08/05/2005
08/05/2005

Der Autor mit Essnachbar

Lokal

Autor + Reisebegleitung

Im Zug

Mann mit Bart

Essen

Kimonodamen + Herr

Tokyo

Fugu

Straße

Straße - Nacht

Straße - Nacht

"Boku no Tokyo" von Michael Pichler

Ich sitze im 48sten Stockwerk in einer Hotelbar 30 cm vor der Panoramascheibe und genieße mit leichtem Schwindel das mit tausenden bunten Lichtern illuminierte Häusergewirr unter mir. Bis zum Horizont nichts als Stadt und ich sitze mittendrinnen und beobachte die Leute wie sie sich im Vergnügungspark rund um den Tokyo Dome, dem größten Stadion der Metropole, tummeln. Kaum zu glauben, dass in einer Stunde, kurz bevor die letzte Bahn geht, hier alles ausgestorben sein wird. Na ja, ausgestorben, aber im Gegensatz zu jetzt wird man nicht mehr die Menschenmengen vor sich teilen müssen, wie Moses das Meer obwohl das ist schon toll, selbst im ärgsten Gedränge stößt man selten mit jemandem zusammen, mit einer unglaublichen Nonchalance schlängeln sich die Menschen aneinander vorbei. Und ganz selten erntet man mal einen bösen Blick, wenn man als Gaijin, als Gast, jemanden anrempelt; lächeln, kurz verneigen mindert das Aggressionspotenzial und weiter geht’s.
Fünf Minuten zuvor hab ich den Barkeeper bei seiner Ehre gepackt, ich wollte einen White Russian, der stand aber nicht auf der Karte. Nein, habe er nicht, tue ihm leid. Meine rudimentären Japanischkenntnisse auspackend, hier immer eine vernichtende Waffe oder Grund zur überschwenglichen Anerkennung und Freude, zeige ich auf alle benötigten Ingredienzien hinter ihm und erkläre mich freundschaftlich bereit, ihm die Zubereitung meines Drinks anzusagen.
Mit versteinerter Miene zieht der Samurai hinter der Theke schweigend sein imaginäres, frischgeschliffenes Schwert und zeigt mit dessen funkelnder Spitze zu jenem Platz, an dem ich jetzt sitze. Banzai, gewonnen!
Ich habe noch nie einen so großen Eiswürfel in einem so kleinen Glas gesehen. Er füllt es fast zur Gänze aus!

Und in der rasierklingenbreiten Ritze ein bisschen Drink.
Jetzt lacht der Barkeeper und ich weiß wieder wo ich bin, in Tokyo, in der Stadt in welcher der spärlich vorhandene und extrem teure Raum halt ausgenutzt werden will. Die urbanjapanische Bauweise spiegelt sich in meinem Glas wider. Neben mir sitzt meine wunderschöne einheimische Reisebegleitung und ein Blick in ihr Glas offenbart ein weiteres japanisches Prinzip, das des Minimalismus, der Martini bedeckt kaum die Olive. Nie wieder bin ich schlauer als ein Barkeeper, ich staune verträumt aus der Scheibe auf die unendliche Lichterflut und da fällt mir ein, heute ist mein letzter Abend hier, morgen am zwölften September geht mein Flug, dann ist ja heute der Elfte und ich sitze im 48sten Stock eines Wolkenkratzers. Schnell trinke ich das, was kaum der Rede wert ist, aus und ziehe meine wunderschöne einheimische Reisebegleitung an der Hand zum Lift. Unten auf der Straße werden wir augenblicklich von der lachenden Menschenmasse verschluckt.

Nach zwölf Stunden Nonstop endlich Anflug auf Tokyo. Es ist mein erster Besuch in Japan, ich bin aufgeregt wie ein Volksschüler und verrenke mir den Hals um ja nichts zu versäumen. Der Flughafen heißt Narita, das glaube ich zumindest, steht ja auch auf meinem Ticket. Schön schaut es aus von oben, alles grün, kleine nette Häuser mit blauen Dächern, dazwischen große Waldinseln aus Bambus, einige Felder und Teiche und enge Straßen. In Gedanken sage ich mir alle japanischen Automarken vor die mir einfallen, um mich von der Landung abzulenken (ich habe Flugangst, ganz schreckliche...) und denke mir, ist ja gar nicht so viel Unterschied zum Anflug auf Graz, nur sind dort die Dächer rot. Mazda, Toyota, Mitsubishi, Suzuki, Subaru, Honda, Landung, alles gut gegangen.
Der Flughafen ist natürlich riesengroß, die Kontrollen sind höflich und genau aber ich hab eh nichts zu verzollen und ein Riesenglück, werde ich doch von einer wunderschönen einheimischen Reisebegleitung abgeholt die mir die folgenden Tage das Reich der aufgehenden Sonne (zumindest ein wenig von dessen Hauptstadt) zeigen wird.
"Bitte" sage ich, "ich möchte nicht mit der U-Bahn fahren sondern mit dem Bus damit ich gleich was sehe von Tokyo, geht das?" Natürlich spreche ich Englisch und lächle und verbeuge mich ein wenig und komme mir ungeheuer wißbegierig und interessiert vor. Meine wunderschöne einheimische Reisebegleitung lächelt auch und mit dem Schnellzug fahren wir dann eine Stunde nach Tokyo. Der Flughafen heißt schon Narita, aber ebenfalls die Kleinstadt, welche ihm seinen Namen gegeben hat und die liegt eben eine Zugstunde im Osten der Hauptstadt. Gott sei Dank wird viel gelächelt in Japan, ich möchte nicht wissen wie oft ich eigentlich ausgelacht worden bin.

Wir verlassen Tokyo. Ich habe darum gebeten mich zum Fujiyama zu bringen, den muß ich natürlich aus der Nähe sehen, bin ja Tourist. Also fahren wir. Und wie wir fahren. Mit dem Regionalzug nämlich und nicht mit dem Shinkanzen, dem Schnellzug, hab ich so gewollt, will ja was sehen von Tokyo. Und das hört jetzt einfach nicht auf.
"Sind wir immer noch in der gleichen Stadt?" frage ich meine wunderschöne einheimische Reisebegleitung. Sie lächelt geduldig und erklärt: "Wir sind immer noch in Tokyo, ja, aber nicht mehr in unserer Stadt. Jeder in Tokyo wohnt in seinem Bezirk, in seiner Stadt, unsere Stadt haben wir aber schon lange verlassen. Ich werde sie darauf aufmerksam machen sobald wir Tokyo verlassen haben." Aha. Die Stadt zieht an uns vorbei, unendlich. Würde Schönheit ein normierter Begriff sein, Tokyo fiele nicht darunter. Aber es ist, Verzeihung, einfach geil. Alle bauen anscheinend wie sie wollen und überall. Alle Phantasie werden hier verwirklicht, himmelhohe Wolkenkratzer neben einstöckigen Holzhäusern, Stahlbeton neben schillerndem Glas, Werbung, Fahnen, Lichter, vier Brücken übereinander, wirre Stromleitungen wie ich sie sonst nur aus der Türkei kenne. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus, ich bin erschlagen von der Vielfalt und von all den Schriftzeichen die ich nicht entziffern kann. Ich bin ein Landei. Auch ich werde bestaunt, ich bin der einzige Gaijin im Waggon und endlich größer als 85 Prozent der restlichen Menschheit. Nach weiteren 45 Minuten Staunen und etlichen Stationen kann ich nicht anders. Ich frage meine wunderschöne einheimische Reisebegleitung, ob wir noch immer in Tokyo..., sie lächelt.

