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Smart City

„Mit dem Begriff Smart City wird eine energieeffiziente, ressourcenschonende und emissionsarme Stadt höchster Lebensqualität bezeichnet, wo neueste Energietechnologien zur Anwendung kommen. Die Bereiche Wohnen, Arbeiten und Freizeit sowie eine bedarfsgerechte Nahversorgung sollen berücksichtigt werden. Attraktive öffentliche Parks und Plätze bilden wichtige Lebensräume für die Bevölkerung. Ein schonender Umgang mit unserer Umwelt soll durch die Umsetzung zukunftsfähiger Energie- und Verkehrskonzepte erreicht werden.“(1)

Der Begriff Smart City wird seit der Jahrtausendwende vor allem in der westlichen Welt für neue Stadterweiterungsprojekte verwendet. Aber was sind diese Smart Cities? Selbst beschreiben sie sich als eine energieeffiziente, ressourcenschonende und emissionsarme Stadt höchster Lebensqualität, wo neueste Energietechnologien zur Anwendung kommen. Es ist auch oft von einer vernetzten Stadt die Rede. Wie Tom Holert in seinem Essay Intelligenz schreibt, finden wir heute eine Fülle an Smart-Begriffen. Es gibt Smart Phones, ein von Bill Gates gebautes Smart Home, Smart Mobility, Smart Environment, Smart Governance bis Smart Bombs, die vom US Militär auf Bagdad abgeworfen wurden.(2)

In einer Smart City leben Smart People. Und diese sind jung und kreativ, flexibel und entspannt. Sie leben in Smart Häusern, fahren Smart Autos, sind smart, bunt und teilen bzw. sharen alles, weil es Spaß macht. Eine scheinbar wundervolle Welt, in der, wenn man smart ist, alles gut ist. Medial werden mit hohem Aufwand Bilder erzeugt, in denen die Menschen dieser offenen und grünen Städte gut gelaunt, bei schönem Wetter, gemütlich im Freien oder im Cafe tratschen oder an ihren Computern arbeiten. Ultimatives Werkzeug beziehungsweise Interface der Smart City ist das Smart Phone (3), mit dem man sich überall und zu jeder Zeit informieren kann und Zugang zum Netzwerk hat. Hier wird geteilt, getauscht, geliket, genetworkt wie auch gearbeitet. Und das nonstop.

Muss man sich Sorgen machen, eines Tages nicht mehr smart genug zu sein? Und was ist mit den anderen Stadtteilen? Sind die nicht smart? Etwa dumb? Findet eine Abwertung statt? Smart kann so viel bedeuten. Wer oder was ist jetzt nun smart?

Smart handeln, zu Deutsch: geschickt, gerissen, pfiffig oder gewieft, heißt im Augenblick aus gegeben Tatsachen oder Dingen das Beste zu machen. In den gesellschaftlichen Zusammenhang gebracht, könnte smart sein, wer sich in dieser Stadt und in dieser Wirtschaft zurecht findet. Wer smart ist, nützt die Chance und erkennt Märkte für sich. Smart People gründen unter den widrigen Bedingungen städtischer Behörden Start-ups und Pop-ups. Smart People reden Englisch. Smart People haben mindestens einen Bachelor. Smart People leben viel im Internet. Was Smart People nicht machen, ist aufzustehen und zu protestieren. Nein zu sagen zu prekären Wohnsituationen, zur wachsenden Schere zwischen Arm und Reich, zu stetigem Wachstum, zu Massengräbern an EU-Außengrenzen. Smart People gehen konform mit den herrschenden Machtstrukturen.

