16/10/2018

GAT veröffentlicht in der Kolumne Privatissimum vom Grilj jeden dritten Dienstag im Monat Texte zum Nachdenken.

Zur Person
Mathias Grilj (* Kamnik, SLO) lebt als freier Journalist und Schriftsteller in Graz.

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16/10/2018
©: Mathias Grilj

Das letzte Lied der Nacht

Komm, wir wollen in die Kälte!
Sarah Kirsch

Wir müssen noch durch die Ebene,
die reicht bis zum neunten Glas.
Johannes Bobrowski

Ich bin einer, den die Kellner ganz gern mögen, aber ich gehöre der Rasse der „Pickenbleiber“ an und sage zur Sperrstunde oft „Ach, bitte, eine letzte Runde geht sicher noch. Und ein Getränk natürlich auch für dich!“ Aber nach der fünften letzten Runde gehe ich dem Personal doch irgendwie auf die Nerven. Meist kellnern ja Studentinnen, die am nächsten Vormittag bei ihren Vorlesugen und Seminaren ziemlich munter sein müssen. Man versteht, dass sie heimkommen wollen... Gleichsam als Entschuldigung habe ich in so einer langen Nacht im Grazer L`angolo, wo viele Architekten, Künstler, Schauspieler, Dichter und Journalisten bis zur Sperrstunde und danach verkehrt haben, ein vierstrophiges Kellner-Lied geschrieben. Für Birgit, die Soziologiestudentin. Oder Architektur? Zu singen ist es nach der Melodei von „Danny Boy“, am besten im reinen lyrischen Sopran einer Serviererin, aber im Timbre auch so ein bisschen nach zu vielen Zigaretten und einigen Whiskeys. