11/04/2013

Drei ArchitektInnen haben zum laufenden Verfahren Stellung bezogen:

_ Wolfgang Feyferlik
_ Marta Schreieck
_ Andreas Heidl

11/04/2013

Dokumentation der Schäden an der Bausubstanz des Parlamentsgebäudes - Schaden auf dem Parlamentsdach

©: Mike Ranz

Am 22.03.2013 endete die Frist zur Bewerbung für das Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung für die Generalplanerleistungen Sanierung Parlament. Die Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten (BAIK) distanzierte sich öffentlich von diesem Verfahren – sie hatte sich für einen offenen Architekturwettbewerb ausgesprochen –, wird den Ablauf aber weiter kritisch beobachten.

Die Vorgeschichte bis zum Vergabeverfahren ist lang. Sie beginnt im Jahr 2001. Damals wurde bereits überlegt, wie der Sitzungssaal des Nationalrats saniert, umgebaut und neu gestaltet werden könnte. Im Jahr 2008 hat das Linzer Büro Heidl Architekten den EU-weiten Architekturwettbewerb zum Umbau des Nationalratssitzungssaales gewonnen. Das Verfahren wurde später aufgehoben, weil die Parlamentsdirektion zu dem Schluss gekommen war, dass eine komplette Sanierung des Parlaments nötig sei. Der schriftlich zugesicherte Planungsauftrag für die Umgestaltung des Nationalratssitzungssaals an Heidl Architekten wurde widerrufen. Mit einem Einspruch gegen diesen Widerruf ist Architekt Heidl im Dezember 2012 abgeblitzt. Man entschied sich für ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung für die Generalplanerleistungen Sanierung Parlament ohne Kooperation mit der BAIK.

 „In der konkreten Ausgestaltung des mehrstufigen Verhandlungsverfahrens gemäß Bundesvergabegesetz 2006 i.d.g.F. wurde Wert darauf gelegt, qualitative Vorteile eines Architekturwettbewerbs wie z.B. eine anonymisierte Wettbewerbsphase einzubauen. Das Verfahren wurde im Einvernehmen mit den Mitgliedern der Auswahlkommission erstellt, wobei zahlreiche Vorschläge der Architektenkammer berücksichtigt werden konnten. Der Weg eines neuerlichen Architekturwettbewerbs wurde aus rechtlichen Gründen nicht beschritten, da laut Vergaberecht bei einem Architektenwettbewerb bis zum Schluss Anonymität gewährleistet sein muss“, heißt es in der Aussendung der Parlamentsdirektion zum Start des Vergabeverfahrens am 29.01.2013.

Drei ArchitektInnen haben zu dem laufenden Verfahren Stellung bezogen:

_ Wolfgang Feyferlik (Architekturbüro Feyferlik / Fritzer, Graz), Vorsitzender des Wettbewerbsausschusses der BAIK, Sektion Architekten,
_ Marta Schreieck (Architekturbüro Henke Schreieck Architekten, Wien), Jurorin im Verfahren
Marta Schreieck hat gemeinsam mit Ernst Beneder, Detlef Heck und Martin Treberspurg, die ebenfalls in der Jury vertreten sein werden, die Verfahrensvorbereitung unterstützt.
_ Andreas Heidl (Architekturbüro Heidl Architekten), Gewinner des EU-weiten Architekturwettbewerb zum Umbau des Nationalratssitzungssaales.

Wolfgang Feyferlik

Schon der ehemalige Nationalratspräsident Khol, unter dem die Vorbereitungen des Wettbewerbs im Jahr 2008 zum Umbau des Parlaments gelaufen waren (abgewickelt wurde dieser ja dann unter Barbara Prammer), wollte keine Gesamtbetrachtung der nötigen Umbaumaßnahmen. Das war ein Fehler. Man wollte offensichtlich eine Entscheidung zugunsten einer Architektin treffen, was die Betrachtung eines Teilbereiches betrifft, welcher sich dann in das Haus "hineingräbt". Warum dafür nicht der Wettbewerbsgewinner Architekt Andreas Heidl herangezogen wurde, weiß ich nicht. Er selbst vermutet lt. ORF Beitrag, dass die Wiener Gesellschaft ihn ausbremsen wollte. Er hat aber in den letzten Jahren dezidiert nicht den Saal, sondern die Peripherie im Haus bearbeitet. Dafür wurde er meines Wissens auch bezahlt.