Ich wohne privat, bei einer vierköpfigen Familie (mit Hund) im Zentrum von Tokyo, im Stadtteil Asakusa. Im Penthouse eines sechsstöckigen Bürohauses darf ich mit ihnen ihre für Europäer beengten Wohnverhältnisse teilen. Kann man Japan besser kennenlernen? Eingeladen und gleich voll integriert, ich bin glücklich. Den ersten Abend überlebe ich ohne gröber irgendwelche Anstandsregeln zu verletzen, da habe ich mich aber auch gut vorbereitet darauf. Schuhe ausziehen und richtig hinstellen (Fußdeo wirkt auch noch nach 12 Stunden Flug, super!), Begrüßungsformel natürlich auf Japanisch und überhaupt des weiteren immer mit etwas Japanischgestammel good will zeigen, das bricht die Herzen, Tee trinken und Geschenke überreichen. Ich werde zum Fuguessen eingeladen, das ist dieser tödliche Kugelfisch. In Japan ist noch niemand dran gestorben, ja lesen die keine internationalen Zeitungen? Meine wunderschöne einheimische Reisebegleitung, die noch dazu die Tochter des Hauses ist, reagiert nur mit Verwunderung auf meine ängstlichen Fragen. Ich beschließe wie jeder gute Samurai (Diener und Krieger) ihr zu imponieren, dem Tod ins Auge zu sehen und esse alles, was mir vorgesetzt wird. Ich bin begeistert, es schmeckt köstlich, Fugu roh ganz dünn geschnitten, Fuguflossen in heißem Sake, Fugu in Suppe gekocht, wenn ein Teil noch zuckt na um so besser, ich überlebe und ernte noch dazu anerkennende Worte für meinen routinierten Umgang mit den Hashi, den Stäbchen, ich bin schon fast ein Japaner. Der Preis des Abendessens übersteigt den Gegenwert meines Reisebudgets bei weitem. Gott sei Dank zahlt mein Gastgeber.

Am nächsten Morgen reißt es mich fast aus dem Bett, ich erlebe mein erstes Erdbeben. Ich bin sofort ganz schwindelig und verliere die Orientierung, man kann sich das nicht vorstellen wenn man es noch nicht erlebt hat. Ich falle fast vom Futon, ein kleines Übel denn der liegt eh am Boden, und denke "Türstock oder unter den Tisch", aber die Familie sitzt schon relaxed beim Frühstück und lacht über mein erschrockenes Gesicht. Ist nicht der Rede wert, ganz schwach, passiert alle zwei Wochen. Außerdem ist das Haus erdbebensicher. Aha, ich denke kurz an Kobe, rolle mein Bett zusammen, das liegt mitten im Wohn-Esszimmer und stecke meinen Kopf beim Fenster hinaus um frische Luft zu schnappen. Überraschung! Ich schaue direkt in eine Betonwand, wenn ich die Hand ausstrecke kann ich ganz leicht das Nachbarhaus berühren. Der Vater erzählt mir: "Als wir das Haus gebaut haben waren wir das erste höhere Haus hier in der Straße, dann haben die Nachbarn gebaut aber halt höher und viel Abstand kann sich in Tokyo wegen der Grundstückspreise niemand leisten. Aber sie waren so nett und haben genau einen Halbstock versetzt gebaut, so schaut man sich wenigstens nicht in die Fenster." Es lebe die gute Nachbarschaft, das sollte sich in Österreich mal wer trauen!

