19/04/2022

Schau doch! 18

Hat Waltendorf noch eine Chance? Oder: Wie das einst hässlichste Haus zum Modell wurde.

Die Kolumne Schau doch! von Peter Laukhardt erscheint jeden dritten Dienstag im Monat auf GAT.

19/04/2022

Bild 1: Waltendorfer Hauptstrasse, Entwicklung seit 2010
(rot = Abbrüche, dunkelgrün = denkmalwürdig, orange = erhaltenswerte Bauten, schwarz = Neubauten, hellgrün = bestehende Grüninseln, P = Parkplätze)

©: Peter Laukhardt

Bild 2: Waltendorfer Hauptstraße Nr. 1 vor dem Abriss; rechts Projekt (Blick nach Süden) www.service-wohnen.at/wohnbauprojekt/8985502

©: Peter Laukhardt

Bild 3: Waltendorfer Hauptstraße Nr. 6 und 8, etwas Grün zwischen dem Beton verschafft Illusionen

©: Peter Laukhardt

Bild 4: Waltendorfer Hauptstraße Nr. 10a mit erneuerter Pawlatsche

©: Peter Laukhardt

Bild 5: Waltendorfer Hauptstrasse Nr. 9 und 11

©: Peter Laukhardt

Bild 6: Straßen- und Wegenetz von Waltendorf 1820 und 1905

©: Peter Laukhardt

Bild 7: Der versteckte Marien-Brunnen

©: Peter Laukhardt

Bild 8: Restliche Altbauten am Dorfeingang: Nr. 12 (rechts) und 13

©: Peter Laukhardt

Bild 9: Alt-Waltendorf mit dem offenen Bacherl beim Brand 1911 und heute

©: Peter Laukhardt

Bild 10: Alt-Waltendorf (Nr. 21 bis 31), wie es 2016 noch existierte

©: Peter Laukhardt

Bild 11: Das verlorene Zentrum von Waltendorf: Kotzbeck, Train-Kaserne, Hartlhof mit offen fließendem „Ziegel“-Bacherl, ca. 1900 (Sammlung Wenko), Statue des hl. Nepomuk (nach Wenko, Waltendorf)

©: Peter Laukhardt

Bild 12: Hauptstraße 32a (ehem. Möbelhaus Quitt, einst Schandfleck, jetzt Vorbild für den Maßstab?)

©: Peter Laukhardt

Wer heute über die Waltendorfer Straße nach Graz herunterfährt, hat wohl den schönsten Blick auf die Stadt: Herz-Jesu-Kirche, Schloßberg, die Ruine Gösting und der Gleinalm-Zug bauen sich kulissenartig hintereinander auf. Hat man bei der Oberen Teichstraße den Sternwirt und damit die Ebene fast erreicht, ist es aber auch schon aus mit der Bewunderung. Das einstige Dorf ist kaum mehr wiederzuerkennen (zur Geschichte siehe Anhang). 

Seit Jahrzehnten kämpft der „Schutzverein Ruckerlberg“ um die Erhaltung der baulichen Struktur des höher gelegenen Bezirksteils von Waltendorf; mit beachtlichen Erfolgen, wie u.a. die Verordnung einer neuen Altstadt-Schutzzone 2020 beweist, die fast bis zur Franzenshöhe reicht. Die sukzessive Zerstörung des Dorfbildes entlang der Waltendorfer Hauptstraße und den Verlust des historischen gewachsenen Zentrums konnte man trotz intensiver Bemühungen und Unterstützung durch „SOKO Altstadt“ nicht verhindern (Bild 1). 

