14/03/2018

Was man lernt, das bleibt!

Das Architekturstudium

Der Artikel von Theresa Reisenhofer erscheint im Rahmen der fünfteiligen Serie ArchitektInnen und das Land.

Die Reihe präsentiert Details und Ergebnisse von Interviews, die Theresa Reisenhofer, Absoventin des Masterstudiums Architektur am Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften der TU Graz, 2017, mit verschiedenen Architekturschaffenden geführt hat.

14/03/2018

Blick auf das Einfamilienhausgebiet von Bad Blumau, Oststeiermark

©: Theresa Reisenhofer

Das Architekturstudium
Das Studium bildet für zukünftige ArchitektInnen die prägendste Phase für ihre weitere Berufslaufbahn, sie ist praktisch die "Quelle ihres Wissens" und beeinflusst ihr zukünftiges Verständnis von Architektur in städtischen und ländlichen Regionen. Für Viele ist das Studium der erste Schritt vom Land in die Stadt. Sowie auch für ca. 91% der 41 InterviewpartnerInnen. Sie haben ihre Herkunft in ländlich geprägten Gebieten und sind für die Architekturausbildung nach Graz gezogen.
Im Studium wird die Fähigkeit einer schärferen und feineren Wahrnehmung auf die Umwelt entwickelt. Vor allem in Bezug zur eigenen Herkunftsregion werden Zusammenhänge und Qualitäten, aber auch Probleme und Fragen deutlich sichtbar. Doch wie präsent sind die Fragestellung der eigenen Herkunftsorte in der Architekturfakultät und welche Möglichkeiten zur Auseinandersetzung werden angeboten?

Erfahrungsberichte von Architekten

„Was völlig unterrepräsentiert war, das war so etwas wie Stadtentwicklung, das hat es damals einfach nicht gegeben. Stadtentwicklung, aber auch sozusagen die räumliche Entwicklung am Land im Sinne einer umfassenden Analyse hin zu längerfristigen Strategien. Also – die Ausbildung damals auf der Grazer Universität war eine objektbezogene, auf das Gebäude selbst reduziert und die strategischen Ansätze, wie sich ländliche oder städtische Strukturen weiterentwickeln ist de facto überhaupt nicht vorgekommen. […] Es ist ein Gebot der Stunde, dass es heute in den Fokus der Ausbildung rückt.“

„Alles was passiert, ist zuerst in den Schulen passiert und wenn es dort nicht passiert, dann gibt es das auch nicht.  Selbstverständlich fehlt da die Ausbildung. Das Bewusstmachen der Problematik. […] Das ist nicht da, weil die Ausbildung doch sehr stark objektbezogen ist und die Raumplanung ist natürliches ein mühsames und undankbares Geschäft. Und daher auch nicht populär.“

„Ja, ich meine, die Universität ist sicher ein Elfenbeinturm, der sich sehr mit den modernsten Strömungen der Architektur auseinandersetzt und das ist auch für Graz ein elitärer Zugang, der nicht einmal in Graz selbst umgesetzt wird. Und dadurch gibt es einen großen Unterschied zwischen Theorie und Praxis.“

In den Aussagen von Architekten wird betont, wie wichtig es ist, dass Hochschulen aktuelle Tendenzen und Fragestellungen sowohl in städtischen, wie auch in ländlichen Gebieten bearbeiten. Die programmatische Ausrichtung der Hochschule bestimmt zukünftige Entwicklungen in der Architektur. Dennoch wird in den Erfahrungsberichten ein Defizit an der Architekturfakultät festgestellt, in der das einzelne Architekturobjekt noch immer die Lösung in vielen grundsätzlicheren Fragestellungen darstellt, aber eine größere Betrachtung der Problempunkte ausgeschlossen wird. Inhaltlichen Fragen zum Thema Baukultur und Land passieren fast ausschließlich auf einer ästhetischer Ebene.

Erfahrungsberichte von Studierenden

„Zumindest kann ich sagen, ich habe im Studium einmal davon gehört, dass Österreich grundsätzlich ein sehr zersiedeltes Gebiet ist und dass das irgendwo eventuell ein Problem sein kann. Weil man eben diese städtischen, örtlichen Strukturen verliert und eben nur mehr einzelne Gebiete hat, aber da ist man nicht näher darauf eingegangen und das finde ich total schade.“

„Ich glaube es bleibt oft sehr kontextlos stehen, also man hat dann zwar das Studio und kennt so die Problematik, der größere Zusammenhang wird oft nicht behandelt. […] Es wird schon über die Steiermark und die Region gesprochen, da die Leute wegziehen aus den Dörfern. Aber wie ist das woanders und warum passiert das gerade da und was kann man strukturell vielleicht auch dagegen tun? Wir arbeiten ja quasi nur einem Problem hinterher.“

„Es wäre mal interessant, was man da überhaupt alles machen kann. Weil von dem lernt man auf der Universität ja auch relativ wenig, also wie diese ganzen Funktionsabläufe sind. Wie die Raumplanung funktioniert. Man sollte da ein bisschen mehr Gesamtüberblick bekommen.“

Die Kritik der Studierenden beschreibt, dass es einen Mangel an problemorientierten Arbeiten gibt, die die Grundthematik der ländlichen Räume umfassen. Mit der Aussage: „Was kann man überhaupt alles machen?“ wird verdeutlicht, welche Lücken es in wichtigen Themenbereichen gibt, die nicht nur durch einzelne Entwurfsaufgaben zu lösen sind. Es geht hier viel mehr um eine Neuorientierung eines Architekturverständnisses, das sich Fragestellungen objektiv, sachlich und analytisch in ihrer Gesamtheit nähert.

„Ich denke, man kann sich diesen Fragen nicht in vereinzelten Semesteraufgaben 'in Rücksprache mit dem Zeitgeist' widmen. Sie sind viel grundsätzlicherer Art. Wir müssen zunächst die Reformbedürftigkeit unseres akademischen Architekturverständnisses erkennen, wenn wir es nicht mehr schaffen, qualitätsvolle Alltagsbauten zu entwickeln. […] Architekten und Architektur braucht es auch dort mit Anspruch, wo die Aufgabe anspruchslos erscheint. Das gilt es abzusichern.“ (Auszug aus dem Interview mit Albert Kirchengast)

„Ich schaue mir sehr stark an, wie die Leute so leben dort und bin dann entweder begeistert oder kritisch, das ist immer Beides und das Lustige ist, dass ich auch selbst im total Banalen, Sachen meistens finden kann, die ich dann doch irgendwie reizvoll finde oder wo ich halt sehe, da steckt irgendetwas drinnen, was interessant sein könnte.“ (Auszug aus dem Interview mit einer Studentin)

Vor dieser Herausforderung steht die Universität beim Setzen von Schwerpunkten und der Formulierung ihres Profils zu gegenwärtigen Fragestellungen. Dass alle Gebiete, die in der Architektur erfasst sind, nicht gleichwertig behandelt werden können, ist nachvollziehbar. Dennoch wird hier ein bestimmtes Defizit wahrgenommen, wenn es darum geht, grundsätzliche Fragen zu stellen und zu behandeln um eine moderne Baukultur zu begründen.

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