06/03/2023

Gefördertes Pfadfinderheim verzichtet auf Baukultur

Mit der Zusage von 700.000 € Förderung für den Neubau eines Pfadfinderheims in Graz-Straßgang, das ohne qualitätssicherndes Verfahren und ohne qualitätsvolle architektonische Gestaltung geplant wurde, agieren Stadt und Land offensiv gegen ihre baukulturellen Zielsetzungen.

06/03/2023

Darstellung Vereinsheim NEU (Quelle: www.graz10.at)

Bestehende Eisenbahnwaggons (Quelle: www.graz10.at)

Pfadfinderheim in Wolfurt, HK Architekten

Pfadfinderheim in Wolfurt, HK Architekten

Das Anliegen nach einer fixen Unterkunft für eine wachsende Pfadfindergruppe in Straßgang ist durchaus nachvollziehbar, die Art und Weise, wie diese Gruppe das Vorhaben realisiert und die bedingungslosen Subventionszusagen von Stadt und Land mit völligem Verzicht auf Baukultur erstaunen doch sehr.

Die Pfadfindergruppe 10 nützt ein Grundstück der Asfinag in der Straßganger Straße 438. Zwei bunt bemalte Eisenbahncontainer dienten bisher als Unterkunft. Im Winter waren die Container nicht benutzbar und so musste öfter ins Jugendzentrum Don Bosco ausgewichen werden. Das erzeugte einen Mitgliederschwund bei den jüngeren Kindern. Durch das große Einzugsgebiet wird mit höheren Nutzer*innenzahlen gerechnet, daher beschloss der Verein ein neues, beheizbares Vereinsheim zu bauen. Die Asfinag räumte den Pfadfindern ein Baurecht auf ihrem Grundstück ein.

Ohne noch mit potenziellen Fördergebern gesprochen zu haben, wird der Neubau einreichfertig geplant. „Da man nur über ca. 40.000 € Eigenmittel verfügt, hätte man eine Planung durch Architekten vorfinanzieren müssen, das wollte man aber nicht“, erklärt Gruppenleiter Leonhard Wipfler.
„Außerdem kostet schöne Architektur mehr“, meint Obfrau Katharina Rosmann.
So wählte man den typisch österreichischen Weg der Freunderlwirtschaft:
Ein befreundeter Architekt ohne Ziviltechnikerbefugnis half beim Raumprogramm, das Ziviltechnikerbüro Wörle & Sparowitz Ingenieure, wo der Pfadfindergruppenleiter beschäftigt ist, zeichnete die Einreichpläne. Der Gruppenleiter meinte von sich aus, „das Ergebnis sei kein architektonisches Highlight“.

Mit den Einreichplänen und einer Kostenaufstellung wurde man bei Land und Stadt vorstellig. Drei Ausführungsvarianten waren im Vorfeld untersucht worden. Am günstigsten war die Variante Schiffscontainer, am teuersten die Variante Holzbau. Man entschied sich für den teuren Holzbau. Land und Stadt hätten eingesehen, dass Bedarf für den Neubau bestehe und sagten die Übernahme von zwei Dritteln der Kosten zu, in Summe 700.000 €.

In der Gemeinderatssitzung vom 16.2.2023 wurde die Förderung des Vereinsheims als Tagesordnungspunkt 14 mehrheitlich beschlossen. Das Land zahlt 350.000 € als Bedarfszuweisung an die Stadt und der städtische Anteil wird dem Amt der Bürgermeisterin über Verstärkungsmittel zur Verfügung gestellt.

Die einzige Bedingung für die ordnungsgemäße Verwendung der 700.000 € hohen Subvention ist, dass die Fläche von 230 m² Nutzfläche in Holzbauweise errichtet wird. Ein Architekturwettbewerb oder zumindest die Planung durch Architekt*innen wurde weder vom Land noch von der Stadt eingefordert.

Land Steiermark und die Stadt Graz haben sich hohe Ziele zur Erreichung von mehr Baukultur gesetzt. Dennoch fördern sie ein Bauwerk, das allen Prinzipien der Baukultur widerspricht.