Dass hier in den letzten Jahren keine raumordnende Hand am Werk war, ist jedem bewusst, der bei der allseitig viel zu dicht und viel zu hoch verbauten Kreuzung von der Plüddemanngasse in die hohle Gasse einbiegt. Rücksichtslos wurden bis zu fünfgeschossige Bauten direkt an der Straße hochgezogen, ohne auch nur einen Gedanken an eine etwaige Ausweitung des Straßenraums zu verschwenden. Der alte städtebauliche Grundsatz, dass die Höhe der Gebäude den Querschnitt der Straße nicht überschreiten darf, wurde zwar einigermaßen eingehalten – aber, wir sind hier nicht in der Innenstadt! Hier hat die Stadtplanung sogar noch offene Laubengänge zur Straße genehmigt, wie z. B. – schrecklich aufgestelzt – bei Riegelgasse 25 und jüngst sogar im neuen Zentrum, Hauptstraße 30.

Leider war es schon 1980 in der Vorbereitung des Grazer Altstadt-Gesetzes nicht gelungen, auch Vorschläge für eine Waltendorfer Altstadt-Schutzzone einzubringen, obwohl Georg Kodolitsch und Heimo Widtmann in ihrem Buch „Das andere Graz“ feststellten: „…. finden sich noch heute alte Siedlungsstrukturen von einiger Geschlossenheit, … im unteren Teil der Waltendorfer Hauptstraße.“ Hier waren schon damals andere Interessen entscheidend gewesen. 

Das erst 2020 verordnete Räumliche Leitbild 1.0 – von der Stadtplanung als Schutzinstrument für das Bauerbe gepriesen – lässt hier keine Besserung erwarten, im Gegenteil. Der für diesen Straßenzug verordnete Typus 3, nämlich „Straßenrandbebauung“ ist auch hier – wie fast überall – ein völlig unbrauchbares Instrument. Die Vorstellung, dass „bewohnbare Lärmschutzwände“ (Aktivbürgermund!) die dahinter liegenden Wohnungen von Abgasen und Lärm befreien sollen, und daher geschlossene Straßenfassaden gebaut werden sollen, ist einfach weltfremd. Das beispielhafte gründerzeitliche Modell der Grazer Gürtelstraßen – Häuserzeilen mit Vorgärten, dann eine Allee – wird man kaum mehr realisieren können, in der Waltendorfer Hauptstraße ebenso wenig wie in der Ragnitzstraße oder der Mariatroster Straße. Zwar verlangt das Räumliche Leitbild auch für den Typ 3 Straßenrandbebauung nach Durchgrünung, aber wo wird die denn auch durchgesetzt? Am Parkplatz der Schule steht z. B. kein einziger Baum!

Wir wollen nun der Waltendorfer Hauptstraße auf einer Länge von rund 600 m folgen, von ihrem Beginn an der Plüddemanngasse bis zum Sternwirt; wir wollen prüfen, was von der einstigen Dorfbebauung noch übrig ist. Dann wollen wir feststellen, ob es noch möglich ist, der alten Dorfstraße ihre Würde wenigstens teilweise zu bewahren.

Noch vor wenigen Wochen lud auf Nr. 1 die hübsche kleine Villa Farendla freundlich ein. An der Rückseite waren längliche, gewerblich genutzte Gebäudeteile angeschlossen. Wie das schmale Grundstück mit einer Widmung für Kerngebiet und Dichte bis max. 1,5 nun „entwickelt“ werden soll, ist aus einem Rendering zu entnehmen: ein sieben(!)geschossiger Block an der Straße und ein nach Norden orientierter Gartenraum. Für eine dem Kerngebiet angemessene gemischte Nutzung (Wohnbau, Geschäfte) scheint sich der Platz schwer zu eignen; aber das hat man sich auch in der bisherigen Bautätigkeit in der engen, einem Hohlweg gleichender Straße gedacht  …. Das am Foto noch sichtbare Haus Nr. 3 besitzt eines der in unseren Breiten seltenen Mansardendächer. Wie lange es noch stehen wird? Nach dem siebengeschossigen Neubau auf Nr. 1 wird es ja als Fremdkörper eiligst entfernt werden müssen (Bild 2).

Von den folgenden Bauten ist Nr. 7 erwähnenswert, weil hier noch die gründerzeitliche Struktur durchscheint; beide Häuser punkten aber durch begrünte Abstände zur Straße.

