25/04/2014

Bernhard Inninger leitet seit Dezember 2012 das Grazer Stadtplanungsamt. Nach 500 Tagen im Amt fand am 23.04.2014 im Haus der Architektur ein Vortrag statt, bei dem er über seine bisherigen Erfahrungen, die geleistete Arbeit und seine Pläne und Visionen für die Zukunft der Grazer Stadtentwicklung berichtete.

25/04/2014

DI Bernhard Inninger, Leiter des Stadtplanungsamtes Graz am 23. April 2014 im HDA Graz

©: Martin Brischnik

Vortrag von DI Bernhard Inninger im HDA Graz

©: Martin Brischnik

Im Grazer Haus der Architektur zog am 23.04.2014 der Leiter des Stadtplanungsamtes, DI Bernhard Inninger, nach 500 Tagen im Amt eine erste Bilanz.

Im Unterschied zu seinem Vorgänger, Heinz Schöttli, welcher sich gerne in zurückhaltendes Schweigen hüllte, zeigt sich Inninger deutlich kommunikationsfreudiger. Den Ball, den ihm der HDA-Geschäftsführer Markus Bogensberger im Rahmen seiner Eröffnungsworte mit einem Foto zuspielt, welches die groteske Heterogenität der Grazer Randbezirke zeigt, nimmt Inninger dankbar auf.
Diese "zwischenstadtartigen" Areale seien eine große Herausforderung, bergen aber auch enorme Chancen, so Inninger. Es gebe zahlreiche solche Areale, wo Lagerhallen, Wohnbauten, Schrebergärten, Einfamilienhäuser und Biedermeier-Häuschen direkt aneinander grenzen. Diese Gebiete bergen Wachstumspotenzial und seien ihm ein großes Anliegen.

Die Aufgabenstellung ist klar – neben den Problemen der Luftqualität (Feinstaub), der Hochwassergefahr und der zunehmenden Überhitzung liegt die Hauptaufgabe darin, das Wachsen der Stadt zu ermöglichen. Das gegenwärtig hohe  Bevölkerungswachstum (2013 sind beispielsweise 3.700 Personen nach Graz gezogen) bedingt die Schaffung von neuem Wohnraum. Da der Grazer Grüngürtel hinsichtlich der Umwidmung zu Bauland tabu ist, liegt die Lösung in der Verdichtung. 
Inninger schließt sich hinsichtlich potenzieller Areale zum Teil seinem Vorgänger Schöttli an: Neben den Reininghausgründen bieten sich auch entlang der Mur sowie im Bereich der Conrad-von-Hötzendorfstraße Möglichkeiten, zu bauen und zu verdichten. Ideen für diese Areale gebe es schon länger, so Inninger, bislang hätte es aber an der Umsetzung gefehlt. Gegenwärtig spüre man aber großes Interesse vonseiten der GrundeigentümerInnen und InvestorenInnen. Das Motto lautet: Aus "Zwischenstadt" wird Stadt.
Das Ordnen und Homogenisieren der chaotischen Zwischenstadt-Areale versucht Inninger vor allem über die Kommunikation mit EigentümerInnen und GrundbesitzerInnen einzuleiten. Von deren Zustimmung hänge es ab, ob Stadtentwicklung möglich wird. Die Mitsprache der Bevölkerung im Rahmen geregelter BürgerInnenbeteiligung hält Inninger daher auch in weiterer Zukunft für wichtig.
Inninger betont, er wolle im Rahmen der Stadtentwicklung weg vom Bau weiterer Wohnparks, sondern es müsse gelingen, "Stadt" zu bauen. Es sei wichtig, urbane, öffentliche Räume zu schaffen, welche qualitativ gefasst sind und zur fußläufigen Erschließung einladen.
Hinsichtlich der Umsetzung dieser Visionen zeigt sich Inninger aber zurückhaltend. Mehrmals weist er darauf hin, dass der Grazer Stadtplanung nur etwa 20 Personen zur Verfügung stehen. Alles, was man selbst plane, sei der öffentliche Raum. Waren das bislang nur einzelne Plätze, so gelte es in Reininghaus nun, den kompletten öffentlichen Stadtraum zu planen. Ziel sei es, zu vermeiden, dass daraus ein reiner Verkehrsraum wird, die dahingehende Zusammenarbeit mit der Verkehrsplanung liefe aber hervorragend. 
Zum Thema Reininghaus betont Inninger, dass die Stadt finanziell tief in die Taschen wird greifen müssen. Die nötigen Investitionen für Infrastruktur  liegen inzwischen bei 150 bis 200 Millionen Euro. Ein zweites Reininghaus könne man sich definitiv nicht leisten, so Inninger.

