23/09/2008

Citywalk mit Stadträtin Fluch und den Autoren des Welterbeplans der Grazer Altstadt 

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23/09/2008

Ausgangspunkt Rathaus, Stadträtin Mag. Fluch (vorne rechts) mit Dr. Resch (vorne links)

Hauptplatz 16, Renaissancehof mit Sgraffiti. Typisch für die Bebauung der Ostseite der Herrengasse ist die mittelalterliche bairische Hofstätte mit Vorderhaus, schmalem Mittelhaus und Hinterhaus, die zusammen einen meist reichhaltig verzierten Arkadenhof einschließen. In der Barock- und Rokokozeit wurden die Haupthausfassaden zeitgemäß überarbeitet.

Dr. Resch (vorne mit StR Fluch und Arch. Andexer) erläutert am Färberplatz, dass die Platzfolge zwischen Sporgasse und Bischofsplatz im Mittelalter eine Randzone zwischen der rein bürgerlichen unteren Stadt und der oberen Stadtkrone mit Kirche war

Goldenes Gässchen, angelegt wegen des Hangwassers der Stadtkrone, führte von der Westseite der Enge-Gasse zur Prokopigasse - heute unzugänglich

Bairischer Innenhof in der Sporgasse

Hofgasse 3, Treppenhaus des ehem. Münzhauses; dort wurde der Grazer Pfenning hergestellt. Umbau zu einem Wohnhaus mit Einbau eines Lifts in den Hof. (Planung: Arch. DI Hans Gangoly)

Hof des Hauses in der Hofgasse 10, ehemals der Lamberg´sche Barockgarten; heute verstellen verschiedene Einbauten den Raum. Potenziale für qualitativ hochwertiges Wohnen

Innenhof des Priesterseminars: Teil des ehemaligen barocken Jesuitengartens, der den großen Schulkomplex mit Kollegium, Universität, Gymnasium und Ferdinandeum verband, heute jedoch durch Zäune unterteilt ist.

Alte Universität, Hofseite. Die Gebäude wurden in den letzten Jahren renoviert und dienen repräsentativen Zwecken. Durch die vorgestellte Installationszone im Hof konnte der Einbau notwendiger Infrastrukturen im Inneren und die Substanz geschont werden. (Planung: Arch. DI Alfred Bramberger, Graz)

Bürgergasse 13, Chor der 1784 zu einem Wohnhaus profanisierten Leonhardkirche. Potenziale für qualitativ hochwertiges Wohnen. Fotos: Ulrike Bogensberger

Citywalk mit Stadträtin Fluch, den Autoren des Welterbeplans Arch. DI Christian Andexer, Dr. Wiltraud Resch und ZiviltechnikerInnen.

Die Historische Altstadt von Graz gehört seit 1999 zu den etwa 830 von der UNESCO ausgezeichneten Welterbestätten und hat daher die Verpflichtung, mit dem wertvollen Kulturgut verantwortungsvoll umzugehen. Deshalb wurde 2007 der “Weltkulturerbe Historische Altstadt Graz - Managementplan 2007” (inkl. Masterplan) zur Orientierung aller Beteiligten bei Planungsinteressen erstellt (Autoren: Arch. DI Christian Andexer, Dr. Wiltraud Resch). Er definiert einen generellen Handlungsleitfaden mit empfehlendem Charakter. Zum Beispiel für Bereiche, in denen die Qualität der Bausubstanz verbesserungswürdig ist oder die mangels allgemeiner Zugänglichkeit nicht öffentlich sind. Weiters Zonen der Verstärkung historischer Bausubstanz (zB.: Stadtmauern, Bastionen), Gestaltungsgebiete (z. B.:Fuß des Schlossbergs) und auch störende Bauelemente (z. B.: Aufbauten Thalia). Alle Maßnahmen folgen dem Grundsatz der UNESCO, demzufolge „das kulturelle Erbe des Einzelnen, das kulturelle Erbe aller ist“.

Im Masterplan, der einen Anhang zum Managementplan 2007 darstellt, wird die Altstadt nach historischen Vierteln, die durch ihre Entstehungsgeschichte und ihre Bedeutung definiert sind, eingeteilt und die Befundung der Kernzone und ihrer Pufferzone vorgenommen (GAT berichtete).

Die politische Zuständigkeit für die Agenda Welterbe liegt seit Anfang 2008 in den Händen von Frau Stadträtin Mag. Eva Maria Fluch (u.a. Ressort für Baudirektion, Stadtplanungsamt). Ihr den Welterbeplan vorzustellen und sie gleichzeitig über eine Initiative der ZTinnen für selbstorganisiertes Wohnen in Kernzonen (GAT wird in Zukunft berichten) zu informieren, war Inhalt des Treffens am 07.08.2008.

