11/09/2008
11/09/2008

Abb. 1

Abb. 2

Abb. 3

Abb. 4

Abb. 5

Abb. 6

Abb. 7

Abb. 8

Abb. 9

Abb. 10

Abb. 11

Abb. 12

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Abb. 15

Abb. 16

Abb. 20. Fotos: el

Abb. 17

Abb. 18

Abb. 19

Unter Verwendung eines aktuellen Wahlspruches würde man sagen: „Es reicht“ - Schluss mit dem Zerstören eines einst hochwertigen Wohngebietes durch fehlende Rahmenplanung.

Beim Durchfahren der Mariatroster Straße gewinnt man den Eindruck, dass es sich um ein Hoheitsgebiet handelt, das von allen Planungsregulativen und Instrumenten ausgenommen ist. Denn: es sind keinerlei Planungsziele in Richtung Verbesserung des Straßenraumes, des Erhaltes oder der Schaffung eines geordneten Siedlungsbildes erkennbar. Es entsteht unweigerlich der Eindruck, die zuständige Behörde hätte hier ihre wesentlichen Aufgaben nicht wahrgenommen, nämlich die öffentlichen Interessen hinsichtlich der Raumordnung und des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes zu sichern und auf deren Einhaltung zu achten. Das bedeutet u. a. das Festlegen von Regulierungslinien und Abständen zu öffentlichen Verkehrsflächen für ein geordnetes Siedlungsbild, für eine mögliche weitere Entwicklung des Straßenraumes bzw. die Anordnung komfortabler Gehsteige. Weiters kann die Behörde laut Paragraph 18 des Baugesetzes zum Schutz des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes die Bebauungsdichte, den Bebauungsgrad, die Bebauungsweise, Baufluchtlinien, zulässige Höhen und Dachformen festlegen. Die jüngst errichteten Bauten und viele andere Interventionen entlang der Mariatroster Straße lassen aber diese fachlichen Rahmenvorgaben und auch die sensible Bedachtnahme auf die Umgebung vermissen. Die nachfolgenden Beispiele stehen exemplarisch für die bauliche Fehlentwicklung und den Wildwuchs an diesem Ort.

Als Fußgänger/in ist man in der Mariatroster Straße ziemlich arm dran: Die Gehsteige sind oftmals nicht durchgezogen, schon gar nicht auf beiden Straßenseiten und wenn doch, so sind sie meist keine zwei Meter breit. Vor einem neuen Lidl-Markt misst der Gehsteig beispielsweise nur 1,50 Meter. Weshalb wohl? Es wäre genug Platz für eine breitere Fußgeherzone gewesen. Immerhin wurde ja auch der Straßenraum zugunsten der Autofahrer geringfügig verbreitert (Abb. 1). Bei einem weiteren Beispiel taucht die Frage auf, warum ein Neubau vor eine bestehende historische Gebäudeflucht gesetzt werden darf, wenn in Folge der Gehsteig gerade für eine Person Platz bietet und durch ein Mauerchen vor der befahrenen Straße geschützt werden muss? Vom Nachbarn im Einfamilienhaus daneben erfährt man, alles sei rechtens, das abgebrochene Chinarestaurant stand bereits an der neuen Baulinie. Die spitze Antwort lässt vermuten, er ist der Bauherr, aber wo war hier die Baubehörde, bzw. die Verkehrsplanung? Nicht einmal die kleine Kirche weiter stadteinwärts steht so nah an der Straße. (Abb. 2, 3, 4).

Vor baukulturell wertvolle Bestandsgebäude, die mit einem großzügigen, aber aus heutiger Sicht wegen Lärmbelästigung durchaus sinnvollen Abstand zur Straße stehen, wurden Gebäude hingeklotzt. Sie haben wegen des Straßenlärms Balkone, die hinter einer mit Vogelschutz-Folien beklebten Glasfassade liegen. Von den, nun durch die Neubauten lärmgeschützten Bestandsgebäuden blickt man auf deren fantasielose Laubengänge (Abb. 5, 6, 7, 8). Man stößt weiters auf eine imposante, alte Villa, die mit Förderung des Landes geschmacklos mit Neubauten, die wie angeklebt wirken, verschandelt wurde (Abb. 9, 10). Daneben taucht ein Beispiel für Bauen „behind the wall“ auf: Eine Potemkinsche Fassaden als Lärmschutz, dahinter eine Bebauung mit hoher Dichte, der Abstand zur Straße ist nicht ausreichend, der Gehsteig zu schmal. Zufällig fährt der Bauherr vor. Er erklärt, alles sei rechtens. (Abb. 11, 12, 13, 14). Gegenüberliegend findet sich noch der alte Charme des Gebietes. Wie lange wird es dauern, bis die Wiese an der Straße einer Baumaßnahme zum Opfer fällt? Stadtauswärts wurde dunkles, geschwungenes Glasgebäude respektlos vor einem sanierten alten Bauernhaus platziert, davor eine Vitrine mit Mutter Gottes und Kind. Handelt es sich um Denkmalschutz oder den Versuch zu trösten? Trost hat der architektonisch interessierte Flaneur spätestens hier dringend nötig (Abb. 15, 16). Visavis wird „Wohnen am Leechwald“ (Abb. 17) versprochen. Unschöne Laubengänge lassen das Gefühl von hochwertigem Wohnen nicht aufkommen.

