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Rund 713 Mio € werden und wurden für den Gesamtausbau „LKH 2000“ am Univ.-Klinikum Graz mittels Bundes- und Landesfinanzierung investiert. Mehr als 30 Projekte wurden seit den 1990er-Jahren am LKH-Klinikum Graz umgesetzt und werden mit dem Jahr 2013 fertiggestellt. Gegenwärtig wird mit dem Bund das Nachfolgeprogramm „LKH 2020“ für die wesentlichen Folgeprojekte - Realisierung Chirurgieblock, Neubau Blutbank, Zahnklinik, Zentralröntgeninstitut und weitere Detailprojekte - verhandelt. Es wird derzeit intensiv an den Projektentwicklungen für die Folgeprojekte hinsichtlich medizinischer und funktioneller Leistungsverteilung gearbeitet. Das baukulturelle Engagement und die erfolgreiche Zusammenarbeit mit planenden Architekten brachte der KAGes bereits mehrfach Architekturpreise, etwa den "Europa Nostra Award" oder das "Geramb- Dankzeichen für Gutes Bauen" in der Steiermark.

GAT traf DI Michael Pansinger, der seit vier Jahren Leiter der Spitalsplanung der Steiermärkischen Krankenanstaltenges.m.b.H. (KAGes) ist, zum Gespräch, das um die Frage kreiste, ob Krankenhausplanung architektonisch hochwertig und funktionell zugleich sein kann.

GAT: Worauf kommt es in der Krankenhausplanung an?

Pansinger: Bauprojekte und Planungen sollten so realisiert werden, dass in der hochqualitativen Architektur die Funktionalität über allem steht, da sie ein essentieller Faktor ist. Nur wenn die Funktionalität gegeben ist, ist ein Spital medizinisch und betriebsökonomisch gut zu führen.
In der KAGes geht es uns um den Mehrwert guter Krankenhausplanung und ich bin der Meinung, dass es uns bei den meisten unserer Projekte gelungen ist, diesen Ansatz umzusetzen.

GAT: Wie ist der Ablauf der Planung?

Pansinger: Alle Planungen starten in der Phase Projektentwicklung in der Spitalsplanung der KAGes.

GAT: Wie schreiben Sie aus? Haben Sie die Möglichkeit, bestimmte Architekten einzuladen?

Pansinger: Etwa zwei- bis dreimal jährlich können wir 6 bis 9 Architekten im Rahmen von geladenen Wettbewerben einladen, sich einer mittelgroßen Bauaufgabe zu widmen. Darüber hinaus gibt es EU-weit ausgeschriebene Wettbewerbe inklusive Ermittlung von Generalplanerteams mit Präqualifikationen für größere und komplexere Aufgabenstellungen.

GAT: Was erwarten Sie von der Zusammenarbeit mit dem Architekten?

Pansinger: Der Architekt sollte bereit sein, die Situation auch aus dem Blickwinkel des Patienten und des Mitarbeiters zu betrachten. Er muss sich dem Prozess widmen und fragen, was dort, wo der architektonische Eingriff stattfinden soll, genau passiert.

GAT: Dies erfordert eine intensive Kommunikation mit den Architekten.

Pansinger: Genau, und vor allem auch mit den Nutzern. Wir wissen alle, dass man sich in einem Ausnahmezustand befindet, wenn man als Patient ins Spital kommt. Man ist nervös, hat Angst vor schlechten Befunden. In diesem Zustand findet man sich oft auch schlechter zurecht. Viele Planer, vor allem auch die jüngeren Kollegen, wissen sich sehr gut darauf einzustellen. Ein einfaches Beispiel sind Ambulanzraumbeschriftungen, die früher klein und nur sehr schwer leserlich waren. Heute ist man dazu übergegangen, riesige Buchstaben zu verwenden, was auch ganz freundlich aussieht, und jeder findet sich gut zurecht. Solche Details haben oft große Effekte, wie auch die Anordnung der Ambulanzräume und der Leitstelle. Wenn Betriebsorganisationen z.B. in einer Ambulanz nicht abbildbar sind, wenn Leitstellen zu weit entfernt sind, gibt es funktionelle Probleme. Leider gibt es manchmal auch negative Beispiele: wenn etwa eine grauschwarze Wand das Einzige ist, was ein Patient in einer Klinik sieht. Natürlich kann das von der Designwarte aus attraktiv sein, aber man muss sich die Psyche bzw. die emotionale Situation des Patienten vor Augen halten.
In der Kommunikation mit externen Planern muss dafür Sorge getragen werden, dass die internen Prozesse verstanden und von allen Seiten betrachtet werden.