Abgesehen von Reininghaus schraubt Inninger die Erwartungen an das Stadtplanungsamt aber weit zurück. Man plane selbst nichts, bis auf den öffentlichen Raum. Zu mehr fehle die Kapazität. Er stellt sogar die Frage: Wie viel Planung braucht Graz überhaupt? Was können 20 Menschen im Stadtplanungsamt gegen 300.000 Grazerinnen und Grazern schon ausrichten? Da gäbe es ohnedies so viel Entwicklung und Bewegung, welche nicht gesteuert werden könne.
Wie Schöttli betont auch Inninger, die Werkzeuge, welche der Stadtplanung zur Verfügung stehen, ließen nur eine "weiche" Stadtplanung zu.
Hinsichtlich dieser Werkzeuge berichtet Inninger von der Erstellung des aktuellen räumlichen Leitbildes, welches nach wie vor überfällig ist. Es wird heuer intern abgestimmt und ab Ende des Jahres sowie in den kommenden Jahren sollen Infoveranstaltungen sowie Bürgerbeteiligungsprozesse dazu folgen. Die Erkenntnisse des räumlichen Leitbildes sollen parallel trotzdem schon in den, ebenfalls längst überfälligen, Flächenwidmungsplan 4.0 einfließen. Sollte die öffentliche Diskussion des räumlichen Leitbildes dann Änderungen nötig machen, bleibt zu hinterfragen, wie lange der Flächenwidmungsplan 4.0 bestehen bleiben kann.
Zum Vorwurf von Architektin Elisabeth Lechner, die Grazer Stadtplanung konzentriere sich zu sehr darauf, das äußere Erscheinungsbild von Fassaden zu beurteilen anstatt Bebauungspläne für "Hotspots" vorzugeben, meinte Inninger, die Fassadengestaltung sei ein wichtiges Thema und werde auch weiterhin zu den Aufgaben des Stadtplanungsamtes zählen. Es wird, bis auf eine Ausnahme, auch weiterhin keine vorauseilende Bebauungsplanung der Stadt geben. Der Status quo der anlassbezogenen Bebauungsplanung bleibt also weiterhin erhalten.

Alles in allem also nichts Neues im Grazer Stadtplanungsamt. Heinz Schöttli hatte, wie man immer wieder hört, zumindest einem kleinen, verschworenen Kreis mit seinen Visionen für Graz beeindruckt –  öffentlich gelang es ihm nicht, das erhoffte Feuer zu entfachen. 
Inninger wiederum hat seine Hausaufgaben gemacht, die Probleme zusammengefasst und die Herausforderungen erkannt. Ebenso wie Schöttli stapelt er aber hinsichtlich der Umsetzung tief. Personalmangel und mangelnder gesetzlicher Rückhalt würden es schwer machen, etwas zu verändern. Aufgabe der Stadtplanung sei es gar nicht, Stadt zu planen, auch wenn man sich das wünsche. Der Wunsch nach Qualität alleine wird allerdings nicht reichen.

In Graz wird in den kommenden Jahrzehnten viel gebaut werden. Der Bedarf nach Wohnraum ist enorm, der Druck der Investoren demzufolge ebenfalls. Inninger sieht seine geringen Möglichkeiten realistisch, scheint sich aber damit abgefunden zu haben.
 Will man erreichen, dass in Graz Stadtplanung stattfindet, so müssen grundlegende Änderungen geschehen. Der Stadtplanung müsste durch neue gesetzliche Grundlagen die Möglichkeit gegeben werden, tatsächlich Stadt zu planen. Es müssten Wege gefunden werden, langfristige und vorausschauende Konzepte zu erstellen, welche nicht auf den Interessen der Investoren fußen. Die Stadtplanung müsste die Ressourcen haben, für interessante Gebiete Bebauungspläne zu erstellen, bevor die Investoren mit fertigen Projekten kommen. Und die Stadtplanung sollte ihrem Namen gerecht werden und Stadt planen anstatt Fassaden zu korrigieren. 
Inninger meint, die Leistungen in der Stadtplanung könne man nach 10 Jahren noch nicht an der Stadt ablesen. Es würde Jahrzehnte brauchen, um die gegenwärtige Tätigkeit am Stadtbild ablesen zu können.
Was die Stadtplanung der vergangenen Jahrzehnte "geleistet" hat, können wir jetzt an den Randbezirken der Stadt ablesen. Sollte kein generelles Umdenken hinsichtlich der Grazer Stadtplanung stattfinden, so wird also auch in 50 Jahren nicht mit positiven Überraschungen zu rechnen sein.

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