welcher Akribie jemand ein neues Auto kauft und mit wie viel Kaltschnäuzigkeit uns im Beirat oft ein Einreichplan vorgelegt wird, da wird einem ja übel. Wo Mittel ein Leben lang gebunden werden, das ist vielen Leuten oft schnurzwurscht.

GAT: Den Gestaltungsbeirat Südsteirisches Weinland gibt es nun seit März im Probelauf. Wird er verlängert?
Hohenfellner: Da bin ich gespannt. Wir sind bei den Gemeinden mit unserer Arbeit durchaus auf großes Interesse gestoßen. Ich glaube aber, dass es Zeit braucht, bis auch den Bauwerbern klar wird, dass unsere Arbeit einen empfehlenden Charakter hat, und dass wir ihnen nicht etwas aufs Aug’ drücken wollen.

GAT: Könnte die Idee des Gestaltungsbeirats auch auf andere Gemeinden überspringen?
Hohenfellner: Es wäre auf jeden Fall ein Wunsch, denn es gibt viel zu verbessern. Die Stimmung, die momentan in der Südsteiermark herrscht, erinnert schon ein bisschen an die Goldgräberzeit. Es gibt ja ein richtiges Wettrennen um die besten Flecken. Wenn aber der Ausverkauf einer Landschaft stattfindet, ist ein Gestaltungsbeirat unbedingt notwenig.
PRÄSENTATION:
Gestaltungsbeirat Naturpark Südsteirisches Weinland

WANN: Dienstag, 28.11.2006, 15:00 Uhr
WO: Knilly-Haus, Leutschach

Eingeladen sind Zivilingenieure, Bürgermeister sowie die Bauausschüsse der Region, Vertreter der Landesdienststellen und der politischen Büros.

Verfasser/in:
Fabian Wallmüller, Gespräch
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