22/10/2014

Barbara Feller im Gespräch über ihre Erfahrungen mit Architektur- und Baukulturvermittlung in den letzten 15 Jahren.

Barbara Feller, Mag.phil., Dr.phil., Studium der Geschichte, Psychologie und Pädagogik an der Universität Wien. Seit 1996 Geschäftsführerin der Architekturstiftung Österreich, seit 2000 Betreuung des Bereichs Architektur bei KulturKontakt Austria, seit 2010 Obfrau von bink Initiative Baukulturvermittlung für junge Menschen.

Bis April 2015 werden mittwochs regelmäßig Artikel zum GAT-Fokus Architektur- und Baukulturvermittlung erscheinen. Alle Nachrichten und Veranstaltungshinweise werden in einem Dossier gesammelt und in der Folge durch aktuelle Beiträge ergänzt.

22/10/2014

Dieser Artikel erscheint im Rahmen des Schwerpunkts 'Im Fokus: Architektur- und Baukulturvermittlung'.

©: Alexander Krischner

Barbara Feller

©: Barbara Feller

Sie sind nun seit vielen Jahren im Feld der Architektur- und Baukulturvermittlung für junge Menschen tätig. Wie sind Sie persönlich zu diesem Thema gekommen?

Barbara Feller: Ja, das stimmt, schon seit mehr als 15 Jahren ist dies ein ganz wesentlicher Teil meiner Arbeit – in unterschiedlichen Funktionen. Den Beginn markiert die Kooperation des damaligen ÖKS (Österreichischer Kultur Service, heute: KulturKontakt Austria) und der Architekturstiftung Österreich im Jahr 1997. Mit der Idee Architektur und Pädagogik im Bereich der Architekturvermittlung zusammenzubringen. Es war dies die Zeit, als in Wien unter dem Planungsstadtrat Hannes Swoboda viele neue Schulen entstanden sind. Und eine Aktivität war – auch zusammen mit der Wiener Architektenkammer (Kammer der Architekten und Ingenieurkonsultenten für Wien, Niederösterreich und Burgenland) – die Organisation von Schulbesichtigungen. Daraus entwickelte sich die Erkenntnis, dass die Beschäftigung mit Architektur eine gewisse Kontinuität und Tiefe braucht: dies war die Geburtsstunde der – bis heute bestehenden – Projektreihe RaumGestalten. Diese ermöglicht SchülerInnen und LehrerInnen, begleitet von ArchitekturexpertInnen, eine semesterlange Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Aspekten von Raum. Heute unterstützen auch die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Wien, Niederösterreich und Burgenland sowie jene für Steiermark und Kärnten und das Österreichische Institut für Schul- und Sportstättenbau diese Projektreihe.

Welche Entwicklungen, Tendenzen etc. lassen sich in diesen vielen Jahren, die es RaumGestalten inzwischen schon gibt, feststellen?

Barbara Feller: Bemerkbar ist, dass sich zunehmend mehr Menschen mit diesem Bereich beschäftigen – so sind etwa zahlreiche Vereine entstanden, die diesen Schwerpunkt verfolgen, bzw. haben bestehende Institutionen ihr entsprechendes Vermittlungsangebot ausgedehnt. Und auch bei RaumGestalten ist die Ausweitung etwa an einer erhöhten Zahl an Einreichungen ablesbar. Denn RaumGestalten ist ein Wettbewerb, zu dem jeweils im Herbst Projektkonzepte eingereicht werden und eine Jury dann auswählt, welche Umsetzungen gefördert werden.
Und es ist auch eine Professionalisierung im Inhaltlichen zu erkennen. Gab es bei den ersten Durchgängen da und dort noch methodische und/oder didaktische Schwierigkeiten in den Projektdurchführungen, so merke ich heute, dass die Projektteilnehmenden sehr professionell arbeiten. Ganz wichtig erscheint mir, dass der Austausch zwischen „Architektur“ und „Pädagogik“ heute oft viel selbstverständlicher ist, als es Ende der 1990er Jahre war.

Das erscheint uns interessant. Inwiefern hat sich die Vermittlungsarbeit in Ihren Augen professionalisiert? Gibt es Beispiele, an denen Sie diese Veränderung sichtbar machen können?