Es wurde also schon damals ein sehr unglücklicher Wettbewerb gestartet. Georg Pendl, Präsident der BAIK, wurde zu dem Zeitpunkt kammerintern kritisiert, weil er überhaupt an der Jury teilgenommen hatte. Aber letztendlich war er der Garant für ein offenes Verfahren. Es war ein offener Architekturwettbewerb, aus dem ein Sieger hervorgegangen ist und das war prinzipiell in Ordnung.

Nun wird plötzlich festgestellt, dass das Projekt umfassend betrachtet werden muss und immenser Handlungsbedarf besteht. Seitens der BAIK stand außer Diskussion, dass es dazu ein faires, offenes und anonymes Verfahren geben muss und dass der Parlamentssaalentwurf von Arch. Heidl Teil der Umsetzung sein wird. Sprich: wer auch immer gewinnt, muss mit Andreas Heidl ein „Agreement“ treffen, damit der Saal umgesetzt werden kann. Das war meines Wissens auch die Position von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Die BAIK hat Architekt Ernst Beneder beauftragt, die Verhandlungen mit der Parlamentsdirektion für die BAIK zu führen. Ernst Beneder hat wiederum versucht, die Grundinteressen der BAIK, welche im Wesentlichen einen offenen und anonymen Wettbewerb umfasst haben, zu wahren und trotzdem einen Weg zu finden, der der komplexen Aufgabenstellung gerecht werden kann. Er ist in seinem Bemühen, diese Interessen einfließen zu lassen, relativ weit gekommen. Nach meinem Wissen war dann irgendwann die Rede von einem Verhandlungsverfahren mit wettbewerbsähnlichen Zügen, wo schon davon gesprochen wurde, dass der Parlamentssaal doch wieder Teil der Aufgabenstellung sein soll. Für mich bestand dafür keine Notwendigkeit, da man den Saal immer auskoppeln hätte können. Auf der anderen Seite wäre der Parlamentsumbau ohne den Saal kein Thema für halbwegs namhafte ArchitektInnen. Das hätte kein großes Büro gereizt.

Dann wurde bekanntgegeben, dass die Parlamentsdirektion dasselbe Preisgericht wieder einsetzen werde. Womit Marta Schreieck und Boris Podrecca Preisrichter sein würden. Marta Schreieck meinte, sie hätte ein Problem mit der Anonymität, da sie als Preisrichterin des letzten Wettbewerbes die damaligen Projekte noch kenne und sich damit für befangen sehe. Dass sich daraufhin das Verfahren ändern würde, ist bislang einmalig in Österreich. Eigentlich müsste derjenige, der sich befangen fühlt, die Konsequenzen ziehen.

Ich finde es auch bestürzend, dass Boris Podrecca sich medial dahingehend äußert, dass man es dem Bauherrn schon zugestehen müsse, zu wissen, mit wem er plant. Die Anonymität sei also nicht so wichtig und es komme ja immer wieder vor, dass gewonnene Projekte nicht umgesetzt werden. Das wirft ein extrem schlechtes Bild auf die Branche und das Wettbewerbswesen. Auch wenn der damalige Juryvorsitzende Architekt Boris Podrecca beschwichtigt, es sei gang und gäbe, dass gewonnene Wettbewerbe nicht realisiert würden, zeugt das von einer unkollegialen Haltung, zumal das Projekt von Andreas Heidl keine Fehler aufgewiesen hat, zumindest nach dem damaligen Preisgerichtsprotokoll.

Diese Vorgänge haben bewirkt, dass sich die BAIK aus dem Prozess herausgenommen hat. Architekt Ernst Beneder argumentierte lange sehr sachlich und hat die inhaltlichen konstruktiven Belange der BAIK vertreten. Meiner Ansicht nach hätte er sich auch als Person herausnehmen müssen, stattdessen ist er jetzt Preisgerichtsvorsitzender.