Auf der anderen Straßenseite zeigen die Neubauten Nr. 6 und 8 eine bis zu fünfgeschossige Verbauung unmittelbar an der Straße. Hier waren vorher etwas abgesetzte Bauern- bzw. Wirtshäuser mit Gärten zur Straße gestanden. Nr. 6 war lt. Adressbuch 1867 der Gasthof zum "schwarzen Rössl", Besitzer Anton Platzer. Die natürlichen Böschungen sind inzwischen durch Nebenbauten ersetzt worden. Wie das Bild zeigt, können hier ein paar Zier-Bäumchen die Illusion des Wohnens im Grünen erwecken – Schatten können sie freilich keinen Spenden (Bild 3).

Hinter diesen Neubauten hat sich ein Stück Alt-Waltendorf versteckt erhalten: Nr. 10a wurde saniert und mit einer neuen „Pawlatschen“ versehen (Bild 4).

Im Haus Nr. 9 ist auch noch ein dörfliches Relikt erhalten; vielleicht weil sich hier eine „Domina“ heimisch fühlte? Es war einst der an der Straße stehende Teil des Gasthauses „zur ungarischen Krone“, Inhaber 1911 Franz Wiedner. Das alte Haus Nr. 11 (auch Marktgasse 14), war ein eingeschossiges Gebäude mit mittlerem Dachausbau, abgewinkelt quer zu Straße stehend, seinerzeit der Gartentrakt des Gasthauses; es wurde 2014 abgerissen und ist einem modernen viergeschossigen Klotz gewichen, der aber immerhin zur Straße zurücktritt und einer kleinen Baumreihe Platz bietet (Bild 5).

Kurz danach mündet die Marktgasse ein – auf dem Wastler-Plan von 1905 heißt sie wegen zweier bereits gebauter Beispiele noch prophetisch Villen-Gasse. Vielleicht war das der Grund, warum es nicht zum Ausbau dieses Stücks für den Verkehr kam; eine Verlängerung zum Waltendorfer Gürtel tauchte später immer wieder in den Planungen auf, wurde aber nie realisiert. Wenn man die Pläne von 1820, 1905 und 2022 miteinander vergleicht, erkennt man, dass noch heute ausschließlich auf historischen Wegen und Grundstücks-Rastern gebaut wird – moderner Städtebau verirrte sich bis hierher nicht (Bild 6).

In den letzten Jahren hat sich die Marktgasse ihren Namen aber verdient; wie in ein Bücherregal haben sich hier Wohnblöcke in die Einfamilien-Grundstücke von ca. 1300 m2 hineingezwängt, nach dem unausgesprochenen Verdichtungs-Motto der Grazer Stadtplanung: aus 1 mach 12 (aus einem Standard-Familiengrundstück entstehen im Schnitt 12 Wohneinheiten). 

An der Einmündung in die Hauptstraße besteht mit Nr. 11a ein kleines Gebäude, heute Trafik und ein unverbautes Dreieck, ein kleiner Beserl-Park. Er ist markiert vom 1948 „Zum Gedächtnis an die Opfer der Ereignisse von 1938 – 1945“ errichteten Marien-Brunnen, der von Verkehrszeichen fast bedrohlich eingekreist erscheint. Ein Symbol für den achtlosen Umgang der Gegenwart mit Räumen und Zeichen.

Diese Weggabelung hat aber noch etwas Symbolhaftes zu bieten, nämlich echte Relikte aus besseren Zeiten. Die Nr. 12 ist ein Altbau des 18. Jhs mit Schopfwalmgiebel und Außenstiege, in der Kubatur tadellos bewahrt, aber im Sinne der heute üblichen Radikal-Minimalisierung leider ziemlich abgeräumt. Von der noch im DEHIO Graz 1979 erwähnten kleinen Pieta-Schnitzgruppe vom Anfang des 19. Jhs ist ebenso wenig eine Spur zu finden, wie von den gleichzeitigen schmiedeeisernen Fenstergittern.