Und als umwerfendes Highlight taucht ein Mehrfamilienwohnhaus auf, das wie an den Hang gepresst erscheint (ohne Rücksichtnahme auf die locker am Hang gruppierten älteren Einfamilienhäuser (Abb. 18, 19). Der Bauherr ist stolz darauf. Er hat den Keller jemandem abgekauft und das Projekt umgeplant. Den Herrn hat man vorhin schon getroffen. Und wieder erklärt er, so wie vorhin, alles sei rechtens.
Ein Plakat spricht Bände (Abb. 20).

Ist Mariatrost noch zu retten?

Verfasser/in:
Elisabeth Lechner, Kommentar
winfrid sallinger

Reaktionen aus der zuständigen Politk und der Stadtplanung wären endlich mal gefragtzu diesen Diskussionsanregenden Beiträgen.
Nahezu an allen Ausfallstraßen in Graz bieten sich ähnliche katastrophale Bilder.
Mich würde interessieren, was Verkehrsreferentin Vizebürgermeisterin Rücker und Planungsstadträtin Fluch dazu zu sagen haben.

Fr. 12/09/2008 3:22 Permalink
Josef Schiffer

Es stimmt: Architekten planen Wohnhäuser, Geschäfte, Infratstrukturbauten.
Aber entscheidend ist doch, wer was und warum baut, und das wird eher selten von den Architekten entschieden.
Wem nützt es denn, dass sämtliche unbebauten Flächen z.B. entlang der Mariatrosterstraße mit mehr oder minder hübschen "Objekten" zugepflastert werden?
Wohl in erster Linie den Bauherren und Besitzern dieser Gebäude. Und wenn man diese Auswüchse nicht will, wer sollte dann gegensteuern? Richtig, eine Stadtplanung die diesen Namen verdient, von Seiten der Stadtpolitik, die wohl nicht nur darin bestehen kann, Architektengutachten für Baugenehmigungen en bloc einzuholen, sondern viel mehr langfristige Konzepte für eine vernünftige(!) Raumplanung auszuarbeiten.
So kommt die wenig erfreuliche Situation in diesen Bezirken wie Mariatrost eben gerade daher, dass man glaubt, alles wird gut, wenn jeder im Sinne der freien Marktwirtschaft nur agieren kann, wie er will. Das läuft aber letztlich auf eine Bankrotterklärung unserer politischen Vertreter hinaus und darauf, dass wir uns an die gesichtslosen, überall gleichen von denselben Wohnblocks gesäumten Straßen mit den überall gleichen Warenkettenlogos gewöhnen werden müssen. Wollen wir das?

Di. 16/09/2008 11:37 Permalink
feyferlik

s.g. herr stadtplanungschef !
leider ist es ja kein einzelfall, was die straßenzüge in graz betrifft, höhepunkt der verplanung war bisher die plüddemanngasse, jetzt ist die mariatrosterstraße dran, wird hier das stümperhafte werk einer nicht existenten stadtplanung ihres vorgängers nun fortgesetzt.

Do. 11/09/2008 5:57 Permalink
Eva Maria Fluch

Da ich mit Frau Arch. Lechner immer wieder in Kontakt bin, habe ich auch ihren Kommentar auf der Plattform mit Interesse gelesen. Was mir persönlich widerstrebt, ist eine gegenseitige Schuldzuweisung zwischen ArchitektInnen, Stadtplanung, Bezirksvorstehung, ... Alle VertreterInnen sind an einer positiven Lösung interessiert. Klar muss nur sein, dass diese Zeit und Aufwand bedeutet. Eine Regulierungsplanung für die Haupteinfallsstraßen von Graz wurde von Frau VBM Rücker und mir bereits als Vorhaben definiert und soll im Zuge der Revision von Stek und Fläwi realisiert werden. Ist nur schon auch ein schönes Stück Koordinationstätigkeit, da neben anderen Stellen in der Stadt auch das Land zu befassen ist. Ich hoffe, diese Antwort wird für den Moment so akzeptiert...

