29/01/2013

Der Artiktel "WM. Und dann?" von Karin Tschavgova ist am 26.01.2013 im Spectrum der Tageszeitung Die Presse erstmalig erschienen und wurde mit freundlicher Genehmigung der Autorin auf www.gat.st veröffentlicht.

29/01/2013
©: Martin Huber

Bauboom im „herausgeputzten“ Skiort: Welches Image vermittelt das steirische Schladming, das sich nach der Ski-WM als Kongressstadt und Ganzjahresdestination etablieren will? Eine Bestandsaufnahme mit Blick in die Zukunft.

Spaziert ein nur mäßig am Sportgeschehen interessierter Unkundiger in diesen Tagen durch Schladming, so kommt er aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die ganze Stadt wird für die alpine Ski-WM - das Ereignis – baulich aufgerüstet. Mitte Jänner noch wurden im Stundentakt sperrige vorgefertigte Holzelemente abgeladen, die Heerscharen von Arbeitern zum Sportstudio oder Skihaus Austria zusammenschraubten, standen Kräne, die Gerüstteile für die haushohen Tribünen ins Zielstadion hoben, wurde hinter Absperrungen emsig gehämmert, gebohrt und geschraubt. Bis zur letzten Minute wird am Aufbau von Festzelten und Bühnen gearbeitet, lassen Unternehmen gastronomische Treffs für VIP’s bauen, werden Hütten errichtet, in denen sich Steiermarks Regionen präsentieren werden. Selbst Tirol lässt es sich nicht nehmen, den „TirolBerg“ nach Schladming zu karren. Fan-Arena, Familien-Erlebniswelt, WM-Plaza, Gastro-Stände, Steiermark-Dorf und die Alm einer bekannten Biermarke – dahinter steckt riesiger logistischer und baulicher Aufwand.

Was das alles mit Architektur und Gestaltung zu tun hat? Richtig, absolut nichts. Zwar wird alles strategisch durchgeplant, die Frage nach einem übergeordneten, ortsweit gültigen Gestaltungskonzept für dieses Megaevent würde dennoch vermutlich auf Unverständnis stoßen. Der Österreichische Skiverband ist Veranstalter, gewinnt Sponsoren, die auf ihre Art für ihr Produkt werben und das Skizirkus-Publikum mag es gerne zünftig und rustikal. Gilt nicht, dass, wer zahlt, auch anschafft und der Kunde König ist? Und käme nicht der Einwand, all das, was im Ort für die Dauer der WM installiert wird, sei doch eine temporäre, reversible Intervention, nicht länger ortsbildend als vierzehn Tage?

Für eine kurze Zeitspanne werden alle Blicke auf die Kleinstadt gerichtet sein und Millionen von Zuschauern auf der ganzen Welt nicht nur die Skirennen verfolgen, sondern Berichte über Land und Leute, über Brauchtum und Kultur und das touristische Angebot erhalten. Vertreter des Landes Steiermark als größter Investor in die Region und Touristiker sprechen im Gleichklang vom immensen Imagegewinn, der die Dachsteinregion zur führenden Ganzjahresdestination Ostösterreichs aufwerten und jährlich 44.000 zusätzliche Nächtigungen bringen soll. Doch welches Image, welches Bild versendet Schladming in die ganze Welt?

Der Ort hat sich „herausgeputzt“. In der Ortsplanung und der Ortsbildgestaltung jedoch zeigen sich Versäumnisse in der Vergangenheit und der jüngsten Gegenwart. Vieles wie etwa die Ortsumfahrung der Bundesstraße, die selbst als hochgelegte Trasse den historischen Ortskern vom Erweiterungsgebiet in der Talsenke separiert, wurde dem unmittelbaren Bedarf untergeordnet und scheint zu kurzfristig gedacht. Von den umliegenden Berghängen her gesehen dominieren heute einige Großbauten, die im weitesten Sinn infrastrukturelle Aufrüstungen darstellen, das Ortsbild.

