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Die Altstadt-Sachverständigenkommission (ASVK) wurde in den 1970er Jahren gegründet, um die Stadt Graz vor ihrer eigenen Behörde zu schützen. Nun, vierzig Jahre später, hat die Kommission ihr Rollenbild radikal geändert, empfiehlt den Abbruch historischer Gebäude und nimmt im Rahmen von wettbewerbsähnlichen Verfahren eine Projektentwicklerrolle ein. Es stellt sich nun die Frage: Wer schützt die Stadt vor der ASVK?
Die ASVK im geschichtlichen Kontext
Die Grazer ASVK wurde gegründet, um die Stadt Graz vor sich selbst (bzw. ihrer Behörde) zu schützen. Max Mayr, der im Juni 2012 verstorbene ehemalige Redakteur der Kleinen Zeitung, hat 1972 begonnen, den Schutz der Grazer Altstadt medial zu thematisieren. Anlass dazu gab die geplante Errichtung einer Tiefgarage unter dem Landhaushof. Das Thema erregte immens großes Aufsehen - innerhalb von nur vier Monaten wurden zum Jahreswechsel 1972/1973 ganze 107.571 Unterschriften für den Schutz der Altstadt gesammelt. Die Summe liegt immerhin nur knapp unter der der abgegebenen Stimmen bei der Gemeinderatswahl 2012. 1974 wurde das Grazer Altstadterhaltungsgesetz (GAEG) eingeführt und 1980 und 2008 novelliert. Das Gesetz selbst sowie die im GAEG verankerte ASVK kamen einer Entmündigung der städtischen Baubehörde nahe. Das Land schützte die Stadt vor ihrer eigenen Behörde.
Aus dem geschichtlichen Kontext leiten sich sowohl der Gesetzestext des GAEG als auch die Zusammensetzung und die im GAEG verankerte Aufgabenstellung der ASVK ab. So gilt als Ziel des Gesetzes "die Erhaltung der Altstadt von Graz in ihrem Erscheinungsbild, ihrer Baustruktur und Bausubstanz sowie die Aktivierung ihrer vielfältigen urbanen Funktion". Der Rolle der ASVK obliegt laut GAEG die Erstellung der Gutachten. Sie kann sich öffentlich zu allgemeinen Fragen der Altstadterhaltung äußern und sie hat die Verpflichtung, bei der Baubehörde Anzeige zu erstatten, wenn Grund zur Annahme besteht, dass Besitzer von Gebäuden ihrer Verpflichtung nach dem Steiermärkischen Baugesetz nicht nachkommen. Weiters kann die ASVK Vorschläge zur Änderung der Schutzzone, also ihres eigenen Wirkungsbereiches, einbringen. Bei der Änderung und Erstellung von Flächenwidmungsplänen und Bebauungsplänen ist der ASVK die "Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben". Die Aufgaben der ASVK sind damit im GAEG 2008 determiniert.
Die von unterschiedlichen Institutionen (Land Steiermark, Bundesdenkmalamt, Stadt Graz, ZT-Kammer etc.) entsandten Kommissionsmitglieder waren nach dem GAEG 1980 für maximal fünf Jahre bestellt, was im GAEG 2008 auf die Dauer der Legislaturperiode des Landtages geändert wurde. Mit der Einführung des Altstadtanwalts im GAEG 2008 hat die ASVK deutlich an Gewicht gewonnen- die Behörde selbst muss diesen zur Stellungnahme auffordern, wenn sie von einem Gutachten der ASVK abweichen möchte. Der Altstadtanwalt hat Parteistellung und das Recht, gegen letztinstanzliche Bescheide Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Eine weitere Neuerung des GAEG 2008 betrifft Neubauten in der Schutzzone, für welche eine Bewilligung nur erteilt werden darf, wenn sich das Vorhaben "insbesondere auch durch seine baukünstlerische Qualität in das Erscheinungsbild des betreffenden Stadtteils einfügt". Die von Gertrude Celedin, der damaligen Vorsitzenden der ASVK, eingeführten Neuerungen im GAEG 2008 dienten der Stärkung der Rolle der ASVK. Die Kommission hat dadurch an Einfluss gewonnen.