Marta Schreieck lässt leider in Interviews immer wieder durchklingen, dass der offene Wettbewerb problematisch sei. Sie betrachtet diesen als Verschwendung des Volksvermögens. Meiner Ansicht nach gilt es aber nicht, Werkzeuge zu finden, um zu verhindern, dass 200 Teilnehmer ihre Wettbewerbsprojekte abgeben, sondern es sollten Mittel gefunden werden, die ein sauberes Jurieren gewährleisten. Wenn in Finnland 600 Projekte bei einem Museumswettbewerb abgegeben werden, dauert die Jurierung eben dementsprechend vier Monate. Die Jury trifft sich periodisch und arbeitet die Projekte systematisch ab.

Man müsste eruieren, wie hoch die Summen an Beratungshonoraren an Juristen und Experten für die rechtlich machbare Abwicklung des Verfahrens zum Parlamentsumbau waren. Mit diesen Geldern hätte man vorbildliche Juryarbeit finanzieren können. Unterm Strich gibt die Politik in diesem Fall ein absolut negatives Vorbild ab. Der Wettbewerb hätte beispielhaft durchgeführt werden müssen, mit einer klaren Bedarfserhebung und einer umfassenden Betrachtung aller nötigen Bauaufgaben. Der oberste Bauherr der Republik baut ein Haus – wenn wir es nicht schaffen, ihm alle Grundregeln für ein sauberes Wettbewerbsverfahren aufzuzeigen, dann ist das eine vertane Chance.

Marta Schreieck

Mein Wunschverfahren für die Generalplanersuche wäre ein Bewerbungsverfahren mittels Referenzen und anschließendem Wettbewerb gewesen. Aus dem Wettbewerb wurde ein Verhandlungsverfahren – nicht mein Wunschverfahren, aber aus Anonymitätsgründen offensichtlich das einzig rechtssichere Verfahren.

Als befangen müsste sich die gesamte Jury fühlen, inklusive Präsidentin Prammer. Ein Austausch der Jury hätte das Problem aber auch nicht gelöst, da der Wettbewerb Parlamentssitzungssaal publiziert wurde und jeder verantwortungsvolle weitere Juror sich über die Geschichte des Parlaments mit Sicherheit informiert hätte. Diesen Umstand haben wir mit Vertretern der BAIK diskutiert, aber keine rechtssichere Auskunft erhalten. Aus diesem Grunde musste das Verhandlungsverfahren gewählt werden.

Ich bin nicht gegen offene Wettbewerbe. Ich wäre jedoch sehr dafür, dass man etwas differenzierter bei der Auswahl der Verfahren vorgeht. Wann welches Verfahren unter Wahrnehmung der Rechtssicherheit zur qualitativ besten Lösung führt, ist bei jeder einzelnen Aufgabe zu diskutieren. Detail am Rande: Bei einem offenen Wettbewerb im Falle des Parlamentsumbaus habe ich nicht zu viele, sondern zu wenige Beiträge befürchtet –  siehe Wettbewerb Parlamentssitzungssaal 2008, europaweit offen – 21 Teilnehmer.

Der Parlamentsumbau ist aus meiner Sicht kein Thema für einen offenen Wettbewerb. Die Aufgabe ist sehr komplex. Um die Wettbewerbsergebnisse seriös beurteilen zu können, muss viel verlangt werden. Was nun das Wettbewerbsverfahren angeht, möchte ich festhalten, dass auch bei einem offenen Wettbewerb die Auswahl der Teilnehmer über den Jahresumsatz, Kapazitäten und Nachweise gelaufen wäre. Ursprünglich waren 5 Millionen Euro gefordert, nun wurde die Schwelle auf 2 Millionen Euro gesenkt, wobei dies das Generalplanerteam inklusive Subplaner betrifft, also bereits für relativ kleine Büros machbar sein sollte. Fakt ist jedoch, dass bzgl. Referenzen sehr viel verlangt wird – für meine Begriffe zu viel – aber im Vergleich mit anderen Verfahren relativiert sich das leider wieder.

Betreffend die Einbindung des Nationalratssaales in den Wettbewerb bin ich der Meinung, dass eine Generalsanierung das ganze Parlamentsgebäude zum Thema haben sollte. Zeitgleich zwei unterschiedliche Identitäten zu realisieren, wäre nur die zweitbeste Lösung.

Andreas Heidl

Die Notwendigkeit einer großen einheitlichen Formensprache und einer Minimierung des Gesamtkostenrisikos für den gesamten Parlamentsumbau war die stakkatoartig wiederholte Begründung für die Aufhebung des Architekturwettbewerbs für die Neugestaltung des Nationalratssitzungssaales.