GAT: In welche Richtung entwickelt sich die Struktur der Einrichtungen?

Pansinger: Der Trend geht eindeutig hin zu mehr Ambulanzen und tagesklinischen Zentren, einer Reduktion der Betten und einer Verschiebung zu tagesklinisch genutzten Eingriffsräumen, darauf aufbauend Räume, darauf aufbauend Architektur. Es ist daher wichtig, dass die Räume selbsterklärend funktionieren.

GAT: Würde es denn Sinn machen, für verschiedene Kliniken oder Klinikbereiche einen Anforderungskatalog zu erstellen?

Pansinger: Ein Katalog würde nicht ausreichen, denn jedes Projekt, ob Ambulanz, Intensivstation oder Pflegebereich, ist immer einer übergeordneten Funktionalität unterworfen. Auch die Vielzahl der Fachdisziplinen in den Spitälern macht es schwierig, einen allgemeinen Katalog zu entwickeln. Ich denke nicht, dass das der richtige Ansatz wäre. Man sollte sich wirklich immer mit jedem einzelnen neuen Projekt spezifisch auseinandersetzen, da die Situationen oft sehr unterschiedlich sind. Es gibt ein bauliches Umfeld, es gibt Bestände, es gibt Neubauten und vorhandene Rahmenbedingungen etc.

GAT: Welche Projekte erachten Sie in der Umsetzung als wirklich qualitätvoll und zweckdienlich? Welche haben tatsächlich einen Mehrwert geschaffen?

Pansinger: Wir haben eine ganze Reihe von Projekten gut bewältigt. Es gibt immer zwei Perspektiven: zum einen die Projektinvestition, zum anderen den Betrieb. Die KAGes setzt sich immer sehr intensiv mit dem medizinischen Nutzer auseinander und versucht das Projekt in zahlreichen Planungsschritten zu entwickeln.
Ein Beispiel eines erfolgreichen Projekts ist das Landespflegeheim Schwanberg. In einer sehr guten Zusammenarbeit mit Arch. Windbichler haben wir vor einigen Jahren zum alten Schlossbestand das Männerhaus adaptiert, unter hohem Kostendruck.
Wenn man dort ist, hat man durchaus den Eindruck, dass es den Menschen aufgrund der guten Architektur und der offenen und transparenten Bauweise besser geht. Durch die intensive Auseinandersetzung mit den funktionellen Fragen kam es in Folge sogar nachweislich zu einem geringeren Medikamentenbedarf.

GAT: Gibt es tatsächlich Statistiken über positive Ergebnisse?

Pansinger: Es gibt internationale Studien und den Ansatz des ‚Evidence-based Design’ – dieser Ansatz findet im Krankenhausbau durchaus seine Umsetzung. Es ist eine Tatsache, dass die neu geschaffenen Räume über eine sehr hohe Qualität verfügen, die zum Beispiel aus dem Tageslichteinfall oder der Lichtführung resultieren.
Natürlich muss beobachtet werden, ob die positiven Effekte tatsächlich eintreten. Um bei Schwanberg zu bleiben: Man muss sagen, dass es sich hier um ein schwieriges Patientengut mit starker geistiger Beeinträchtigung handelt und es war wichtig, mit ganz besonderer Sensibilität zu agieren. Architekt Windbichler hat großes Engagement gezeigt, war oft vor Ort und hat sich sehr intensiv mit der Situation auseinandergesetzt. Es gibt auch andere Architekten, ich nenne sie ‚die Schlagerstars’, die sicher auch qualitativ hochwertige Bauten liefern, aber nicht immer mit soviel Aufmerksamkeit und Liebe fürs Detail agieren, was aufgrund des Honorardruckes manchmal verständlich ist.

GAT: Sie haben während Ihrer Arbeit ja bereits verschiedene Vorstände erlebt - ist es manchmal schwer, verständlich zu machen, worauf es bei guter Architektur ankommt und damit Unterstützung vom Vorstand zu bekommen?

