02/07/2012
02/07/2012

StR. Gerhard Rüsch (ÖVP), Bernhard Astner (Geschäftsführer Asset One), Gerald Winter (Moderation), Johannes Fiedler (Architekt und Stadtplaner), StR.in Martina Schröck (SPÖ), Fritz Kleiner (Wirtschaftsprüfer).

©: Martin Brischnik

Am 26. Juni 2012 fand zur Frage „Soll die Stadt Graz das Reinighaus-Areal kaufen?“ eine Podiumsdiskussion im Kunsthaus Graz statt.

Es begann ganz gesittet. Jeder am Podium durfte seine Position zum Thema aus seiner jeweiligen fachlichen Sicht oder politischen Verantwortung heraus erläutern. Finanzstadtrat Rüsch (ÖVP) begann mit einem eindeutigen Plädoyer für den Ankauf der Reininghausgründe durch die Stadt Graz. Mit prognostizierten Zuwächsen der Grazer Bevölkerung um 30.000 bis 2030 sieht er die Notwendigkeit der Entwicklung dieses Areals als gegeben an, wolle man vermeiden, dass es in anderen Stadtteilen wie Geidorf zu starken Verdichtungen komme. (Strategie: Rute im Fenster!). Rüsch argumentierte mit qualitativen Vorteilen in der gedeihlichen Entwicklung des Stadtteils und mit Kostenvorteilen für die Stadt, für die er Rechnungen anstellte, die für viele in der erstmals im Detail damit konfrontierten Zuhörerschar nicht leicht nachvollziehbar waren. Nach Rüsch schließt der Kauf durch die Stadt Spekulantentum aus und gibt der Stadt die Möglichkeit, einen Rahmen zu entwickeln, der die zufriedenstellende urbane Entwicklung des künftigen Stadtteils reguliert. Rüsch ist überzeugt davon, dass Grundsatzfragen wie die, wie wir im 21. Jahrhundert leben wollen, „durch den Kauf beantwortet werden“ können. Als Beispiel führt er die Gestaltung des öffentlichen Raums an, wo die Stadt im Falle eines Kaufs mehr Möglichkeiten hätte, mitzureden. Erste Einwände aus dem Publikum, dass die Stadt ja nicht beabsichtigt, den Stadtteil selbst zu entwickeln (zu bebauen), sondern die Gründe weiter verkaufen wird bzw. verkaufen muss, um den dann als Kredit aufgenommenen Kaufpreis abzudecken, beantwortet Rüsch mit: „Als Verkäufer eines Grundstücks kann man besser gestalten, es können zum Beispiel Optionen auf Grundstücke ausgegeben werden, die bestimmte Auflagen enthalten.“ Denn, so der Raumplaner Rüsch, die Möglichkeiten in der Raumplanung durch Bebauungspläne seien begrenzt. Den rechnerischen Vorteil sieht Rüsch gegeben, weil die Stadt erstens anderenfalls um 12 Mio. Euro Grundstücke für Park, Kindergarten ect. erwerben müsste (hätte sie dann keine Gestaltungsmöglichkeit?), zweitens aus dem Erlös für den Verkauf der Grundstücke am Areal kein Geld lukrieren könnte und drittens die Infrastrukturkosten zu tragen hätte. Rüsch setzt also voraus, dass die Grundstücke in Summe mit Gewinn verkauft werden können, auch wenn schon der Kaufpreis von 75 Millionen (1 Mio. davon stellt die Steiermärkische zur Verfügung und ist dadurch an der zu gründenden Gesellschaft beteiligt) einen Durchschnittspreis von 145 Euro pro Quadratmeter ergibt. Auf Nachfragen erläutert Rüsch detaillierter: 24 Mio. müsste die Stadt sofort aufbringen, über 50 Millionen wird ein Kredit aufgenommen, der mit etwa 3% verzinst sein wird. Rüschs Experten im Finanzressort rechnen mit einem möglichen Gewinn von 18 Millionen Euro. Der Finanzstadtrat räumt auf Nachfrage des Moderators jedoch auch ein, dass der aktuelle Rechnungshofbericht, der feststellt, dass der Kauf des Reininghaus-Areals in den nächsten Jahren bis zu 40% der Jahresbudgets der Stadt binden würde, seine Richtigkeit hat.