Der Umstand, dass der Nationalratssitzungssaal – ein denkmalgeschützter Einbau aus den 1950er-Jahren – und die übrigen Räumlichkeiten aus den 1870er-Jahren zwangsweise differenzierte formale Anforderungen stellen, wird dabei geflissentlich außer Acht gelassen. (Anmerkung des beisitzenden Richters bei der Bundesvergabebehörde: „einen Denkmalschutz kann man auch aufheben ...“)

Weiters findet keine Berücksichtigung, dass definitive Gutachten wie jene von Randt und Frank für den Gesamtumbau eindeutig zu dem Schluss kommen, dass das Siegerprojekt für den Nationalratssitzungssaal in einen Gesamtumbau integrierbar sei. Weder Martha Schreieck noch die Berater der Jury haben sich je umfassend in die Materie eingearbeitet, sondern lediglich ihre persönlichen Ansichten eingebracht.

In einem „Memorandum of Understanding“ wurde uns vom Parlamentsdirektor der Republik Österreich noch im Jänner 2012 schriftlich zugesichert, dass unser Projekt auf Basis erstgenannter Studien in einen Gesamtumbau integriert wird. Später wurden – abgesehen von einem Rechtsgutachten, ob unser Büro eine Chance hätte, sich gegen eine Aufhebung des Wettbewerbsverfahrens zu wehren – keine weiteren fachspezifischen Studien beauftragt. Daraus resultieren auch die umständlichen Begründungen, warum eine Aufhebung unumgänglich sei. Fakt ist, dass es keinen eindeutigen Grund gibt.

Marta Schreieck, von der man weiß, dass sie schon in der Vergangenheit mehrfach einwandfreie Wettbewerbsergebnisse unterlaufen hat bzw. diesbezügliche Versuche unternahm (Linz – OÖ Nachrichten, Innsbruck – Wohnbau), war ursprünglich von der Nationalratspräsidentin als Juryvorsitzende nominiert. Der Vorsitz wird nun von Arch. Ernst Beneder übernommen. Er war als Vertreter der Architektenkammer für die Verhandlung eines Architekturwettbewerbs nominiert. Nachdem er mit diesen Verhandlungen scheiterte, übernahm er sogleich den Vorsitz für ein Verhandlungsverfahren, diesmal unabhängig von der Architektenkammer. Die Architektenkammer hat sich auch öffentlich von dem nun eingeschlagenen Weg distanziert und gleichzeitig beteuert, dass man das Verfahren weiterhin „kritisch“ begleiten werde. Die ursprünglich entsandten Jurymitglieder hat sie nicht zurückgezogen. Dass die kritische Begleitung durch die Kammer im Umkehrschluss für jeden Politiker einen qualitätssichernden Beitrag für ein Verhandlungsverfahren darstellt und ein solches somit auch rechtfertigt, wird außer Acht gelassen. Der jahrelange Versuch der Länderkammern, das Verhandlungsverfahren, in dem Nebenabsprachen jedweder Art rechtlich gedeckt sind und damit Korruption Tür und Tor geöffnet ist, aus dem Bundesvergabegesetz zu streichen, wird hier vom Bundeskammervorstand indirekt gutiert.

Das Außer-Acht-lassen oder wie Arch. Beneder es nannte, „die Entpersonifizierung der Neugestaltung des Nationalratssitzungssaales“, führt letztlich dazu, dass der Parlamentsumbau künftig als Paradebeispiel für die Aushebelung eines ordnungsgemäß gewonnenen EU-weiten Architekturwettbewerbs gelten wird, und das mit Zustimmung aller fachlich Beteiligten.

Dem Steuerzahler kostet die Neuausschreibung nach unserer Schätzung an die 10 Mio. Euro. Wenn man die Tausenden Sitzungsstunden von Beamten, Rechtsberatern und sonstigen Kosten über einen Zeitraum von 10 Jahren mit einbezieht, die natürlich in keiner Statistik aufscheinen. Dazu die vorsitzende Richterin in der Bundesvergabebehörde „Aber Herr Architekt, ich bitte Sie, was sind schon 10 Mio. bei 500 Mio. Bausumme?“

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