Die Ära Dreibholz
Im Februar 2011 hat Wolfdieter Dreibholz auf Bestellung von Landesrat Christian Buchmann den Vorsitz der nunmehr gestärkten ASVK übernommen. Mit seinem Stellvertreter Michael Szyszkowitz, der entgegen allen zeitlichen Beschränkungen (fünf Jahre laut GAEG 1980, eine Legislaturperiode der Landesregierung laut GAEG 2008) seit 23 Jahren in der ASVK verankert ist, hat Dreibholz sich offensichtlich rasch auf die Spielregeln der Ausübung ihrer Rollen geeinigt. So scheinen die drei Verordnungen (Dachlandschafterhaltungs-, Fenster- und Ankündigungsgestaltungsverordnung) für die gegenwärtige ASVK eher zur lästigen Pflicht zu werden. Auf der Webseite der ASVK liest man, diese sei im Rahmen der Erstellung von Bebauungsplänen und Bebauungsrichtlinien mit den Problemkreisen der Bebauung vorhandener Restflächen und Baulücken sowie der Verdichtung der Baumassen auf das im Flächenwidmungsplan erlaubte Höchstmaß "befasst". Eine Formulierung, die sich auch im GAEG 2008 nicht findet und deutlich über die Rolle einer Sachverständigenkommission hinauszugehen scheint.
Szyszkowitz spricht im Interview mit GAT vom 12.12.2012 davon, dass der ASVK neuerdings die Aufgabe der "Manuduktion" zukäme. Auch diese ist dem GAEG 2008 nicht zu entnehmen. Zudem stellt sich die Frage, wer an der Hand geführt werden soll. Der Investor oder der Planer?
Wettbewerbsähnliche Verfahren
Die Verfahren, im Rahmen derer die ASVK-Vorsitzenden neuerdings Entwurfsstudien zugunsten privater Investoren beauftragen und aus dem Kulturbudget von Landesrat Christian Buchmann bezahlen, sind aus mehreren Gründen kritisch zu hinterfragen. Allem voran ist ungeklärt, welche Investoren in den (nicht bestellten) Genuss dieser Verfahren kommen. Immerhin werden ihnen aus öffentlichen Geldern Entwürfe bezahlt und sie dürfen der Diskussion der ASVK aktiv beiwohnen. BauherrInnen, welche aus eigener Tasche Wettbewerbe finanzieren, haben dieses Recht nicht.
Laut GAEG hat die ASVK die Aufgabe, Gutachten sowie Stellungnahmen zu erstellen. Die Voraussetzung dafür ist eine objektive, unabhängige, unparteiische und unbefangene Position dem Projekt und den ProjektbetreiberInnen gegenüber. Wenn nun die ASVK selbst Studien beauftragt und an der Entscheidung zu einem Projekt mitwirkt, so ist sie genau genommen befangen, wenn das Projekt einige Monate später zur Begutachtung eingereicht wird. Eine negative Entscheidung zu diesem Zeitpunkt würde schließlich ihr ursprüngliches Engagement ad absurdum führen und nicht zuletzt den betroffenen Investor vor den Kopf stoßen. Die Auswahl der ArchitektInnen an diesen Verfahren geschieht ausschließlich nach Gutdünken der Vorsitzenden Dreibholz und Szyszkowitz. Laut Szyszkowitz will dieser eine Liste von PlanerInnen anlegen, welche in der Innenstadt bauen dürfen. Genau genommen sichern Dreibholz und Szyszkowitz ihrem Netzwerk dadurch die Planungshoheit in der Grazer Schutzzone.
ASVK-Mitglieder als stimmberechtigte Juroren bei Projekten in der Schutzzone
Laut ASVK-Geschäftsordnung können Mitglieder der Kommission beauftragt werden, in Jurien zu gehen, sofern sie dort stimmberechtigt vertreten sind. Dieser Passus wurde erst am 22. Oktober 2012 im Rahmen einer ASVK-Sitzung geändert, zuvor entsprach es der Praxis, dass ASVK-Mitglieder beratend an Wettbewerbsjurien teilnahmen.