Flanieren ist angesagt. In Tokyo? Aber wie! Die Stadt brodelt, ich bin in der glücklichen Lage keinen Plan zu brauchen denn wie ein kleines Kind werde ich von meiner wunderschönen einheimischen Reisebegleitung an der Hand durch die Straßen gezogen. Als arbeitender Mensch, vielleicht noch mit Termindruck, muss das hier die Hölle sein, aber als Tourist mit Zeit und dem gewissen Phlegma genieße ich jede Minute. Es ist laut, an allen Ecken und Enden piepst und fiept es, die Lifte und Rolltreppen und selbst die Lastautos ("Achtung, der Wagen biegt nach links ab...!") sprechen permanent mit elektronischen Stimmen zu mir, Menschen in seltsamen Uniformen (nur derjenige in Uniform, der auch eine Pistole an der Seite hängen hat, ist ein Polizist) mit weißen Handschuhen regeln laut schreiend den Auto- als auch den Menschenverkehr, aus fast jedem Geschäft dröhnt laute Musik, es ist herrlich. Und ich sehe meist über das ganze Gedränge, über all die Köpfe hinweg. Das bringt ein Sicherheitsplus, denn in Japan benutzen die Radfahrer den Gehsteig und das oft mit abenteuerlichem Tempo. Immer wieder aufs neue bin ich fasziniert vom Kontrast der Bauten. Zwischen ultramodernen Beton-Glasbauten stehen ganze Inseln von niedrigen Holzbaracken welche nur aus Faulheit nicht in sich zusammenstürzen und in denen meist Gastronomiebetriebe angesiedelt sind. Das ist gut so denn wir lassen uns solange treiben bis wir Hunger bekommen.
Peko-peko, ich habe Hunger! Aber was essen, ich kann ja nichts lesen. Und soll ich vorher noch schnell mal meinen Kontostand prüfen? Meine wunderschöne einheimische Reisebegleitung lächelt und zieht mich an der Hand durch eine mit großen, bunten Fahnen verhängte Schiebetür ins Innere einer Baracke. Nie hätte ich mich hier allein reingetraut, drinnen ist aber alles nett und freundlich, wir ziehen die Schuhe aus, besteigen ein ca. betthohes Podest, welches fast den ganzen Raum einnimmt und setzen uns vor einem kniehohen Tisch auf den Boden. Nach dem Essen, welches unglaublich gut und bemerkenswert günstig war, werde ich lächelnd aufgeklärt: erstens steigt man nicht über den Tisch, dann sitzt man als Mann nicht wie eine Frau (aua, meine Knie...!), man verwendet die Hashi nicht wie eine Gabel und steckt sie auch nicht in den Reis wenn man beide Hände frei haben will. Dass man die klare Suppe nicht, die mit Nudeln aber schon laut schlürfen soll leuchtet mir sofort ein, naja, mach ich beim nächsten Mal alles perfekt. Nur sitze ich auch heute noch wie eine Frau, die sitzen nämlich bequem und wie sie wollen und strecken auch mal die Beine aus, die Männer dagegen im Schneidersitz (aua, meine Knie...!). Nur spätabends nivelliert zuviel Sake auch diesen Unterschied und die meisten Männer werden zu Frauen. Ich darf aber immer sitzen wie ich will, denn ich bin ein Gaijin und woher soll ich die Regeln kennen, ich hab meine wunderschöne, einheimische Reisebegleitung nie danach gefragt.

Ich habe mir einen internationalen Führerschein besorgt. Beim ÖAMTC. Für 30 Euro. Den will ich jetzt auch ausnutzen. Noch dazu fahre ich liebend gerne in fremden Großstädten. In Paris bin ich mit meinem GS mal sicher zwanzig Minuten nur um den Arc de Triomphe gekurvt, ein toller Kreisverkehr, letztes Abenteuer für verwegene Männer. Meine damalige Freundin hat mich nachher das erste und einzige Mal echt fest geboxt, aber die Japanerinnen sollen ja duldsam sein. Also rein ins Auto (ein superkleiner Suzukikastenwagen) meiner wunderschönen einheimischen Reisebegleitung und ab in den Straßendschungel. Es wird auf der linken Seite gefahren, macht nichts, kenne ich von meinen Englandreisen. Nur schalte ich immer wenn ich blinken will den Scheibenwischer an. Noch lächelt meine wunderschöne einheimische Beifahrerin.
Wir wollen zum Fischmarkt, der Verkehr ist zäh, aber alle fahren diszipliniert und das lustige Spurwechseln um die beste Ampelposition scheint hier kein allgemein betriebener Sport zu sein. Also stehen wir immer in der ersten Reihe, was meiner wunderschönen einheimischen Beifahrerin die beste Sicht auf den weiteren Straßenverlauf gibt, den sie mir ja schließlich ansagen muß. In Tokyo gibt es unendlich viele Straßen und fast noch mehr Verkehrszeichen, die mir unbekannt sind, aber ich hab viel Routine und weiß, dass man als erster Wagen in der Kolonne am wenigsten Gefahr läuft bei abrupten Wendemanövern mit anderen Verkehrsteilnehmern zusammenzustoßen. So erreichen wir nach einigen mehr oder minder gewollten Umwegen wirklich den Markt. Das hat echt Spaß gemacht. Zum ersten mal lächelt meine wunderschöne einheimische Reisebegleitung neben mir nicht mehr, ich aber auch nicht, nachdem sie mich darüber aufgeklärt hat, was ein Strafmandat in Tokyo so kosten kann.