Barbara Feller: Das lässt sich nicht so einfach beantworten und ich kann das nur „gefühlsmäßig“ erfassen. Ich besuche viele Projekte und merke dabei, dass „sich was entwickelt“ und es produktiv läuft. Aber das ist natürlich keine wissenschaftliche Erkenntnis. Und so bedauere ich sehr, dass es leider bisher noch keine empirischen Untersuchungen über den Erfolg von Architekturvermittlung (nicht nur bezogen auf junge Menschen) gibt. Das ist in einer Situation, wo das „Messbare“ besonders geschätzt wird und Quantität einen hohen Wert hat, ein gewisses Manko. Auch wenn ich persönlich nur eingeschränkt eine Anhängerin dieser Haltung bin, wäre ich an einer soliden Analyse sehr interessiert – auch um die eigene Arbeit besser einordnen zu können. Und so warte ich mit großem Interesse auf die aktuell stattfindende Evaluierung des Projektes was schafft raum? – da hoffe ich auf interessante Ergebnisse und Erkenntnisse. Denn auch gegenüber der Öffentlichkeit – im Speziellen gegenüber den Fördergebern und möglichen Sponsoren – wären gesicherte Erkenntnisse wesentlich in der Argumentation.

Das ist ein guter Übergang zu einer Frage, die uns speziell interessiert. Wie sehen Sie die finanzielle Situation dieses Bereichs? Was hat sich da in den letzten Jahren getan, wer sind die Geldgeber? Sie haben ja auch im 2. Österreichischen Baukulturreport aus dem Jahr 2011 zu diesem Thema publiziert und dort auch einige Empfehlungen formuliert. Was ist seither passiert?

Barbara Feller: Das ist eine sehr umfassende Frage. Ich will mit der Finanzierung beginnen. Und gleich vorweg: da sieht es leider nicht allzu rosig aus. Und man muss sagen, dass wohl alle, die in diesem Bereich tätig sind, sehr viel Herzblut und eigene Ressourcen in diese Arbeit stecken. Reich werden lässt sich damit sicher nicht! Es sind primär zwei Geldquellen, aus denen sich die Arbeit finanziert: öffentliche Gelder, speziell aus dem Bundesministerium für Bildung und Frauen (welches etwa KulturKontakt Austria finanziert) sowie aus der Kunstsektion, die jetzt im Bundeskanzleramt angesiedelt ist – von dort erhalten die Architekturhäuser Jahresförderungen und auch Vereine aus dem Bereich der Baukulturvermittlung für junge Menschen werden mit Projektgeldern unterstützt. Der zweite große Geldgeber sind die Kammern der Architekten und Ingenieurkonsulenten – und zwar sowohl auf Ebene der Bundeskammer als auch der Länderkammern. Daneben gibt es natürlich auch weitere Quellen, etwa auf Länderebene, die sehr unterschiedlich in den einzelnen Bundesländern sind. Mit privaten Sponsoren ist es leider extrem schwierig: zwar wird die Arbeit für junge Menschen immer als besonders wichtig angesehen, aber dafür Geld zu bekommen, ist sehr schwer. Vielleicht würde es hier helfen, wenn sich der „Erfolg“ besser darstellen ließe – wie zuvor erwähnt.

Aus diesem Grund war wahrscheinlich auch eine ihrer Empfehlungen im Baukulturreport 2011 die wissenschaftliche Etablierung von Baukulturvermittlung. Hat sich da seit der Veröffentlichung etwas bewegt?

Barbara Feller: Da muss ich leider feststellen, dass sich in diesem Bereich gar nichts bewegt hat. Ja, sogar, dass die Situation schwieriger geworden ist. So habe ich den Eindruck, dass das Thema „Vermittlung“ aktuell, insbesondere im Bundesministerium für Bildung und Frauen, weniger Stellenwert hat und bei der angespannten Budgetsituation ist die Etablierung von Neuem natürlich besonders schwer. So ist etwa auch die Zukunft des im Jahr 2013 erstmals vergebenen Awards Bessere Lernwelten aktuell sehr ungewiss und ich hoffe, dass er im nächsten oder übernächsten Jahr abermals verliehen wird – und zwar sowohl im Kontext der Vermittlungsaktivitäten als auch für den Bereich Schulbau mit innovativen Konzepten.

Das hört sich nicht sehr optimistisch an. Sehen Sie bei den anderen von Ihnen formulierten Empfehlungen erfreulichere Entwicklungen?

Barbara Feller: Wenn ich mir die Empfehlungen jetzt nochmals durchlese, dann gibt es schon Bewegung. So sehe ich – regional recht unterschiedlich, weil dies immer stark von den jeweiligen AkteurInnen abhängt, – positive Signale im Bereich der LehrerInnenaus- und -fortbildung. Es gibt beispielsweise fachspezifische Seminare an manchen Pädagogischen Hochschulen. Sehr erfreulich ist die Entwicklung in Tirol, wo es mit viel Engagement gelungen ist, die Kunst- und Architekturschule bilding ins Leben zu rufen.

Nach unserer Einschätzung hat sich auch im Bereich von Unterrichtsmaterialien in den letzten Jahren einiges getan. Wie schätzen sie dies ein?