Im Falle des Cassco-Bauvorhabens am Franz-Rehrl-Platz in Salzburg waren zwei Vertreter der Salzburger Altstadt-Sachverständigenkommission (SVK) als stimmberechtigte Jurymitglieder an der Auswahl des Siegerprojektes beteiligt. Sie haben dafür Honorare des Bauherren bezogen. Ihnen wird nun Befangenheit nach §7 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes vorgeworfen. Selbst, wenn offiziell nicht gewährleistet ist, dass ein Wettbewerbsprojekt, für das ein Vertreter der ASVK in der Jury gestimmt hat, in der Kommission positiv bewertet wird, besteht die Gefahr einer "schiefen Optik". Immerhin sollten Sachverständige unabhängig, unparteiisch und unbefangen agieren können, was infrage gestellt werden kann, wenn sie selbst aktiv an der Entscheidungsfindung zu Projekten beteiligt sind. Wenn, wie im Fall des Wettbewerbs zur Bebauung des Andreas-Hofer-Platzes, der ASVK-Vorsitzende Wolfdieter Dreibholz nach ersten Vereinbarungen den Juryvorsitz hätte übernehmen sollen, dann hätte sich die "schiefe Optik" nicht zuletzt dadurch verschärft, dass der stellvertretende Vorsitzende Szyszkowitz nach wie vor als Teilnehmer an dem Wettbewerb geführt wird.
Der Zeitfaktor ASVK
Wenn Voranfragen die ASVK mit einer einzigen Korrekturschleife durchlaufen, dann werden bis zur positiven Stellungnahme 11 bis 12 Wochen benötigt. Voraussetzung dafür ist, dass die Voranfrage ideal (eine Woche vor einer ASVK-Sitzung) eingereicht wird und mit nur einer Änderung ein Konsens erreicht wird, was nicht der Regelfall ist. Wenn sich einzelne Projekte über Jahre hinziehen und bis zu elfmal adaptiert und eingereicht werden, dann kann das nicht nur an der Sturheit von PlanerInnen und InvestorInnen liegen. Die Rechtsverbindlichkeit der Aussagen der ASVK wäre hier ebenso gefordert wie absolute Transparenz hinsichtlich der Entscheidungsfindung in der Kommission. Eklatante Fehlentscheidungen, Fehler in Gutachten sowie nicht nachvollziehbare Meinungswechsel müssen vermieden werden. Zweckdienlich wären unbestritten die im Petitionspapier der ZT-Kammer geforderten, verbindlichen Sprechstunden des Vorsitzenden bzw. eines Executive Boards.
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Erst einmal Gratulation zu
Erst einmal Gratulation zu Ihrem Kommentar, der vieles, dass sich auch Studierende denken, die leider viel zu oft vollkommen uneingebunden in das Architekturgeschehen in Graz sind, einmal auf den Punkt bringt, wenn er auch leider etwas einseitig ausgeführt ist.
Ich musste im Zuge meiner Recherchearbeiten für das Palais Trauttmansdorff 2012 feststellen, dass die nicht nachvollziehbaren, teilweise grotesken, Entscheidungsfindungen in der ASVK bereits in den 80-er Jahren Gang und Gebe zu sein schienen und die "Ära Dreibholz", wie Sie es betiteln, nur das Tüpfelchen auf dem i darstellt. (Arbeit nicht zur Publikation freigegeben, Hinweis Stadtarchiv).
Als politisch und gesellschaftlich engagierter Mensch merke ich ohne Zweifel neben der momentanen Politikverdrossenheit auch eine zunehmende Architekturverdrossenheit in Graz, beziehungseise im ganzen Osten Österreichs.
Graz ruht sich schon über Jahrzente auf dem Ruf seiner Grazer Schule aus, die in der heutigen Zeit nennenswert ist und ohne Zweifel geschichtlich seine Relevanz hat, in der Diskussion der "modernen Architektur" jedoch nichts mehr zu suchen hat. Das wäre so, als würde man behaupten, Jugendstil wäre die zeitgenössische Baukultur. An den heutigen modernen Prunkbauten von Graz, allen voran das Kunsthaus und die neue Thalia(bit.ly/143fAup) oder das beinamentliche Ei von Szyskowitz-Kowalski, merkt man sofort, mit welchem antiquierten Architekturverständnis die Grazer Politik und die Behörden beraten werden.
Es gibt jedes Jahr etwas mehr als 230 Studienanfänger in der Architektur und jedes Jahr preisgekrönte Diplomarbeiten, sowie auch während des Studiums eine sehr nach Graz orientierte entwerferische Auseinandersetzung, wann werden wir endlich einmal gefragt oder zumindest gesehen?
