31/05/2011
31/05/2011

DI Christian Hofmann. Foto: G. Knaus

Christian Hofmann, Leiter des Referates Anlagentechnik und Baukultur in der Baubezirksleitung Leibnitz, Amt der Steiermärkischen Landesregierung, im Gespräch mit GAT über Steuerungsinstrumente für gutes Planen, gutes Bauen und verbindliche baukulturelle Auflagen.

GAT: Hat der Massentourismus in der Südsteiermark schon eingesetzt?

Hofmann: Tourismus ist die wirtschaftliche Grundlage der Region und von Massentourismus können wir ganz sicher nicht sprechen. Nach der allgemeinen Definition von Massentourismus würde das heißen, dass es mehr Betten als Einwohner gibt und davon ist die Region weit entfernt. Es gibt drei bis vier Wochenenden im Herbst, wo die Massen in die Südsteiermark pilgern.

GAT: Was wird vonseiten der Behörde getan, damit es nicht so weit kommt und die Region in ihren sozialen und ökologischen Strukturen nicht überfordert wird?

Hofmann: Steuerungsinstrumente sind die Raumplanung und konkrete Bauverfahren. Es gibt die Möglichkeit, ausgewiesenes Bauland käuflich zu erwerben und Landwirte können nun auch im Freiland neue Gebäude mit zehn Betten für die Beherbergung von Gästen bauen. Mit der Novellierung des Raumordnungsgesetzes 2010 können sie auch ein Haus zur Gästebeherbergung im Hofbereich neu bauen. Das war vorher nicht möglich.

GAT: Wie hat sich diese Novelle vom Vorjahr, die das Bauen im Freiland erlaubt, auf die Südsteiermark ausgewirkt und wurde damit der Zersiedelung Tür und Tor geöffnet?

Hofmann: Tatsächlich ist es so, dass viele Landwirte von diesem Recht nun häufig Gebrauch machen. Das entspricht auch dem Gebietscharakter – mehrere kleine Gebäude in Hoflage von bestehenden Strukturen sind wesentlich landschaftsverträglicher – vorausgesetzt, sie sind gut geplant und gut gebaut.

GAT: Vor etwa zehn Jahren wurde das Südsteirische Weinland von der Landesregierung als Landschaftsschutzgebiet festgelegt und als „Naturpark“ ausgezeichnet. Wie sieht es in den Gemeinden mit der Umsetzung des damit einhergehenden „Leitbildes zur Baukultur“ aus?

Hofmann: Das ‚Leitbild zur Baukultur’ enthält eine Reihe von Vorgaben für die Bau- und Landschaftsgestaltung, wie etwa die Gestaltungsvorgaben. Das Bekenntnis zur baukulturellen Qualität verpflichtet die Gemeinde, den Bauwerbern eine kostenlose Bauberatung durch speziell in Fragen des Orts und Landschaftsbildes qualifizierte Sachverständige anzubieten und einen unabhängigen Gestaltungsbeirat zur Beurteilung von Bauvorhaben beizuziehen. Zu diesem Leitbild haben sich bislang fünf Gemeinden, das sind Eichberg-Trautenburg, St. Johann, Gamlitz, Sulztal und Vogau bekannt. Wie es das Leitbild vorsieht, haben sie einen Gestaltungsbeirat mit drei unabhängigen fachkundigen ExpertInnen eingerichtet.

GAT: Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass sich nicht alle Gemeinden zu diesem Leitbild bekannt haben?

Hofmann: Es ist kein leichtes Unterfangen, weil jahrzehntelang die Einstellung vorherrschte, „Ich bau, wie ich will“ oder „Wer zahlt, schafft an“. Es liegt letztlich am jeweiligen Bürgermeister, ob das kulturelle Potenzial erkannt wird oder nicht. Vorbildlich ist sicherlich Bürgermeister Karl Wratschko in Gamlitz, der sehr engagiert in Sachen Baukultur ist. Sein anfänglicher Widerstand ist total gekippt, weil er erkannt hat, dass die Sicherung der baulichen Qualität den Tourismus nachhaltig positiv beeinflusst. Die „Gestaltungsbeiratsgemeinden“ spielen sozusagen in Sachen Baukultur eine Vorreiterrolle in der Region. Zahlreiche kleine und feine Projekte mit Vorbildwirkung zeigen dies.

GAT: Die Betonung liegt auf „verbindlich“?

Hofmann: Ja, unbedingt. Es besteht vonseiten der Politik akuter Handlungsbedarf, dass Qualitätskriterien für Baukultur und die damit verbundene Qualitätssteigerung verbindlich werden, um Mängel an baulicher Qualität und Landschaftszerstörung zu verhindern und entgegenzuwirken. Es wäre auch unbedingt notwendig, dass es bei Bauprojekten, die von der öffentlichen Hand (Land, Bund, EU) gefördert werden, Auflagen für die Qualitätssicherung gibt. Die Förderungen sind (derzeit noch) an keinerlei Bedingungen, was einen Architektenwettbewerb oder die Gestaltung betrifft, geknüpft.

GAT: Danke für das Gespräch!

Verfasser/in:
Gerlinde Knaus, Interview
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+