Beim gemeinsamen Innenstadtspaziergang lauschte die Stadträtin mit Wissbegierde den Ausführungen der versierten Historikerin Wiltraud Resch, nicht nur weil sie der Inhalt des Plans für das Welterbe interessierte, sondern weil sie auch selbst einmal die Prüfung zur Fremdenführerin in Graz abgelegt hatte. Aber auch die ZTinnen-Initiative "Wohnbau_Alternative_Baugruppen" konnte anhand möglicher Potenziale in der Altstadt mit Stadträtin Fluch besprochen werden, würde privat organisierter Wohnbau doch einen gangbaren Weg zur Belebung, Aufwertung und Sanierung mancher Quartiere darstellen.

Resch und Andexer legten einen Rundgang von ca. zwei Stunden an, der von der Kernzone Altstadt vom Rathaus aus über Hauptplatz, Färberplatz und Sporgasse bis zur Stadtkrone mit Hofgasse und alter Universität führte, dann in der unteren Burggasse und im Tummelplatzviertel fortgesetzt wurde und in der Stempfergasse endete. Vorgestellt wurden nicht nur die Besonderheiten der Grazer Altstadt wie die bairischen Hofstätten (Hauptplatz 16), das zu einem Wohnhaus umgebaute alte Münzhaus - ein gelungenes Beispiel des Umgangs mit alter Bausubstanz - (Hofgasse 3) oder das Kirchenschiff der ehemaligen Leonhardkirche, die auch zu einem Wohnhaus umgebaut wurde - heute kaum auffindbar - (Bürgergasse 13), sondern auch die Defizite wie der ursprünglich freie Innenhof des Palais Lamberg, einst ein großer Barockgarten, der im Zuge der Anlegung des Freiheitsplatzes und der Ballhausgasse durch nachträgliche Hofbauten verloren ging (Hofgasse 10).

Revitalisierungsmöglichkeiten speziell für hochwertigen Wohnbau, die kulturbewusste Bürger mit Sinn für die Qualität des Baubestands interessieren würden und die Wohnraum von einmaliger Qualität schaffen wollen, könnten zwischen der unteren Burggasse und der Randbebauung zum Stadtpark fündig werden. Oder im ehemaligen Jesuiten-Campus. Oder zwischen Tummelplatz und Opernring. Gerade im Tummelplatzviertel, wo nur ein einziges Gebäude schützenswert ist, ließe sich lt. Resch noch viel gestalten. Diesbezüglich hilfreich wäre eine Dokumentation der Potenziale für dieses besondere und einmalige Wohnen in der Altstadt - der größten Mitteleuropas, einer Bürgerstadt von Anbeginn.
Karin Wallmüller

DETAILS AUS DEM WKE-MASTERPLAN

Die Stadtkrone wird gebildet von Dom, Mausoleum, Burg, Burgtor, ehem. Jesuitenkollegium (Priesterseminar), Alte Universität und Schauspielhaus. Sie schließt die obere Burg- und Bürgergasse, Hofgasse, Freiheitsplatz, Ballhaus- und Hartiggasse ein. Wie in vielen anderen Städten lag die Pfarrkirche (heute Dom) zur Zeit der Gründung des Marktes im 12.Jh. außerhalb der bürgerlichen Marktanlage.

Die Kernzone Altstadt wird gebildet von Hauptplatz, Herrengasse, Schmiedgasse (bis Stubenberggasse) und Sackstraße (bis Schlossbergplatz) und untere Sporgasse). Die im 12. Jahrhundert gegründete Marktsiedlung mit planmäßig angelegten Hofstätten ist (im Gegensatz zu Salzburg) allein von Profanarchitektur geprägt. Der für die bairische Landnahme charakteristische Hofstättengrundriss liegt heute noch vielen Gebäuden zugrunde: Vorderhaus mit seitlicher Einfahrt oder Hausdurchfahrt, dahinter befand sich Hof und Hinterhaus. Vorder- und Hinterhaus waren durch ein so genanntes Mittelhaus verbunden, einem relativ schmalen Flügel, der die Stallungen beherbergte - sh. östliche Hauptplatz- und Herrengassenseite bis zur Stempfergasse. In der Zeit der Residenz wurden die mittelalterlichen Gebäude unter Beibehaltung der Grundrissstruktur in Renaissance-Formen erneuert. Die Verbindung von italienischer Renaissancearchitektur mit Arkadengängen über einem bairischen Hofstättengrundriss ist einzigartig und ein entscheidendes Element für die Aufnahme der Altstadt von Graz in die Unesco-Liste der Weltkulturerbe.

Das Tummelplatzviertel wird gebildet von Unterer Burg- und Bürgergasse, Salzamtsgasse, Tummelplatz, und Hans-Sachs-Gasse. Das Viertel weist kein charakteristisches Erscheinungsbild auf. Dies resultiert aus seiner geschichtlichen Isoliertheit in der südöstlichen Ecke der mittelalterlichen Stadt (Platz zum Zähmen und Zureiten der Pferde) aber auch aus den gravierenden Bombenzerstörungen im letzten Weltkrieg. Anfang des 18. Jahrhunderts wurden in den aufgelassenen Hofstallungen Salzamts- bzw. Münzgebäude eingebaut. In einem aufgelassenen Wagenschuppen entstand das „Commödienhaus“, das erste Theatergebäude von Graz (später Kommodhaus, heute abgebrochen). Ende des 18. Jahrhunderts wurde das sackartige Ende von Tummelplatz und Burggasse als die „einsamste Gegend von Graz“ beschrieben. Historische Bauwerke haben sich in geringem Ausmaß erhalten bzw. stellen meist nur noch den inneren Baukern der Gebäude dar. Im äußeren Erscheinungsbild überwiegen zweckmäßige Nachkriegsfassaden. Besonderheit: Das Eckhaus zum Tummelplatz (Bürgergasse 13) ist im Kern das Kirchenschiff der Leonhardkirche, die nach der Klosteraufhebung Ende des 18. Jahrhunderts zu einem Wohnhaus umgebaut wurde. Im Hof besteht noch der gotische Kirchenchor mit Strebepfeilern.