Ein Altstadtschutz á la ASVK und GAEG ist durchaus sowohl bemerkens- als auch wünschenswert und sollte gewährleistet bleiben, jedoch fehlt es dem Apparat an Feinmotorik. Aus Mangel an anderen einflussreichen Plattformen wird hier das Amt (zumindest scheinbar) missbraucht.
Man sehe sich als Beispiel Frankreich an, hier Lyon mit dem Projekt "Confluence" (http://www.lyon-confluence.fr/), die schon lange auf den Zug der fünf Möglichkeiten der Partizipation aufgesprungen sind und das informieren der Bürger zu einem wichtigen Bestandteil für das funktionieren eines Projekts erklärt haben. (K. 1.2.4, S29, http://www.stadtentwicklung.berlin.de/soziale_stadt/partizipation/downlo...)
Ich kann sehr gut verstehen, dass die Grazer bei jeder Veränderung auf die Barrikaden steigen, werden sie doch noch nicht einmal informiert (ausser per Artikel in der kleinen Zeitung, bei denen nicht einmal der Architekt erwähnt wird, geschweige denn irgendeine Form von Kritik an der Architektur bzw. Gestaltung abgedruckt wird), ganz zu schweigen von Miteinbindung. Kommt eine Hand langsam auf mein Gesicht zu, werde ich weniger erschrocken sein als wenn sie blitzschnell auf mich zurast.
"Überlasst das den Profis, stellt keine Fragen, das is halt so" scheint hier das Motto zu lauten.
Ich könnte mich noch stundenlang in hundert Richtungen darüber aufregen, was sich seit dem Beginn des Studiums in mir ansammelt, werde Sie jedoch nicht Ihrer Aufmerksamkeit berauben. Von Zeit zu Zeit lasse ich ohne jedwede journalistische Manier auf www.benreichts.tk meinem Unmut freien Lauf, vielleicht wollen Sie ja daran teilhaben.
Ein letztes Gedankenspiel: Wo bleibt die architektonische Version einer Whistleblower-Plattform für Graz? Oder hat die ASVK, beziehungsweise die Stadt Graz, zu viel Angst davor, genauso wie Sie Angst davor hat, dokumentierte Leerstände öffentlich preis zu geben?
MfG
Ben
Abbruchbescheide
zum Kommentar von Arch. DI Anderas Harich, im Zusammenhang mit der Albrechtgasse stellt sich die Frage, ob auch für das Projekt Morellenfeldgasse 44 (Planung Szyszkowitz*) Abbruchbescheide vorliegen.
Hier wurden anstelle der eingereichten und auf der Bautafel abgebildeten vier Geschosse + zwei Penthousegeschosse, sechs Vollgeschosse errichtet.
Bei der Größe des Projekts, kann man aber schon beim Einreichprojekt von einer vollen Ausnutzung der zulässigen Dichte ausgehen.
*Zitat Szyszkowitz:" Ich habe die Einreichplanung gemacht, bereits an der Detailplanung gearbeitet. Der Bauherr hat das Projekt einfach verkauft und gemeint, er brauche die Detailplanung nicht. Danke und auf Wiedersehen."
Wie kommt es im Rahmen von Detailplanungen zu zusätzlichen Baumassen? Wer erhöht hier nachträglich die Dichte?
Lauter Ausreden um Anrainer
Lauter Ausreden um Anrainer für dumm zu verkaufen!
Szyszkowitz hat es unter Missbrauch seiner Funktion in der ASVK gemeinsam mit der Stadtplanung durchgedrückt - so einfach ist das in Graz - man nimmt als Bauträger nicht umsonst den Szyszkowitz für sowas.
Christian Brugger, Landeskonservator für die Steiermark:
"Es macht den Eindruck, als gäbe es zwischen Stadtplanung und ASVK eine abgesprochene Einigkeit, die Verdichtung im Grazer Stadtraum zu forcieren."
ASVK
Eine Schande, was sich da seit Jahren unter den Augen und geduldet von allen in Politik und Verwaltung dafür Zuständigen abspielt.
Die in der ASVK seit Jahrzehnten undurchsichtigen aber sehr durchschaubaren Zustände passen mitsamt ihren Neben- und Langzeitakteuren nahtlos in das total heruntergekommene österreichische Bild von Integrität.
Wie gesagt, eine Schande.
Der u.a. Link ist jedenfalls lesenswert:
http://www.falter.at/falter/2012/06/19/bald-ist-die-tratscherei-vorbei/