Schräg gegenüber auf Nr. 13 das schöne Beispiel eines vorbildlich renovierten gründerzeitlichen zweigeschossigen Wohn- und Geschäftshauses mit fünf Dachhäuschen. Erbaut vermutlich von Johann Safran, Kohlen- und Holzhändler. Ein Geigenbauer hat jetzt hier sein Atelier – eine Seltenheit für ein Dorf. Hier finden sich  – einzigartig in Graz – zwei Häuser mit Nr. 13 aneinandergebaut, denn Marktgasse 13 ist das ehemalige Gasthaus „Zum Weichselbaum“, 1867 im Besitz von Johann Neuböck, heute Café Marianne.

Die zweigeschossige Häuserzeile nach der Volksschule ist das letzte Stück der Dorfstraße vor dem ursprünglichen Zentrum. Die aufgelockerte Struktur der tief in die Innenhöfe greifenden Wirtschafts- und Betriebsgebäude wird sicherlich schon Investoren angelockt haben. Noch ist hier aber Altbestand zu sehen, er beginnt mit der Nr. 19 (jetzt Pölzl, Gemüse; 1820 Anna Tröschl, 1867 Johann Gottscheber; 1911: der Ziegelei- und Realitätenbesitzer Alois Pölzl; hier arbeitete damals auch Vinzenz Quitt, Wagner, sein Sohn Franz Quitt übernahm 1934 eine kleine Möbeltischlerei auf Nr. 32). Die jetzt leere Nische mit Vordach am straßenseitigen Giebel des weit ausladenden Vordaches des „Bauernmarkts“ mit den grünen Fensterläden und den Blumenkisterln erinnert an eine geschichtliche Bedeutung: wie man aus der noch 1979 im DEHIO Graz erwähnten, inzwischen leider verschwundenen Figur des hl. Rochus geschlossen hat, soll sich hier 1680 das Waltendorfer Pestspital befunden haben.

Nr. 21 ist ein nach einem Blitzeinschlag vom 6. August 1911 (Besitzer damals ebenfalls Alois Pölzl; hier werkte der Schmied Friedrich Kundegraber) abgebranntes und dann stark modernisiertes Gebäude, aus dem einstigen Torbogen wurde eine viel zu groß wirkende rechteckige Öffnung. Nr. 21a wurde nach dem Brand völlig neu aufgebaut und zeigt heute noch die Fassaden-Struktur der Spätgründerzeit, mit hölzernen Fensterläden im Obergeschoß und – eine Seltenheit – einem Papier- und Kurzwarengeschäft. Nr. 23 (Besitzer 1820 Mathias Falbenhapt, 1867 Adolf Queißner, Eishändler, 1911 Franziska Reinisch) besitzt noch den schmiedeeisernen Ausleger des seit einigen Jahren geschlossenen, einst weithin bekannten „Reinisch-Kellers“. Die Reste des verlassenen Gastgartens sehen bemitleidenswert aus, während das quer zur Straße stehende Haus Nr. 25 die Qualitäten alter Bauweise (Pawlatsche) nur mehr eingeschränkt ausstrahlt.

Das Schopfwalmgiebel-Haus im Hintergrund von Bild 10 war Nr. 27 (1820 Johann Tröschl, 1867 Josef Atzlers Gasthaus „Zum Trogwirth“, 1911 Franz Hofmann, Holzhändler); es ist dem „neuen Zentrum“ ebenso zum Opfer gefallen wie der markante Kotzbeck-Bau, im Kern aus dem 17. Jh., dessen Giebel ganz hinten hervor lugt (1820 Johann Tröschl, 1867 Josefa Stradner, 1911 Georg Schütz, 1938 Bäcker Johann Kotzbeck). Nur der mächtige Kastanienbaum hält hier noch die Stellung.
www.grazerbe.at

Auch auf der rechten Straßenseite sind noch Altbauten erhalten; Nr. 16 besitzt noch eine östlich angebaute gusseiserne Außentreppe, die das ehemals abfallende Terrain gut markiert, sowie nach Westen eine bogenförmige Nische mit einem schon leicht abbröckelnden Gemälde, Maria mit Kind darstellend. Ein kleiner Garten, ein kupfernes Vordach gegen Norden, eine „Pawlatschen“ an der Westfassade, sind die baulichen Vorzuge von Nr. 24.

