14/01/2020

Wolkenschaufler_30

Der E-Porsche im Chalet

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Die Kolumne Wolkenschaufler von Wenzel Mraček zu Lebensraum, Kunst und Kultur(-politik) erscheint jeden 2. Dienstag im Monat auf GAT.

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14/01/2020

Das unter Narurschutz stehende 'Wasenmoos' in Mittersill am Pass Thurn. Bild: Screenshot Mraček, siehe Link > google.at

©: Google Maps

Der E-Porsche im Chalet

Gegen die geplante Verbindung der Gletscherschigebiete Ötztal und Pitztal – im Zuge dessen der Gipfel des Linken Fernerkogels gesprengt werden soll – protestierten vor etwa drei Wochen Umweltaktivisten, indem sie sich unter die Gondeln der Giggijochbahn legten. In unserer Zeit der Gletscherschmelze infolge des Klimawandels muten solche Aktionen wie die verzweifelten Versuche an, auf die Brutalität zu reagieren, mit der etwa der Obmann des Fachverbandes der Seilbahnen in der Wirtschaftskammer Österreich sinngemäß das Vorhaben argumentiert: Das „Konzept Wintersport“ sei die „absolute Erfolgsgarantie“ und es würden mit diesem Projekt die „Angebote optimiert“ (Ö1-Mittagsjournal, 4.11.19).
In einem früheren Wolkenschaufler habe ich am Beispiel des Schweizer Alpendorfes Andermatt gezeigt, wie ein ägyptischer Unternehmer nahezu den ganzen Ort zu einem touristischen Luxusressort umbaut. „Wir wollen dich“, hatte vor Baubeginn 2010 ein Gemeindevertreter der Presse mitgeteilt, „wenn du Immobilien kaufst oder in einem der Hotels wohnst. Ansonsten werden wir versuchen, dich zu eliminieren. Wir kontrollieren Andermatt in allen Aspekten. Dies wird in Zukunft kein Ort für jedermann sein.“ Inzwischen werden Gemeindewohnungen errichtet, um Lebenshaltungskosten von Einheimischen zu kompensieren.

In vergleichsweise kleinerer Dimension geschieht Ähnliches in Zell am See (Bezirkshauptstadt Pinzgau). Im Wohngebiet und direkt am See wurden in den vergangenen Jahren Aparthotels errichtet. In der ORF-Sendung Am Schauplatz (21.11.19) erklärt Stadtrat Werner Hörl (Die Grünen), worin sich Hotel und Aparthotel unterscheiden. Während der Einreichphase, so Hörl, bestehen etwa Frühstücksraum und Rezeption, die nach der Bauabnahme verschwunden sind und das Objekt wird infolge als Appartementanlage betrieben. Entsprechend der Einreichunterlagen handelte es sich beispielsweise um 50 Wohneinheiten, während nach der Betriebsbeschreibung dafür insgesamt fünf Mitarbeiter vorgesehen seien – für einen Hotelbetrieb undenkbar. Auf lange Sicht, meint Hörl, werden aus den Aparthotels Zweitwohnsitze beziehungsweise – das sagt Hörl hier nicht – einmal mehr die allenthalben bekannten Objekte zur Kapitalanlage, in denen zeitweilig vielleicht auch jemand wohnt. „Wir werden Zustände kriegen“, befürchtet Hörl, „wie auf Sylt, wo das Kapital in den Hot Spots ist und die einheimische Bevölkerung irgendwo am Rand wohnt und pendeln muss“. Bau- und Wohnkosten sind naturgemäß auch in Zell am See gestiegen. Die Stadtgemeinde hat inzwischen peripher gelegene Grundstücke gekauft und umgewidmet, auf denen einigermaßen erschwingliche geförderte Miet- und Eigentumswohnungen entstehen. In der Filmreportage weist Hörl mit der Hand über die im Bau befindliche Wohnanlage der Gemeinde hinaus auf weitreichende Wiesen, die zuvor offensichtlich zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gehörten: Derzeit noch in Umwidmung befindlich, ist hier ein weiteres Apart-Projekt avisiert.