Pansinger: Die Qualität wird grundsätzlich als wichtig anerkannt. Gelegentlich muss ich allerdings darüber aufklären, dass die Architektur in den seltensten Fällen der Kostentreiber ist. In unseren Projekten sind es die Medizintechnik und die Haustechnik. Die Dinge, die man sieht, scheinen kostspielig zu sein, sind es aber im Vergleich zu vielen anderen Gewerken nicht. Wir rechnen mit 5 bis 8% gestaltbarem Freiraum für den Architekten, den Rest bilden Haus- und Medizintechnik. Leider stehen gelegentlich Oberflächen oder bessere Fassadenkonstruktionen eher zur Diskussion.

GAT: Wie sieht es mit der Umsetzung des Neubaues der Chirurgie in Graz aus?

Pansinger: Der Neubau ist dringend notwendig und soll auch kommen. Es gibt ganz allgemein den Trend zu zentralisierten Strukturen, zu OP-Zentren mit multifunktionellen Nutzungen. Das bedeutet Umdenken auf vielen Seiten, denn unter Umständen muss man auf ein OP-Management Rücksicht nehmen, das jemand anders macht. Die neue Chirurgie ist eine sehr komplexe Aufgabenstellung, welche im Rahmen eines Wettbewerbes von Arch. Pernthaler und Lorenz gewonnen wurde. Es ist das derzeit größte KAGes-Projekt. Die Finanzierung ist aufgrund der Mischfinanzierung Bund/Land im Augenblick noch ein Politikum, aber es ist eine Tatsache, dass das Projekt aufgrund der teilweise sehr veralteten baulichen und betriebsorganisatorischen Strukturen des Bestandes kommen muss. Nach wie vor wird dort universitär betriebene Spitzenmedizin unter teilweise schwierigen baulichen Rahmenbedingungen betrieben.

GAT: Wie sieht es mit der Entwurfstreue in der Umsetzung aus?

Pansinger: De facto machen wir in der KAGes einen großen Teil der Projektentwicklung selbst. Das bedeutet, dass Projekte ziemlich weit vorgedacht werden, was natürlich ein gewisses Korsett für die planenden Architekten darstellt. Es gelingt uns jedoch meist darauf aufbauend gemeinsam ein gutes und erfolgreiches Projekt zu entwickeln, und ich möchte mich bei den Architekten an dieser Stelle herzlich für ihre hervorragende Arbeit und ihre Sensibilität bedanken. Es gibt selten Fehlplanungen. Das ist auf unsere mehrjährige Erfahrung in der Projektentwicklung zurückzuführen und bedeutet einen großen Vorteil gegenüber anderen öffentlich ausschreibenden Stellen.

GAT: Wie sieht es mit dem Funktionstrakt der Frauenklinik aus? Gibt es positive Auswirkungen aufgrund der neuen Architektur?

Pansinger: Das ist tatsächlich ein gutes Beispiel. Hier haben wir die Architektur von Markus Pernthaler, die über eine hohe Funktionalität verfügt und gleichzeitig das entsprechende Ambiente schafft. Ein Kreißsaal ist ja eigentlich keine Krankenhauseinrichtung, sondern ein Raum, in dem Kinder zur Welt kommen. Die medizinischen Versorgungseinheiten wurden in der Wand versteckt, die Oberflächen sind ansprechend und erzeugen eine sehr wohnliche Atmosphäre, ebenso der direkt angeschlossene Patientengarten. Nachweislich ist es so, dass die Fallzahlen dadurch gesteigert werden konnten und die Sanatorien rund um das Krankenhaus es schwer haben, diesen hohen Architekturstandard im Kreißsaalbereich zu realisieren.

GAT: Wie können Sie das Thema der Patientensicherheit mit in die Planung einfließen lassen? Transparenz, kürzere Wege etc.?

Pansinger: Die neue Struktur der KAGes beinhaltet auch ein QM-System für alle Prozesse, die im Krankenhaus stattfinden, zusätzlich gibt es ein Risikomanagement, mit dem man Schritt für Schritt die Variablen abklopft und versucht, Risken zu beseitigen. Richtig ist natürlich, dass man durch begleitende architektonische Lösungen durchaus eine wesentliche Verbesserung der Situation erzielen kann. Am Beispiel der Chirurgie hier in Graz kann man gut erkennen, dass die gesamte Baulichkeit des Altbaues nicht mehr den Ansprüchen eines modernen Krankenhauses genügen kann und die Architektur nicht mehr den Anforderungen einer hochfunktionellen Klinikversorgung entspricht. Am Bild der Nordseite des chirurgischen Altbaues (siehe Abbildung in der Randspalte), die ich gerne liebevoll ‚Sao Paolo Ansicht’ nenne, kann man sehen, dass hier viel zu viel „Momentspitalsbau“, betrieben wurde, ohne wesentliche übergeordnete bauliche Verbesserungen zu erreichen. Daher ist es so wichtig, dass man bei großen Aufgabenstellungen Zielplanungen mit funktionellen und betriebsökonomischen Fragestellungen bearbeitet.