Dabei hakt Stadträtin Martina Schröck (SPÖ) ein und erklärt mit diesen „Folgekosten“, warum die SPÖ wohl für eine Volksbefragung eingetreten ist, aber zum Kauf des 52 ha großen Areals durch die Stadt, die schon jetzt mit 1,1 Milliarden verschuldet sei, „Nein“ sagt. Andere Investitionen müssten in den nächsten Jahren „gestrafft“ werden.

Bernhard Astner, seit Ende des Vorjahres Geschäftsführer von Asset One und einer der zehn (nicht genannten) Gesellschafter, betont in seinem Eingangsstatement die Überzeugung, dass eine Entwicklung von Reininghaus nur gemeinsam mit der Stadt geschehen kann, behauptet allerdings auch, dass es alternativ zum Verkauf an die Stadt auch einen Plan B und Interessenten gäbe. In der Folge erfährt man, dass die Gesellschafter Genussscheininhaber sind, die zusammen 9,9 Mio. Euro eingebracht haben.

Das ist ein Stichwort für den bekannten Wirtschaftsprüfer Fritz Kleiner. Seinen Auftritt leitet er launig ein mit dem Erstaunen darüber, dass die SPÖ im Fall Reininghaus gegen Gemeindeeigentum ist, während die ÖVP dafür eintritt. Was daran anschließt, ist für viele im Raum die erste konkrete Information. Kleiner sagt Astner auf den Kopf zu, dass der gewünschte Deal mit der Stadt für Asset One ein Notverkauf ist, weil diese gegenüber der Steiermärkischen Bank Verbindlichkeiten in der Höhe von 85 Mio. Euro hat. Und er führt weiter aus, dass der wirklich „große Player“ in der ganzen Sache die Bank sei, denn sie bekommt an Stelle der knapp insolventen Asset One mit der Stadt Graz einen solventen Player (Schuldner) an ihre Seite. Kleiner wird noch deutlicher, indem er ausspricht, dass das Ganze ein Rettungspaket für die Bank sei, die Interesse daran haben muss, dass Asset One jetzt verkauft.

Zwischenrufe aus dem Publikum, dass man in dem Fall im Verhandlungsweg doch den Preis für das Areal noch drücken könne, weist Rüsch mit dem Argument, dass dies nicht der Stil der Stadt sei, zurück. In der Folge ist der Schwerpunkt der ersten Fragen und Statements aus dem Publikum auch finanztechnischer Art. Die Frage, was Asset One unter Scholdan, der heute nicht mehr dabei ist, für das Grundstück bezahlt hat, wird mit 85 Euro pro Quadratmeter (im Durchschnitt für die Gesamtheit der Liegenschaften österreichweit) beantwortet. Der Argumentation von Rüsch, dass die Kosten für den Kauf von Flächen für Aufschließung und Park entfallen, wenn die Stadt das Areal kauft und verwertet, wird die gesetzlich vorgesehene Bestimmung entgegen gehalten, wonach Vorbehaltsflächen unentgeltlich abgetreten werden müssen. Wieso also Kauf, lautet die Frage.

Die Frage der Höhe der Infrastrukturkosten steht im Raum, als Walter Felber der Stadt seit drei Jahren chaotisches Planen vorwirft und verlangt, dass diese Kosten, die seiner Meinung nach 130 Mio. Euro betragen werden, nicht nur endlich offen gelegt, sondern auch auf die Investoren überwälzt werden müssten. Also in den Preis pro Quadratmeter eingerechnet. Dass dies zu 100 Prozent möglich sein wird, schließt Rüsch klar aus; einen Anteil kann er sich durchaus vorstellen.

Ach ja, und da war in dieser Runde auch noch ein Architekt und Stadtplaner, Johannes Fiedler, und es soll hier nicht der Eindruck entstehen, dass er deshalb erst gegen Ende dieses Berichts zu Wort kommt, weil er nichts zu sagen gehabt hätte. Ganz und gar nicht!
Fiedler wies von Anfang an deutlich darauf hin, dass es um das „Wie“ der Planung des neuen Stadtteils gehe. Stadt und Urbanität kann, wie Fiedler richtig erläutert, nur dann entstehen, wenn man es schafft, urbane Qualitäten in öffentlichen Räumen zu installieren. Dazu zählen Straßenräume und Häuser, die diesen zugewandt sind. Solange Straße und das straßenbegleitende Haus als Feinde gesehen werden, kann nur Siedlungsbau entstehen, dem urbane Nutzungsmischung und Vitalität fehlen wird. Fiedler setzt in diesem Zusammenhang ganz auf Vielfalt durch Kleinteiligkeit – auf die Aufteilung des Areals in möglichst viele kleinere Parzellen (mindestens 180). Zweck: wenige Großkäufer, die diktieren wollen, was zu welchen Bedingungen gebaut wird, möglichst auszuschließen und vielen Kleininvestoren zu ermöglichen, sich zu beteiligen.