Schon Ende 2010 wurde mit dem „Planet Planai“ das neue Talstationsgebäude der Planai-Seilbahnen eröffnet. Unter seinem riesigen, Gestalt gebenden Dach in Form einer blauen Welle sind das Headquarter der Seilbahngesellschaft, Büros und ein Servicezentrum mit Kassen, Infostand und Sportgeschäft vereint. Es ist ein Bauwerk, das sich in Form, Material und Farbe von seiner Umgebung abhebt. Damit verhält es sich nicht anders als viele, auch international hoch gelobte zeitgenössischen Bauten, die keinerlei Bestrebungen zeigen, sich einzugliedern, weil sie als singuläre Masterpieces gesehen werden wollen. Eine Diskussion über ortsgebundenes Bauen würde nicht nur in Schladming kontrovers geführt werden. Faktum ist, dass dieses Bauwerk modisch wirkt, als wäre es, ähnlich dem Design von Boutiquen oder Szenelokalen, nur für eine kurze Funktionsperiode konzipiert. Sein Entwurf stammt vom Grazer Architekturbüro Hofrichter-Ritter, das 2005 den Generalplanerwettbewerb gewinnen konnte. Der sogenannte Loop, der als gekurvte Fortsetzung des Daches den Platzraum des Zielstadions rahmen sollte, musste bereits weichen, weil der Veranstalter die Sicht von den Tribünen auf den Zielhang beeinträchtigt sah. Nun krönt den Zieleinlauf eine neue Landmark - das Sky-Gate, eine 35 Meter hohe Skulptur aus Stahlrohren aus der Feder derselben Architekten. In unmittelbarer Nähe türmt sich an der Hangkante ein fünfgeschoßiges Parkhaus auf, das die Tiefgaragenstellplätze unter dem Zielstadion ergänzen soll. Kostengründe müssen dafür ausschlaggebend gewesen sein, die 500 Stellplätze dieses mächtigen Volumens nicht unter der Erde oder im Hang versteckt zu haben. Direkt gegenüber der Talstation erhebt sich ein erst zu Beginn der Hochsaison fertig gestellter Gebäudekomplex: ein Budgethotel dänischer Investoren, hochgehoben auf künstliches Terrain über zwei Sockelgeschoßen, die mit Geschäften und einer Parkgarage gefüllt sind. Was ein findiger Salzburger Baumeister, der sich das Areal für den geplanten Bau eines Apartmenthauses gesichert hatte, nicht zur Zufriedenheit des städtischen Bauamts entworfen hatte, soll von einem eilig bestellten Architekten durch die Gestaltung der Fassaden verbessert worden sein. Die Verschönerung endet außen.

Eine Studie des Wirtschaftsministeriums über die Wirksamkeit von Investitionen für die WM ergab wenig überraschend, dass Qualitätsbetten fehlen. Nach langen Vorverhandlungen und äußerst kurzer Planungs- und Bauzeit wurde noch bis Ende Dezember am Falkensteiner Hotel Schladming gearbeitet, das von einer Investorengruppe unter der Beteiligung des Landes finanziert wurde. Für den Entwurf des Gebäudes, das mit einer über alle Geschoße reichenden Halle Urbanität und Großzügigkeit ausstrahlt, zeichnet der Grazer Architekt Sepp Hohensinn , von dem auch das Linzer Domhotel stammt, verantwortlich. Bei der Inneneinrichtung setzte man auf alpinen Lifestyle, den Arkan Zeytinoglu beigesteuert hat. Synergieeffekte für das Hotel erhofft man sich durch das benachbarte, Ende 2011 fertig gestellte Medien- und Congresscenter des oberösterreichischen Architekturbüros Riepl Riepl. Mit dieser Einrichtung, die während der WM  3000 Medienvertretern aus der ganzen Welt zur Berichterstattung dienen wird, will sich Schladming künftig als Kongressstadt positionieren und dazu beitragen, dass aus dem Wintersportort nach dem großen Ereignis WM wirklich das wird, was sich alle in schönster Einigkeit erhoffen: eine boomende Ganzjahresdestination. Baukultur wird dabei keine große Rolle spielen.

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