40 Autominuten weiter westlich, in Mittersill am Pass Thurn, liegt das seit 1994 unter Naturschutz gestellte Wasenmoos auf einer Seehöhe von 1200 Metern. In diesem Hochmoor gedeihen alle drei in Österreich heimischen Birkenarten und die ebenfalls drei österreichischen fleischfressenden Pflanzen Sonnentau, Fettkraut und Wasserschlauch. Bis auf zwölf Meter an das Wasenmoos heranreichend, wird hier 2021 das Luxusressort Six Senses Kitzbühel Alps eröffnet. Beworben wird die Anlage im Netz als „Heiligtum … wo wilde Orchideen blühen … ein Ort wie kein anderer … ein Auto wie kein anderes“. Beim Kauf eines Chalets nämlich ist ein Elektro-Porsche inbegriffen. So geht, laut Werbevideo, „die Kunst des nachhaltigen Lebens“. Gebaut werden auf einer Fläche von knapp fünf Hektar ein Fünfstern-Hotel mit 77 Zimmern, 45 Appartements und 13 Chalets, wobei letztere, inklusive E-Porsche, ab 5,5 Mio. Euro zu haben sind. In der Sendung Am Schauplatz sagt Winfrid Herbst, Vorsitzender des Naturschutzbundes Österreich, der rezente Bereich sei eigentlich siedlungsfrei gewesen. Die Verfahren folgten einem Muster, nach dem irgendwo eine Seilbahn errichtet werde, darauf folgten Maßnahmen, um Gäste zu interessieren und es werden Zweitwohnsitze genehmigt.
Vormaliger Eigentümer des Areals von Six Senses waren die Bundesforste, die die einstige Waldfläche vor 20 Jahren an einen Pinzgauer Immobilienentwickler um 2,6 Mio. Euro verkauften. Mit der Umwidmung für „Beherbergungs-Großbetrieb und Zweitwohnsitze“ beläuft sich der Wert des Grundstückes laut Firmenbuch nun auf 43 Mio. Euro. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung wird nicht durchgeführt – die muss erst ab 500 Betten vorgenommen werden, während für Six Senses Kitzbühel Alps nur 484 Betten vorgesehen sind. Weshalb ein solches Projekt überhaupt genehmigt wird, erklärt der Mittersiller Bürgermeister mit der über 20 Jahre zurückreichenden Geschichte der Projektgenehmigung in einer damals strukturschwachen Region, während Winfrid Herbst die von den Gemeinden besorgte Raumordnung anführt und die „für diese Zwecke nicht ausgebildeten Gemeindepolitiker“.

Michael Steininger, der das Marketing für Six Senses Kitzbühel Alps betreibt, erklärt in der Ö1-Sendung Journal Panorama (10.12.19), dass es in der Bewerbung dieses Projekts um „die neue Ausrichtung des Luxusbegriffes“ geht, „und zwar nachhaltiger Luxus, das ist der neue Begriff“. In dem Resort soll es nämlich beispielsweise kein Plastik geben. Den „nachhaltigen Lebensstil“, sagt Steininger, könne man am besten kommunizieren, „wenn wir uns an ein Naturschutzgebiet wie das Wasenmoos anschließen“. Man werde „automatisch für einen bewussteren Lebensstil stimuliert“, wenn man das geschützte Gebiet eben vor der Haustüre habe. Teil der Stimulierung sei letztlich auch der E-Porsche. Wenn einflussreiche Chalet-Käufer gerne mit diesem Auto fahren, würden sie es auch mit nachhause nehmen und ihre ebenso einflussreichen Freunde „vielleicht“ von der Sinnhaftigkeit der E-Mobilität überzeugen können. „Der Porsche und das Chalet“ schließt Steininger, „passen perfekt zusammen. Im Sinne des nachhaltigen Lebensstiles“.

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