Wenn es ein Synonym für Tokyo gäbe, so müsste es Wahrheit heißen. Denn alles was wir als Westeuropäer glauben zu wissen über Japan oder dessen Hauptstadt trifft zu. Und auch dessen Gegenteil. Denken sie an irgendeine Stereotypie und sie werden sie finden in Tokyo. Und auch deren Gegenwelt. Es ist unglaublich, so wie die Wahrheit oft auch unglaublich ist. Im Großraum Tokyo leben um die dreißig Millionen Menschen. Welche Verallgemeinerung und deren Gegenteil sollte hier nicht verwirklicht werden? Der jodelnde Japaner in Lederhose ist ebenso normal wie das traditionelle Einfamilienhaus aus Holz mit blauem Keramikdach, an dessen Rückwand das fünfzigstöckige Bürogebäude emporschießt. Elegante Damen in farbenprächtigen Kimonos und Holzsandalen mitten im Heer dunkle Anzüge tragender Geschäftsleute? In Österreich fallen dirndltragende Frauen hundertmal mehr auf. Eine nach außen hin strenge Moral, aber an jeder dritten Ecke ein Stundenhotel für liebeshungrige Pärchen mit freundlichster Bedienung (zwischen 9 und 17 Uhr ist meistens Halbpreis, das hat man mir erzählt!). Wunderschöne Tempelparkanlagen als Oasen der Ruhe nebst dröhnenden Einkaufsstraßen, welche in der Nacht so hell beleuchtet sind, dass ich mit einem 100 ASA Film Fotos wie am Tag machen konnte. Tokyo scheint unglaublich reich und doch sind viele Flecken, welche nur irgendwie überdacht sind, von Obdachlosen bevölkert. Es ist müßig diese Stadt erklären zu wollen.

Mein erster Aufenthalt in Tokyo dauert ganze acht Tage und wäre reich an Eindrücken für achtzig Sonntagsgeschichten. Am Weg zum Flughafen frage ich endlich meine wunderschöne einheimische Reisebegleitung, was ich mich bis dahin nicht zu fragen getraut habe. Es gibt da nämlich Telefonzellen, die haben die Form einer Kugel, aus Plexiglas, in Kopfhöhe an die Hauswände montiert, ca. dreimal größer als ein Fußball, vertikal geteilt - in farbiges Plexi zur Wand hin und transparent zur Straßenseite - und das untere Drittel der Kugel abgeschnitten, sodass ein Loch entsteht groß genug einen Kopf reinzustecken. Jedesmal, wenn ich bei solch einem Ding vorbeigegangen bin hab ich mir gedacht, die Japaner sind schon Füchse, stecken den Kopf rein und drinnen ist es dann ganz abgeschirmt vom permanenten Straßenlärm, sehr clever, aber wie nehmen die den Hörer ab und wählen, so klein sind sie ja nun doch nicht, dass sie auch noch die Arme da reinstecken könnten? Oder wählen sie zuerst und stecken dann den Kopf ins Loch? Und nie hab ich die Zellen in Funktion gesehen, es haben doch alle Mobiltelefone. Also erkläre ich meiner wunderschönen einheimischen Reisebegleitung mein Verständnisproblem und sie hört auf zu lächeln und beginnt schallend zu lachen, geht zu einer der Kugeln und öffnet einfach die transparente, an einem banalen Scharnier befestigte Hälfte der Telefonzelle und hält mir mit Tränen in den Augen den Hörer entgegen.

Michael Pichler, Jahrgang 1967, geb. in Graz, Historiker und Anglist, lebt derzeit mit seiner wunderschönen japanischen Lebensbegleitung in Graz

Verfasser/in:
Ausgewählt von Ute Angeringer und Markus Gfrerer
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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