11/09/2017

Informationen zum neuen Berufsgesetz für ZiviltechnikerInnen (ZTG) 2018

Das Wichtigste in Kürze.
Was sind die nächsten Schritte?

11/09/2017
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Der Ministerialentwurf des Ziviltechnikergesetzes (ZTG 2018) liegt seit Juli 2017 vor. Wie es zu dem Gesetzesentwurf kam, was wirklich drinsteht und was die weiteren Schritte im Gesetzgebungsprozess sind erläutert Dr. Felix Ehrnhöfer, Generalsekretär der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen.

Wie kam es zum Gesetzesentwurf?
Die Inhalte der geplanten Novelle wurden in einem Ausschuss der Bundeskammer diskutiert, dem die Präsidenten aller Länderkammern, die Spitzen der beiden Bundessektionen sowie Präsident und Vizepräsident der Bundeskammer angehörten. Ein erster Entwurf des Ministeriums wurde in zwei Sitzungen des Kammertags erörtert. Durch die gründliche Beschäftigung mit dem ZTG hat die Kammer versucht für unterschiedliche interne Interessen und Ziele Kompromisse zu finden, um ein möglichst geschlossenes Auftreten nach außen zu gewährleisten. Diese informellen Schritte fanden noch vor dem Start des ersten formellen Schritts statt, der Anfang Juli erfolgten Versendung des Ministerialentwurfs zur Stellungnahme.

Das Wichtigste in Kürze

Eines der erklärten Ziele der Kammer ist es, den Berufszugang und die -ausübung zu erleichtern. Der Gesetzesentwurf entspricht diesem Ziel insbesondere durch folgende Punkte:

  • Dienstverhältnis trotz aufrechter Befugnis
    ZiviltechnikerInnen dürften Ihre Befugnis zukünftig auch während eines facheinschlägigen Dienstverhältnisses zu einem/einer anderen ZiviltechnikerIn oder zu einer Ziviltechnikergesellschaft ausüben, auch wenn sie nicht deren Gesellschafter sind. Aktuell müssen ZiviltechnikerInnen ihre Befugnis bei Eintritt in solche Dienstverhältnisse ruhend legen.
  • Praxiserwerb
    Die Regelungen über die praktische Betätigung sollen liberalisiert werden: Während eines Masterstudiums zurückgelegte Dienstzeiten sowie Mutterschutzzeiten zählen künftig als Praxiszeiten.

Öffnung der Kammer
Ginge es nach dem Entwurf, würde das neue Berufsrecht eine von uns schon lange angestrebte Öffnung der Kammer bedeuten. Vorgesehen ist u.a. die Maßnahme, dass Personen, die eine Ziviltechnikerbefugnis erlangen möchten, als außerordentliche Mitglieder in die Kammer aufgenommen werden. So können auch schon angehende ZiviltechnikerInnen aktiv mitgestalten.

Verleihung der staatlichen Befugnis
Der Titel des gesamten ersten Abschnittes des Gesetzes soll nunmehr Staatlich befugte und beeidete Ziviltechniker lauten.

Alle Verfahren im Zusammenhang mit der Zulassung zur Ziviltechnikerprüfung, der Verleihung bzw. Aberkennung der Befugnis und der Anerkennung von Berufsqualifikationen werden vom Gesetzgeber dem „übertragenen Wirkungsbereich“ der Bundeskammer zugewiesen. Unter „übertragenen Wirkungsbereich“ versteht man die Erledigung von Verwaltungsaufgaben des Staates durch Selbstverwaltungskörper unter Aufsicht und nach den Weisungen des Bundesministeriums.
Die Beeidigung erfolgt auch nach dem Ministerialentwurf durch den Bundesminister (bzw. in seinem Auftrag Repräsentanten der Bundesländer).
Die Übertragung der angeführten Verfahren in den Wirkungsbereich der Kammer ändert am Status der ZiviltechnikerInnen als staatlich befugte und beeidete Personen nichts. Dies wird in den Erläuterungen ausdrücklich erklärt und durch die Neufassung der Überschrift des ersten Abschnittes des Gesetzes noch zusätzlich betont.