Das Wahrzeichen des bereits verlorenen alten Zentrums von Waltendorf war die ehemalige Dampf-Bäckerei Kotzbeck mit dem alten Ziehbrunnen davor. Gegenüber lag die Train-Kaserne der Monarchie, dahinter der Hartl-Hof, vielleicht der Gründungshof des Dorfes. An ihn lehnt sich mit geringem Abstand ein Wirtschaftstrakt, der durch eine steile Holztreppe noch den Geist der „guten, alten“ Zeit spiegelt. Die an der Straße gelegene alte Pferdehalle (an den Wänden waren bis zuletzt Pferde-Ringe befestigt), zuletzt Mechanikerwerkstatt, wurde abgerissen und durch einen Neubau ersetzt, der sich am bis dahin hässlichsten Bau der Gegend orientierte, dem ehemaligen Möbelhaus Quitt. Aber nicht genug damit, man hat hier sogar zwecks Profit-Maximierung noch offene Erschließungsgänge zur Straße hin genehmigt – leider wieder ein Zeichen, dass Ästhetik in der Instrumentensammlung der Stadtplanung noch keinen Platz gefunden hat (Bild 11).

Der geistliche Segen durch die Statue des hl. Johannes Nepomuk aus dem Anfang des 19. Jhs hat leider nichts geholfen; wie der Brückenheilige an diese Stelle kam, bleibt unbeantwortet. Ein unscheinbarer Steg über das von einem Ziegelteich gespeiste „Ziegelbacherl“, das später gemeinsam mit dem Anna-Bacherl die Hauptstraße bis zur Plüddemanngasse einst begleitete, wird ihn nicht hergelockt haben (Bild 11). 

Es müsste für Waltendorf ein übergreifender Rettungsplan fixiert werden, der auf Basis einer städtebaulichen Analyse die Nöte und Chancen des Bezirkszentrums definiert. Es darf keine weiteren Abbrüche entlang der Hauptstraße mehr geben, der Typ 3 im Räumlichen Leitbild „Straßenrandbebauung“ ist durch den Typ 4 „Vororte mit Zentrumsfunktion“ zu ersetzen. Wo immer es noch unverbauten Straßenrand gibt, ist er durch Grünanlagen zu gestalten. Vorhandene Parkplätze sind nach Möglichkeit ebenfalls durch Grünanlagen zu ersetzen oder intensiv durch Baumreihen zu bepflanzen (derzeit ist nicht einmal der Schul-Parkplatz begrünt). Der Verkehr muss durch eine durchgehende Tempo-30-Beschränkung gebremst werden; bei der jetzt ungeregelten Kreuzung mit der Dr.-Robert-Graf-Straße wäre eine Begegnungszone angemessen.

Sehen Sie für Waltendorf noch eine Chance?

Anhang. Zur Geschichte des Dorfes: 