Im STEK 4.0. bekennt sich Graz im Grundsatz 9 zu seiner gelebten Baukultur und hält dazu fest:

„Qualitätsvolle Baukultur übernimmt gesellschaftliche Verantwortung und berücksichtigt hierbei stets Menschen mit Behinderung, Frauen und Männer, verschiedene Generationen, verschiedene ethnische und soziokulturelle Herkunft gleichermaßen und setzt sensible und praxistauglich abgestimmte Baumaßnahmen um. Zeitgenössische Architektur leistet ihren Beitrag zum unverwechselbaren Stadtbild und generiert dadurch Identität. Instrumente wie ein umfassendes räumliches Leitbild und ein lebendiges Wettbewerbswesen sichern die Einhaltung städtebaulicher und architektonischer Qualitätskriterien. Langfristig sichert hohe städtebauliche und baukulturelle Qualität eine lebenswerte Umwelt für alle Menschen, fördert ein gutes Zusammenleben und bildet das baukulturelle Erbe von morgen.“

Zur Zielerreichung werden u. a. folgende Maßnahmen verordnet: §28 (7)
„Erhalt des Engagements der Stadt Graz für eine hochwertige Baukultur:
– Bekenntnis zu qualitätsvoller architektonischer Gestaltung und weiterhin Forcierung des Wettbewerbswesens bzw. anderer qualitätssichernder Verfahren zur Erreichung einer hohen städtebaulichen und architektonischen Qualität. (…)
– Beurteilung der Einfügung von baulichen Maßnahmen anhand der Gestaltqualität sowohl nach städtebaulichen als auch architektonischen Maßstäben.“

Mit der Förderung des Neubaus eines Pfadfinderheims, das ohne qualitätssicherndes Verfahren und ohne qualitätsvolle architektonische Gestaltung geplant wurde, agierten Stadt und Land offensiv gegen ihre baukulturellen Zielsetzungen und Leitlinien. Warum eigentlich?

Dass es auch anders gehen kann, zeigt der Neubau eines Pfadfinderheims in Wolfurt, Vorarlberg. Auch hier ging es u. a. um die sparsame Errichtung des Bauwerks und dennoch oder vielleicht gerade deshalb wurde ein renommiertes Architekturbüro mit der Planung beauftragt. Die Beispielfotos stellte mir das Büro HK Architekten für die Veröffentlichung auf GAT.st zur Verfügung. Zudem hätte das Jugendzentrum ECHO in Graz als Orientierung dienen können, welches 2018 sogar die Gerambrose für vorbildliche Baukultur erhielt. Der pavillonartige Holzbau entstand in einem ebenfalls engen Budgetrahmen. Bauherrin war 2017 die Stadt Graz.

J. Eisenberger

„Außerdem kostet schöne Architektur mehr“ .... vl. hätte ein/e beauftragte/r Architekt/in ja sogar "gute Architektur" zusammengebracht ...

Di. 07/03/2023 9:56 Permalink
Tschavgova

Kleine, aber wichtige Korrektur: nicht das/ein "Gefördertes Pfadfinderheim verzichtet auf Baukultur" - das Heim kann nix dafür und nix machen, sondern die zuständigen Behörden und die Subventionsgeber Land und Stadt verzichten darauf. Oder vergessen darauf (die Baukulturleitlinien/Baupolitische Leitlinien hat Herr Seitinger ja schon im Jahre Schnee= 2009 proklamiert, und der "honorige" Baukulturbeirat scheint schon nach der konstituierenden Sitzung 2010 bald so erschöpft gewesen zu sein, dass auf der Seite des Landes der Jahresbericht von 2011 die letzte aufgeführte Aktivität ist. Oh, pardon, Falschinformation! 2014 gab es ja noch eine Baukulturenquete im Landtag mit honorigen .... und mit Broschüre im Umfang von 38 Seiten. Wie oft das Bekenntnis zur Baukultur dort im Papierformat vorkommt, hab ich nicht mehr gezählt/geprüft. Zu erschöpfend ....

Mo. 06/03/2023 19:35 Permalink
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