Barbara Feller: Ja, das wollte ich auch gerade erwähnen. Da ist einiges passiert: etwa in der Steiermark das sehr liebevoll gemachte Stickerheft Geistreich planen und bauen über Baukultur in der Südsteiermark. Oder das Lehrmittel LebensRäume für Kinder der Volksschule. In Vorarlberg hat unit architektur viele spannende Module erarbeitet. Und eine österreichweite Aktion, die vom Input vieler KollegInnen lebt, ist der Baukulturkompass, dessen vierte Ausgabe in diesem Herbst erscheinen wird. All diese Angebote sollen es den LehrerInnen erleichtern sich über das für sie oft spröde Thema Architektur „drüber zu trauen“.

Es tut sich also wirklich einiges und es gibt eine Vielzahl von Institutionen. Wie funktioniert die Zusammenarbeit?

Barbara Feller: Es gibt mittlerweile in allen Bundesländern KollegInnen, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Mancherorts im Rahmen der Architekturhäuser, anderswo als eigenständige Vereine bzw. engagierte Einzelpersonen. Seit etwa sechs, sieben Jahren hat sich auch die österreichweite Zusammenarbeit intensiviert, woraus im Jahr 2010 der Verein bink Initiative Baukulturvermittlung für junge Menschen hervorgegangen ist. Und die Zusammenarbeit funktioniert so, dass jede/r weiterhin eigenständig im jeweiligen Umfeld tätig ist und es darüber hinaus ein paar Projekte gibt, die auf der österreichischen Ebene über bink abgewickelt werden – weil sich hier ganz viel Know how und Kompetenz bündelt. Es sind drei große Projekte: die gemeinsame Website, wo es aktuelle Informationen zu Veranstaltungen, Ausschreibungen etc. gibt. Darüber hinaus stellt sie eine umfassende Sammlung von Links und Literaturtipps bereit und enthält als Kernstück eine Projektdatenbank, die nach Alter, Thema, Durchführungsdauer strukturiert aufbereitete Module anbietet. Das zweite große Projekt von bink ist die alljährlich im Herbst stattfindende Impulswoche >technik bewegt

Zum Abschluss wollen wir gerne noch ein paar inhaltliche Punkte besprechen. Ab welchem Alter macht nach ihrer Einschätzung Architektur- / Baukulturvermittlung Sinn? Wendet man sich eher an SchülerInnen der Oberstufe oder gibt es auch interessante Erfahrungen mit jüngeren Menschen?

Barbara Feller: Anfangs dachte ich auch, dass sich Architektur als doch komplexes Thema eher an Ältere wendet – da habe ich aber durch meine Erfahrungen eine ganz andere Einstellung gewonnen. Es lohnt sich jedenfalls früh zu beginnen – schon im Kindergarten. Denn die Kinder sind gerade in jungen Jahren ganz besonders an ihrer Umwelt interessiert, nehmen diese mit viel Aufmerksamkeit wahr und lieben es spielerisch zu bauen und ihre Umgebung zu gestalten. Daher gibt es nach meiner Einschätzung kein „zu früh“ – die Methoden müssen einfach immer ans jeweilige Alter und die Kenntnisse und Interessen angepasst sein.

Was verstehen Sie unter „richtigen“ Methoden? Beziehungsweise was sind nach Ihrer Meinung überhaupt die Ziele von Baukulturvermittlung?

Barbara Feller: Für mich ist es ganz wichtig, dass die Beschäftigung mit architektonischen Themen nicht auf der rein ästhetischen Ebene verweilt. Natürlich ist das auch ein wichtiger Aspekt, aber es geht nach meiner Auffassung um zwei wesentliche Bereiche: einerseits um das Erkennen eigener Bedürfnisse im Hinblick auf „Raum“ und andererseits um ein Verständnis für Planungsprozesse, um sich bei Fragen von Gestaltung qualifiziert, verantwortungsbewusst und zielorientiert einbringen zu können. Gerne betone ich in Vorträgen und Texten, dass der Großteil des Lebenseinkommens in Dinge fließt, die mit dem Bauen und Wohnen und den damit verbundenen Kosten zu tun haben: neben Miete, Kaufpreis oder Errichtungskosten sind dies Ausgaben für Energie und Mobilität. Und daher ist es – schon ökonomisch – wichtig, über „Baukultur“ Bescheid zu wissen. Darüber hinaus ist es aber auch wesentlich, sich bewusst zu machen, dass Raum das persönliche Wohlbefinden und das Zusammenleben beeinflusst – und daher gesamtgesellschaftliche Bedeutung in sich trägt. Gelungene Projekte sind in meinen Augen jene, die den jungen Menschen und auch ihren Erziehungspersonen (LehrerInnen, Eltern) eine Idee von all diesen Aspekten deutlich machen.

Wir danken für das Gespräch.

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