07/04/2011

Schützenswertes schonend sanieren statt brachial dämmen

07/04/2011
©: BDA Bundesdenkmalamt

Richtlinie Energieeffizienz und Baudenkmal

Vor rund einem halben Jahr bildete „Denkmalschutz und Energieoptimierung“ das Thema einer breit angelegten ISG-Tagung an der TU Graz (GAT berichtete). Negative Sanierungsbeispiele und kontroverse Interessenlagen von Besitzern, Architekten und Denkmalschützern sorgten damals für reichlich Diskussionsstoff.

Inzwischen hat sich einiges getan: Am 18. März wurde, nach rund einem Jahr technischer Vorarbeit, im Rahmen einer Tagung des Bundesdenkmalamts in der Kartause Mauerbach die Richtlinie „Energieeffizienz am Baudenkmal“ präsentiert. Mit der neuen Richtlinie liegt nun endlich wie in der Schweiz und verschiedenen deutschen Regionen ein gültiger Katalog vor, der bauliche Maßnahmen an der Bauwerkshülle von geschützten Objekten fachkundig unterstützt.

Von den rund zwei Millionen Bestandsbauten in Österreich stehen 1,3 Prozent (37.000 Objekte) unter Denkmalschutz. Davon werden etwa 20.000 Baudenkmale (ohne Kirchen) regelmäßig genutzt und thermisch konditioniert. Der Anteil am gesamten Energiesparpotenzial in Österreich ist daher nicht als maßgeblich zu bezeichnen. Überstürztes Handeln ist laut den BDA-Experten auch aus einem anderen Grund nicht angesagt: Von der verpflichtenden Einführung des Gebäudeenergieausweises sind die denkmalgeschützten Objekte befreit. Andererseits besteht vielfach ein Wunsch nach der Reduktion der laufenden Kosten vor allem durch die Beheizung. Außerdem will man tunlichst vermeiden, dass gerade denkmalgeschützte Gebäude aus den staatlichen Förderprogrammen herausfallen, was gewiss nicht im Sinne ihrer Benutzer wäre.

Doch die Fachleute mahnen zur Vorsicht: In der Praxis ist der Erhalt historischer Substanz nicht immer ganz einfach mit thermischen Sanierungsmaßnahmen zu vereinbaren. „Schwerwiegende Fehler können bis zum Totalversagen des Bauwerks führen“, bestätigt Thomas Bednar von der Abteilung Bauphysik und Schallschutz an der Technischen Universität Wien, der an der Ausarbeitung der Richtlinie federführend mitgearbeitet hat: „Dennoch gibt es eine Reihe von Maßnahmen, für die in der neuen Richtlinie sehr genau beschrieben wurde, worauf man achten muss.“
Auf den rund 55 Seiten der auch als Download erhältlichen Broschüre findet sich in übersichtlicher Darstellung alles notwendige Wissen für die Sanierungsschritte an denkmalgeschützten Gebäuden: Die Richtlinie gliedert sich in einen Überblicksteil mit zwei Checklisten (Grundregeln, einzelne Maßnahmen), den detaillierten zweiten Teil zu den konkreten Maßnahmen an der Bauwerkshülle beziehungsweise der Gebäudetechnik sowie einen abschließenden dritten Teil mit weiterführenden rechtlichen und technischen Informationen (Bewilligungsverfahren, Rechtliche Grundlagen, Glossar). „Das erklärte Ziel der Richtlinie ist es, den Denkmalbestand vor irreversiblen Fehlern zu bewahren“, betonte anlässlich der Präsentation Barbara Neubauer, die Präsidentin des Österreichischen Bundesdenkmalsamts.

Ein einfacher Farbencode bewertet nach dem Ampelsystem die Denkmalverträglichkeit von einzelnen Interventionen in die Gebäudesubstanz: Grün wurden jene Arbeiten markiert, die einen nur sehr geringen Eingriff in Substanz und Erscheinung eines Baudenkmales bedeuten. Gelb kennzeichnet eine bedingte Verträglichkeit baulicher Änderungen und solche Maßnahmen, die erhöhten Planungsaufwand sowie behördliche Auflagen erfordern. Am anderen Ende, in Dunkelrot, erscheinen unter anderem der Austausch historischer Fenster und Türen, die Dämmung an der Unterseite von Gewölben sowie Aufbauten von Solarthermie und Photovoltaik, die am Baudenkmal nach außen hin sichtbar sind. Ein absolutes Tabu ist schließlich die Außendämmung historischer Fassaden. Diese gravierenden Eingriffe würden von Seiten des BDA ohnehin fast nie eine Bewilligung erhalten. Damit sparen die klar formulierten Richtlinien auch den Besitzern Zeit und Ressourcen, weil hier in den meisten Fällen schon von vornherein feststeht, welche Baumaßnahmen im Sinne des Denkmalschutzes überhaupt zulässig sind. Prinzipiell ist eine grundsätzliche Zurückhaltung bei Energieeffizienz-Maßnahmen nach Meinung der Experten nicht der falscheste Weg, denn in jedem Fall muss man insbesondere bei älteren Gebäuden langfristige Perspektiven berücksichtigen. Nicht zu vernachlässigen ist ebenfalls die laufende Entwicklung innovativer und damit schonenderer Materialien, die einen positiven Kontrast zu den brachialen Dämmungsorgien nach Schema F, wie sie leider in vielen Fällen mit fatalen Folgen umgesetzt wurden, bilden.

In der anschließenden Podiumsdiskussion stellten sich die Vertreter des Bundesdenkmalamts und der Umweltpolitik sowie Architekten und Bauphysiker den Fragen des Auditoriums. Der Tenor der Fachleute liegt dabei auf einem redlichen Miteinander von Umweltschutz und Denkmalpflege: Die Schonung der natürlichen, materiellen und kulturellen Ressourcen schließt in dieser Sichtweise einen sorgsamen Umgang mit den „nicht erneuerbaren“ Baudenkmalen ein.

DOWNLOAD
Die Richtlinie „Energieeffizienz am Baudenkmal“ steht auf der Website des Bundesdenkmalamts als Download zur Verfügung (s. Link rechts).

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