Mo. 22/09/2008 12:21 Permalink
Elisabeth lechner

ist folgende: nicht alle zivile architekten planen solche objekte und viele zivile architekten sind mit den entscheidungen oder plangungen der behördlichen architekten nicht einverstanden und deshalb geben sie ihre meinung unter anderem in diesem forum kund.
interessant wäre nur gewesen, was tatsächlich die haltung des für diesen bezirkes zuständigen bezirkspolitkers ist.
denn auch auf dieser ebene sollte im sinne eines geordenten siedlungsbildes und funktionierenden verkehrskonzeptes etwas getan werden. sich nur über die sich über fehlentwicklungen äußernde architeken wundern ist ein wenig wenig.

Mo. 15/09/2008 12:57 Permalink
Dr.Paß-Kosmath Inge

die Frage ist ja, ob nicht auch ein Bezirksvorsteher Verantwortung und Einspruchsrecht bei lokalen Bauvorhaben hat - laut genug sind die Sprüche in Ihrem Bezirksblatt - und ob nicht auch vom Bezirk ein Konzept für den Bezirksverkehr incl.Fußgänger/ Erholungsflächen/ Verkehrsfluß und Lärmpegel erstellen werden sollte, um wohltuenden Einfluss nicht nur für Wirtschaftstreibende zu ermöglichen. Wozu zahlen wir SIE? hat eine Bezirksverwaltung noch eine Existenzberechtigung?

Fr. 19/09/2008 2:45 Permalink
Dagmar Krampl

Der Artikel von Frau Architektin Elisbeth Lechner spricht uns aus der Seele. Seit Jahren, wenn nicht schon seit Jahrzehnten wird scheinbar auf die Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner von Mariatrost vergessen. Interessen von Investoren scheinen vor den Interessen der AnrainerInnen zu kommen. Die SPÖ Mariatrost wurde und wird immer milde belächelt, wenn sie ihre Ideen einbringt und Anträge im Interesse der BewohnerInnen formuliert. Der Charakter von Mariatrost als "Vorstadt" wurde in den letzten Jahren scheinbar mit allen Mitteln der Bau- und Verkehrs"kunst" zerstört. Wir, Gemeinderätin Edeltraud Meißlitzer, GRin Dagmar Krampl und mit uns die ganze Grazer SPÖ hoffen sehr, dass endlich vernünftige Menschen die Anliegen der Bevölkerung ernst nehmen und unsere Bemühungen für einen lebenswerten Bezirk Mariatrost unterstützen und nicht boykottieren.

Do. 25/09/2008 12:43 Permalink
Bezirksvorsteher Erwin Wurzinger

Immer wieder fragen sich Bürger und Bezirksvertreter des Bezirks wie solche Projekte zustande kommen:
Die Antwort:
Zivile ARCHITEKTEN planen diese Baukörper und die städtischen ARCHITEKTEN (= Sachverständiger im Stadtplanungsamt) befürworten diese Projekte und übermitteln der Baubehörde eine POSITIVE(!) Stellungnahme.
Wieso sich daher genau die ARCHITEKTEN über diese Entwicklungen aufregen und mit Ihren Projekten die in dieser Situation machtlosen Bürger und Bezirksvertretungen oftmals vor den Kopf stossen, sollte auch mal erklärt werden!

Mo. 15/09/2008 11:12 Permalink
Alex Trojovsky

Leider, Sie haben recht, und der Beispiele ließen sich noch viele anfügen, in Mariatrost (spazieren Sie auf den Janischhofweg, gleich hinter den gezeigten Bauten, grünraumzugeklotzt, bei der letzten Flächenwidmungsplanänderung gegen alle Regeln als Baugrund ausgewiesen, Einwand doof zuückgewiesen, und Sie treffen wiederum die selben Leut wie in der Mariatrosterstraße – doch das alles wär eine längere Diskussion) oder an vielen anderen Stellen in Graz.
Die Freiheit der Bauenden ist heilig, Raumordnung oder Straßen-, Orts- und Landschaftsbild theoretische Begriffe, Trottoire zufällige Restflächen. Ärgerlich die Ohnmacht angesichts der Situation – die Verantwortlichen verstecken sich hinter Papier und Paragraphen.
Vielleicht finden sich ein paar kluge Kommentare, beherzte Zungen, und heiliger oder profaner Zorn um diese Themen anläßlich der nun bevorstehenden Diskussionen um Flächenwidmungsplan & Stadtentwicklungskonzept-Novelle in die Öffentlichkeit zu bringen – weil: nur so kann sich der "politische Wille" ändern, nur so werden die Gesetze nicht noch baulobbyfreundlicher, sondern geben die Richtung für eine menschenverträgliche Stadtentwicklung.

Di. 16/09/2008 7:31 Permalink
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