Ein Walter, Waltfried, Walto oder Waldo könnte um 1150 einen Gründungs- oder Gutshof angelegt haben – den heute noch seinen Platz verteidigenden „Hartl-Hof“, Hauptstraße Nr. 32. Dieser könnte das Zentrum der bäuerlichen Ansiedlung und Verwaltungssitz bzw. Meierhof einer Herrschaftsfamilie gewesen sein, die auf einem Vorgängerbau des Hallerschlössls saß (in Vischers Schlösserbuch 1681: „Sparbersbach“). Um 1220/30 erscheint der Name Waltendorf erstmals im Babenbergischen Urbar. Gegen Ende des 13. Jhs wird hier sogar von Weinbau gesprochen, und der kaiserliche Tiergarten („Kaiserwald“) war um vieles älter als der von Friedrich III. im 15. Jh. am Schloßberg-Nordhang begründete. Im 16. Jh. fingen die Vogelfänger hier Drosseln, Finken, Lerchen und andere Singvögeln für die Tafel des erzherzöglichen Hofes in Graz und später für die Feinschmecker unter den Regierungsbeamten. Die dafür aufgestellten Vogelherde heißen im Italienischen übrigens „roccolo“; für den kulturell stark italienisch beeinflussten Grazer Hof Erzherzog Karls II. wäre so um 1570 die Benennung des Ruckerlberges erklärbar, eine andere, 60 Jahre jüngere Deutung bezieht sich auf die Vogelfänger-Familie Rucker am Rukerhof, Rudolfstraße 27. Die lehmige Gegend war immerhin auch gut genug, für Graz im 16. Jh. massenweise Ziegel für die neuen Festungsbauten – und das Grazer Landhaus – zu liefern. Der Ofen und der „Hofziegelstadel“ lagen ungefähr bei Obere Teichstraße 13 (siehe auch Bild 1).

„Zwischen St. Peter und Sparbersbach liegt das vielberühmte Waltendorf, das unveränderte Lerchenfeld der Gratzer, ein buntes Dorf von 100 Häusern zwischen Gärten und Lehmgruben, mit Kegelbahnen und schattenlosen Wirthshöfen, versteckt. Die besuchtesten Sonntagsosterien sind: beim Löwen, Engel, türkischen Kaiser, Trogwirth, Katze, lustigen Bauern, Faßel, drei Jägern etc.“, schrieb Rudolf Puff 1842. Noch das Adressbuch von 1867 bietet eine Fülle von Gastwirtschaften, sie waren hier wohl auch nötig, um Fuhrleute und Pferde für die steile Auffahrt der Straße zu stärken, die ursprünglich sogar bis Ungarn geführt hatte.

Roswitha Neu-Schindler

Ich war im Februar, nach langer Zeit, wieder einmal in der Waltendorfer H.Straße. Schon nach der Einfahrt in diese Straße habe ich mich erschreckt, die Bäckerei Kotzbeck war weg, die Bauten schrecklich. Ich fuhr bis zum Unimarkt und die Schrecklichkeiten haben sich fortgesetzt. Nicht mehr wiederzuerkennen war diese Straße. Aber mich wundert es nicht, denn warum soll es hier anders aussehen, als im übrigen Graz. Besonders negative Beispiel liefern alle Haupteinfallstraße von Graz und der Rest an den Seiten ist nicht besser. Wenn man die Geschichte Waltendorfs liest, wie schön muss es damals gewesen sein, ein Gasthof nach dem anderen und viel Grün. Wir wissen wo der Schuh drückt. Die Novelle des Raumordnungsgesetzes wird in Zukunft den Bodenfraß auch nicht stoppen. Die Verantwortlichen sollten unbedingt an die nächsten Wahlen denken, siehe Grazwahl.

Mi. 04/05/2022 20:39 Permalink
Claudia

Eine Rettung Waltendorfs ist dringend notwendig. Nicht nur die Waltendorfer Hauptstraße ist betroffen, man schaue sich nur Ruckerlberggasse, Josef Gauby Weg, Rappoldgasse und Co an (um nur einige wenige Beispiele zu nennen). Ich weiß nur nicht, wie man dies voranbringen könnte und kämpfe seit Jahren gegen Windmühlen und bekomme diese um dei Ohren.
Ich bin für Ideen gerne offen.
Geplant - aber noch ewig von der Umsetzung entfernt - sind:
Wohnstraße Josef Gauby Weg
Begegnungszone Waltendorf Center

Di. 03/05/2022 12:37 Permalink
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