Was hörbar noch nicht alle im Space04 gewusst hatten: 45.000 Bürger müssen teilnehmen, damit das Votum berücksichtigt wird, dabei gilt die einfache Mehrheit von 50% plus einer Stimme. Die Entscheidung, wie man sich bei der Abstimmung entscheidet und ob man überhaupt hingeht, wurde vermutlich für Viele durch diese Diskussion nicht einfacher.
Aber es gab erstmals Informationen zu Fakten, die bis dahin noch nicht am Tisch waren. Und es gab mit der größeren Gestaltungsmöglichkeit des zukünftigen Stadtteils als Verkäuferin Argumente zum Ankauf durch die Stadt, die zumindest überlegenswert sind.

Peter Laukhardt

Am 26.6.2012 habe ich mich in der Reininghaus-Diskussion (im Space04 des Kunsthauses), die fast nur ablehnende, zum Teil sogar gehässige Reaktionen brachte, zu Wort gemeldet, ungefähr so:
„1) Ich habe mir auf Empfehlung von Architekt Fiedler das Beispiel Tübingen angesehen (Anm.: im Internet), wo aus von den Franzosen 1991 geräumten Kaserne durch die Stadt ein moderner Stadtteil mit 62 ha entwickelt wurde (auch Freiburg im Breisgau ist ein ähnliches Beispiel). Dabei wurden auch alte Kasernengebäude revitalisiert usw. Die Vision von Reininghaus als neuer Stadtteil ist für mich daher durchaus nachvollziehbar.
2) Es ist den Bürgern nicht möglich, alle nötigen Fragen zu stellen und darauf ausreichende Antworten zu erhalten (Anm.: dazu ist viel Fachwissen nötig, sogar Dr. Kleiner war nicht völlig im Bilde. Stadtrat Rüsch hat es jedenfalls nicht verstanden, auch einfache Fragen verständlich zu beantworten).
3) Ich muss mir daher selbst die Frage stellen: Ist es aus meiner Sicht realistisch, zu erwarten, dass die Stadt es schafft, einen Stadtteil zu entwickeln, in dem
a) Wohnen und Arbeiten umweltfreundlich integriert sind,
b) das oft zitierte "leistbare Wohnen" verwirklicht ist,
c) der "genius loci" berücksichtigt; die Familie Reininghaus war der Kultur verpflichtet, hat großartige Büro- und Industrie-Bauten geschaffen, Arbeiterwohnungen und Kindergarten gebaut, den ersten Sportplatz von Graz angelegt und für Grünraum gesorgt. Sie werden sich denken können, wie ich diese Frage für mich beantworten werde." Ich habe nach der Diskussion Wesentlicheres aus Beamtenmund erfahren. So hat offenbar die Steiermärkische Bank tatsächlich auf eine Haftung der Stadt für die zu bildende Reininghaus-Gesellschaft verzichtet, dafür aber einen höheren Zinssatz (der in der Diskussion heftig kritisiert wurde) verlangt. Ein wichtiger Punkt, der für einen Kauf zu sprechen scheint: wenn die Stadt alles kauft, hat sie die benötigten Flächen für den Park, den Kindergarten usw. Ansonsten muss sie diese Flächen einzeln kaufen. Mein Fazit: es ist den Stadtpolitiker nicht gelungen, wichtige Informationen glaubhaft und nachvollziehbar zu liefern. Es geht in der Befragung jetzt daher einfach um die Frage: Kann ich der Politik vertrauen? Und Aktivbürger wie ich, können aus ihren bisher gemachten Erfahrung mit Stadtpolitik und Stadtplanung (wo ist eigentlich Herr Schöttli?) hier leider schwer ja sagen.

Mi. 18/07/2012 2:26 Permalink
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