AUSZUG AUS DEM MANAGEMENT- UND MASTERPLAN:
BEREICHE, DIE EINER VERBESSERUNG BEDÜRFEN

Von der Westseite der Enge-Gasse führt zwischen den Häusern 2 und 4 ein reichenartiges Gässchen, das im 16. und 17. Jahrhundert als „Golt- bzw, Goldgässchen“ bezeichnet wurde, zur Prokopigasse. Heute ist es nicht zugänglich. Zugänglichkeit wäre zu verbessern.

Das Blutgässchen führt vom Durchgang im Haus Färbergasse 9 als reichenartig schmaler, steil ansteigender Gassenzug mit Schwibbögen zur Hofgasse und mündete ehemals zwischen Hofgasse 6 und 8. Seit dem 19. Jahrhundert ist dieser Ausgang in der heutigen Hofbäckerei Edegger integriert. Der Name resultiert aus dem Streit zwischen zwei Adelshäusern. Zugänglichkeit wäre zu verbessern.

Die um 1790 zu einem Wohnhaus umgebaute Leonhardkirche (Bürgergasse 13) sollte mittels eines Hof-Durchganges zur ehemaligen Stiftsgasse (heute Hausdurchfahrt Salzamtsgasse 5 bis zum ehemaligen Kirchenchor) wieder stärker ins Blickfeld gerückt werden.

Innenhofareal des Ensembles Freiheitsplatz – Ballhausgasse – Hofgasse: Befund: Ehemals zum Palais Lamberg (Hofgasse 10) gehöriger Garten. Im Zuge der Anlegung des Freiheitsplatzes und der Ballhausgasse entstand eine biedermeierliche Blockrandverbauung. Der ursprünglich freie Innenhof ging durch nachträgliche Hofbauten (u.a. ehemalige Keksfabrik) weitgehend verloren. Empfehlung: Entkernung bzw. Neugestaltung des Innenhofbereiches

Hof Hauptplatz 14 – NW-Ende Prokopigasse: Befund: Die heutige Situation am sackartigen Ende der Prokopigasse ergab sich nach Errichtung des sezessionistischen Neubaus Hauptplatz 14. Empfehlung: Abbruch der Mauer zwischen dem Hinterhof von Hauptplatz 14 und der Prokopigasse. Möglichkeit der Wiederherstellung des historischen Durchganges zur Sporgasse

Innenhof Rathausblock: Befund: Im Ende des 19. Jahrhunderts errichteten Rathausblock zwischen Hauptplatz, Herrengasse, Landhausgasse und Schmiedgasse befinden sich an der Herrengassenseite drei ehemalige Bürgerhäuser, die mit ihren Hofbauten weit in den Innenhof des Rathausblock reichen. Empfehlung: Abbruch der störenden Überdachungen im Hof. Gestaltung als erlebbarer Innenhof mit Verbesserung der umgebenden Fassaden (z.B. „Media Center“)

Nachkriegsbauten-Ensemble Burggasse – Salzamtsgasse: Befund: Ehemaliger Bereich des Dominikanerinnenklosters mit der Leonhardskirche (nach Profanisierung zu einem Wohnhaus umgebaut, heute Bürgergasse. Dieser Stadtteil zählt zu den am schwersten von Bomben betroffenen Bereiche der Altstadt. Empfehlung: Städtebauliche Neugestaltung. Außer dem noch als gotischer Kirchenchor kenntlichen Hofflügel von Bürgergasse 13 sind die bestehenden Gebäude nicht schutzwürdig.

Ecke Burggasse 13 – Einspinnergasse: Ehemalige Handelskammer: Befund: Das an der Ecke Burggasse – Einspinnergasse situierte Gebäude wurde Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet und nach Bombenschäden teilweise erneuert wiederaufgebaut. Empfehlung: Städtebauliche Neugestaltung des Eingangsbereiches zum Tummelplatzensemble. Das bestehende Gebäude ist in seinem äußeren Erscheinungsbild nicht schutzwürdig. Erhaltenswert ist jedoch der 1923/25 errichtete „Kammersaal“, dessen künstlerische Ausgestaltung durch Wilhelm Gösser und Norbertine Bresslern-Roth ein wichtiges Zeugnis der Grazer Kunst in der Zwischenkriegszeit darstellt.

Fotos: Ulrike Bogensberger

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