Qualitätssicherung – Weiterbildung
Die schon bisher bestehende Fortbildungsverpflichtung der ZiviltechnikerInnen soll konkretisiert werden. Diese Konkretisierung ist sowohl aus Sicht des Ministeriums als auch der Kammer unter anderem erforderlich, um Rechtssicherheit zu schaffen. Das geltende ZTG lässt derzeit völlig offen, in welchem Ausmaß und in welcher Form sich der/die ZiviltechnkerIn fortzubilden hat. Im Streitfall entscheiden somit Gerichte, ob die Fortbildung angemessen war oder nicht. So könnte etwa eine Haftpflichtversicherung die Zahlung verweigern, weil sich der/die versicherte ZiviltechnikerIn eben nicht „ausreichend“ fortgebildet hat.
Wie die Fortbildungsmaßnahmen konkret auszusehen haben, sollen die beiden Bundessektionen festlegen. Berufsfortbildung wird hierbei keineswegs mit dem Besuch von Seminaren gleichgesetzt. Charakteristisch für einen hochqualifizierten Freien Beruf ist, dass die wirksamste Form der Weiterbildung durch berufliche Erfahrung, die Lösung von Problemen am Arbeitsplatz, eigene Vortragstätigkeit, die Teilnahme an Architekturwettbewerben etc. erfolgt.
Die Kammer hält die Festlegung eines bestimmten Stundenausmaßes an Berufsfortbildung pro Jahr im Gesetz für unnötig und geht in ihrer Stellungnahme ausführlich auf diesen Punkt ein.

Weitere Inhalte des Ministerialentwurfs sowie einen Vergleich der Gesetzestexte finden Sie unter dem Link arching.at – siehe Spalte rechts.

Was sind die nächsten Schritte?
Die Begutachtungsfrist für den Gesetzesentwurf ist am 1.September abgelaufen. Neben der Bundeskammer haben auch zahlreiche andere Institutionen Stellungnahmen abgegeben, welche unter dem Link parlament.gv.at – siehe Spalte rechts – nachgelesen werden können. Nächster Schritt wäre der einstimmige Beschluss einer Regierungsvorlage im Ministerrat noch im September. Es ist allerdings noch völlig offen, ob das ZTG 2018 auf die Tagesordnung genommen wird und beschlossen werden würde. Wenn nicht, wird eine Behandlung des neuen Berufsgesetzes erst nach den Nationalratswahlen stattfinden.

Anonymous

Zitat Anfang
"Praxiserwerb
Die Regelungen über die praktische Betätigung sollen liberalisiert werden: Während eines Masterstudiums zurückgelegte Dienstzeiten sowie Mutterschutzzeiten zählen künftig als Praxiszeiten."
Zitat Ende
Es ist absolut außer Frage, dass Mutterschutzzeiten für die Pension angerechnet werden, aber mir stellt sich bei oben angeführtem Zitat die Frage, inwieweit der Mutterschutz als Praxiszeit gelten kann, wenn es doch Ziel der Praxiszeit ist, nachweislich Berufspraxis (Baustellenpraxis) zu erwerben. Das sind zwei unterschiedliche Bedingungen und es ist auch keine optimale Vorbereitung auf die Selbstständigkeit.... Irgendwie entsteht der Eindruck einer Beliebigkeit, wo vor 10 Jahren noch der Zugang zur ZT-Prüfung massiv erschwert wurde, geht es jetzt fast in die andere Richtung, sodass eigentlich gleich mit dem Studienabschluss die ZT-Berechtigung erworben werden könnte....
irritierte Grüße!

Mo. 11/09/2017 5:21 Permalink
Anonymous

Antwort auf von Anonymous

Im Sinne der Gleichberechtigung sollten dann auch die Zivildienst- und die Grundwehrdienstzeiten als Praxiszeit anerkannt werden!

Di. 12/09/2017 12:35 Permalink
Felix Ehrnhöfer

Antwort auf von Anonymous

Anlass des Wunsches der Kammer nach Anrechnung von Mutterschutzzeiten war, dass in einer Länderkammer gleichzeitig ein Mutterschutzfall und der Fall eines ähnlich langen Krankenstandes eines männlichen Befugniswerbers zu behandeln war. Nach der geltenden Rechtslage stellen Zeiten des Krankenstandes Praxiszeiten dar, Zeiten des Mutterschutzes nicht. Diese Ungleichbehandlung erschien einer Mehrheit der gewählten Berufsvertreter nicht sachgerecht. Sie widerspricht auch EU-Recht, vgl zB. die Stellungnahme der Gleichbehandlungsanwaltschaft im Rahmen der Begutachtung: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/SNME/SNME_30780/index.shtml
Die Thematik wurde intern aber durchaus kontrovers diskutiert.
Herzliche Grüße
Felix Ehrnhöfer

Di. 12/09/2017 4:03 Permalink
Anonymous

Antwort auf von Felix Ehrnhöfer

Im Sinne der Gleichberechtigung scheint das Urteil klar, aber aus meiner Sicht stellt weder das eine noch das andere eine Praxiszeit dar... da es hier konkret um einen Wissens- bzw. Erfahrungserwerb geht, der nur in der Praxis möglich ist... schwierig, schwierig...
Herzliche Grüße zurück!

Mi. 13/09/2017 8:18 Permalink
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