19/03/2019

GAT veröffentlicht in der Kolumne Privatissimum vom Grilj jeden dritten Dienstag im Monat Texte zum Nachdenken.

Diesmal geht es um eine Art von Lautverschiebung.

Zur Person
Mathias Grilj (* Kamnik, SLO) lebt als freier Journalist und Schriftsteller in Graz.

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19/03/2019
©: Mathias Grilj

Wollen Sie das wirklich lesen?
oder
Von der Schieflage der Töne

Es ist ein Gebot der Redlichkeit, Sie vor der Lektüre dieser Glosse zu warnen und auf unerwünschte Nebenwirkungen und eventuelle infektiöse Folgen hinzuweisen. Sie kann einerseits zwar Ihr Gehör schärfen, andrerseits kann sie aber – zumal den Hörern von Ö1 – die Laune verderben oder gar den Tag vermiesen; schlimmer noch, Sie zu einem Griesgram machen, der regelrecht auf Misstöne lauert, die ihn dann garantiert quälen werden. Der folglich kaum Radio hören kann, ohne zu leiden. Das kann empfindsame Naturen ins Exil einer mürrischen Einsamkeit treiben.

Seit Jahren registriere ich unter Nachrichtensprechern und Moderatoren die Zunahme einer Art von Lautverschiebung. Die Rede ist hier nicht vom schlampigen Satzbau, den Pseudoanglizismen, den falschen Präpositionen und grammatikalischen Zumutungen, sondern: dass der gute Ton flöten geht. Sprachlich betrachtet, wird „der Kultursender“ immer mehr zum Dschungelcamp.

Erst grassierte es unter den zugekauften Beiträgen aus Deutschland: dass man die Betonung geradezu aggressiv auf die erste Silbe verlegt – was dann nach hingepeitschtem AGGGressiv klingt. Inzwischen ist es aber wie im Burgthheater, wo sich auch eingeborene Schauspieler bemühen, tunlichst nach Piefke zu klingen. Ein paar Beispiele, die aus dem Radio kommen: RITTTuell, DIGGGital, QUINNNtett, eVENNNtuell, NUUUklear, KOMMMponist, REEEgulär, ZUUUdem. Da wird nicht „mesolithisch“ gesagt, sondern MÄÄÄsolithisch geblökt, der Mann ist – na, wie ist er? - HOOOrmongesteuer ist er.

Sobald Ihnen das aufgefallen ist, hören Sie es ständig. Ich kann es nicht entspannt oder gar belustigt als ein kulturelles Phänomen betrachten, weil immer die Ö1-gemäße Aussprache – nämlich KULLLturell - mitklingt und die Gehörgänge sowie Stimmung und Seele verschmutzt. Meine Kinder sagen, wenn ich wieder am Explodieren bin: „Du hast ja recht, Papa, aber kann es dir nicht wurscht sein?“ Wenn ich das schaffen könnte – wäre ich dann ein weiser Buddha oder ein abgestumpfter Idiot?

ikis

empfehlungen ODER möglichkeiten um Ihrem un-verständnis entgegen zu wirken: [selbst-verständlich eine haus-aufgabe, welche im sinne des eigen-interesses und durch selbst-studium nachgeholt werden könnte]
ENTWEDER:
- sich mit den werken / schriften des philosphens ludwig wittgenstein befassen
- alternativ könnten ebenso, die arbeiten der französischen post-strukturalisten zum verständnis beitragen
- Tonbandaufnahme "in memorian friedrich achleitner" nach-hören [OE1, 31.03.2019, Sendezeit 09.05 MEZ, AUFMERKSAM zuhören ab 09.30 bis 09.45]
ODER:
grundlegend sich der thematik WAS sprache alles konstruieren kann, widmen

Di. 02/04/2019 12:17 Permalink
H. Candussi

Hast ja recht, Mathias, es nervt und jetzt hast du mich wieder hinterfotzig sensibilisiert, obwohl du mich ja natürlich vorher noch hinterfotziger gewarnt hast. Ich zahle es dir heim und vermiese dir, soferne du sie siehst, die Fernseh-Wetterprognose mit Herrn Wadsack. Der betont nicht präcox auf der ersten Silbe, sondern verschluckt einfach die Wortmitte: Temperturen sagt er. Drei Mal pro Sendung minimum. Ätsch.

Di. 19/03/2019 6:49 Permalink
Anonymous

Es gibt so viele wichtigere Themen, als diese, die immer in dieser Kolumne extrem unangenehm polemisch angesprochen werden. Diesen "öffentlichen" Platz könnte man beim gat wirklich besser nutzen. Es tut mir Leid, aber wenn ich diese Kolumne lese, werde ich einfach nur grantig über diese sinnlosen Themen, die einfach niemanden interessieren und nur dazu da sind, das einer seinen Dampf ablassen kann. Furchtbar, wäre echt Zeit für etwas Neues..

Mo. 01/04/2019 8:58 Permalink
Netzwerktreffen
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