Die Smart City als die Ideale Zukunftsstadt stellt sich nun selbst als Infrastruktur für die heute so wichtigen Themen wie soziale Programme, Arbeitsangebote, Gesundheit und Bildung dar.(4) Besonders unterstützend handeln IKT-Unternehmen (Informations- und Kommunikationstechnologie) wie Siemens, IBM und Cisco, die mittels Werbungen und Konferenzen die gesellschaftlichen, ökologischen und politischen Herausforderungen unsere Städte mittels Technologie zu bewältigen propagieren.(5)

Im besten Fall ist die Smart City eine gut geplante Stadt. Und da ist auch schon das Dilemma. Was ist nun die energieeffiziente, ressourcenschonende und emissionsarme Stadt höchster Lebensqualität? Beim Dense Cities Symposium, das 2011 an der TU Graz stattfand, wurde oft die Gründerzeit als Vorbild gut geplanter Stadt genannt. Der Gründerzeitblock bietet die Möglichkeit vieler Typologien, schafft klare Trennung zwischen öffentlich und privat und bietet mit seinen großzügigen Räumen Architekturen an, die heute Wohnen, Büros, Kindergärten, Arztpraxen, Schulen und vieles mehr zulassen. Dietmar Eberle, Professor an der ETH Zürich, nennt die Dichte des Gründerzeitblocks die ideale Dichte für Urbanität und bezieht sich dabei auf ein Projekt im Wohnbauforum namens Dichte.(6) Ziemlich smart eigentlich. Aber das ist meistens nicht gemeint. Smart City suggeriert neben der Dichte auch eine stärkere Vernetztheit, die das Leben einfacher, sicherer und ökologischer macht.

(1) Smart City Graz: Online unter: http://www.smartcitygraz.at, Zugriff: 17.11.2014
(2) Vgl. Holert, Tom: Intelligenz, in: Bröckling, Ulrich/Krasmann, Susanne/Lemke, Thomas (Hg.): Glossar der Gegenwart, Berlin 2004, 125
(3) Vgl. Laimer, Christoph: Smart Cities. Zurück in die Zukunft, in dérive, Zeitschrift für Stadtforschung 56 (2014), 5
(4) Vgl. IBM, Smarter Cities, People, 2014, online unter: http://www.ibm.com/smarterplanet/us/en/smarter_cities/human_services/, Zugriff: 17.11.2014
(5) Vgl. Laimer, Christoph: Smart Cities. Zurück in die Zukunft, in dérive, Zeitschrift für Stadtforschung 56 (2014), 6-7
(6) Vgl. Grabner, Martin: Learning from Gründerzeit (2011). In: GAT - Verein zur Förderung steirischer Architektur im Internet, Online unter: http://gat.st/news/learning-gruenderzeit, Zugriff: 30.11.2014
(7) Vgl. Greenfield, Adam: The smart city is predicated on an inappropriate model of optimization, in dérive, Zeitschrift für Stadtforschung 56 (2014), 23-26
(8) Vgl. Greenfield, Adam: The smart city is predicated on an inappropriate model of optimization, in dérive, Zeitschrift für Stadtforschung 56 (2014), 23
(9) Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt am Main 1994
(10) Koolhaas, Rem: My thoughts on the smart city. In: Digital Minds for a New Europe (2014), Online unter: https://ec.europa.eu/commission_2010-2014/kroes/en/content/digital-minds..., Zugriff: 30.11.2014
(11) Hill, Dan: On the smart city. Or, a 'manifesto' for smart citizens instead, in: City of Sound, Online unter: http://www.cityofsound.com/blog/, Zugriff: 1.12.2014

Verfasser / in:

Jomo Ruderer

Datum:

Sun 08/03/2015

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Kritische Betrachtung des Modebegriffs Smart City

Essay von Jomo Ruderer im Rahmen der Projektübung Digitales Lexikon architektonischer Modebegriffe am Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften der TU Graz im Wintersemester 2014/15.

Leitung: Anselm Wagner, Ana Jeinić, Christian Hoffelner, Karin Tschavgova.

Sämtliche Arbeiten zum Thema architektonische Modebegriffe sind veröffentlicht unter dem Link unten.

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