GAT: Licht und Lichtführung scheinen eine große Rolle zu spielen.

Pansinger: Auf jeden Fall, und es ist auch ein Schwerpunktthema für uns. Die Neugestaltung der Intensivstation des LKH Rottenmann der Kaufmann-Wanas ZT-GmbH aus Wien zeigt eine neue Möglichkeit, Tageslicht in den Raum zu holen. Oberlichten über den Betten ermöglichen dem Patienten das Nachvollziehen der Tages- und Nachtzeiten. Die Patienten dort sind sehr stark in Mitleidenschaft gezogen und haben in der Regel einen sehr komplexen Heilungsprozess vor sich. Es ist daher für ihre Vitalität und die damit verbundenen Funktionen wichtig, dass sie, sollten sie, wenn auch nur kurz, zu Bewusstsein kommen, verstehen, was draußen vor sich geht. Das führt sie wieder ins Leben zurück. Eine ähnliche Lösung gibt es im LKH Deutschlandsberg mittels Flachbildschirmen über den Betten, gestaltet von Pittino & Ortner. Über diese Screens können Angehörige oder auch Bilder von draußen eingespielt werden. Das sind einfache, aber sehr effiziente Maßnahmen.
Bei einem Projekt mit Bartenbach LichtLabor versuchten wir, das volle Farblichtspektrum des natürlichen Lichtes in den Raum zu holen. Am Morgen blaue Lichtfarben, dann weiß und am Abend rot – kaum merklich werden diese Lichtfarben über ein System in der Decke in den Raum gebracht. Studien haben belegt, dass dies letztlich dazu führt, dass Patienten vitalisiert werden und daher ganz einfach gesagt kürzere Spitalsaufenthalte brauchen.

GAT: Wie spürt die KAGes die Folgen der Finanzkrise?

Pansinger: Die Projekte werden jetzt zunehmend nach der Folgekostenauswirkung und der zu verbessernden Betriebsökomomie beurteilt. Es gibt in der Steiermark zum Beispiel den RSG, den Strukturplan für Gesundheit, in dem festgelegt wird, welches LKH welche medizinischen Leistungen hat. Wenn also ein LKH vergrößert werden soll, wie in Feldbach die Intensivstation von 8 auf 14 Betten, muss die Mehrleistung Personal/Technik und Betrieb per anno berechnet werden. Dann erkennt man wie sich das Projekt auf die Kostenfaktoren auswirken wird. Im Fall der Chirurgie in Graz ist die Situation ganz eindeutig. Hier wird aufgrund der annähernd gleich bleibenden medizinischen Leistungen nicht mehr Personal notwendig sein. Jedoch wird die Funktionalität durch die Zentralisierung der Leistungen entscheidend verbessert und damit kommt es zu Folgekosteneinsparungen.

GAT: Durch verbesserte Architektur und ein angenehmeres Arbeitsumfeld kann man ja sicher auch das Engagement des Personals fördern und damit auch dort eine Qualitätssteigerung und Effizienz erreichen, weil die Motivation größer ist.

Pansinger: Ich habe auch beobachtet, dass eine qualitätvolle moderne Architektur von den Landeskrankenhäusern selbst als Mehrwert betrachtet wird. Denn gute Architektur vermittelt auch erhöhte medizinische Kompetenz. In der KAGes scheint es uns zusammen mit den guten Leistungen der Architekten und Fachplaner gelungen zu sein, die einige Male zu vermitteln. Natürlich gibt es unterschiedliche Nutzergruppen, bei denen eine unterschiedliche Akzeptanz herrscht. Nach wie vor ist es so, dass im Spitalsbau die Funktionalität über allem steht.

GAT: Wir danken für das Gespräch.

Verfasser/in:
Susanne Baumann-Cox, Gespräch
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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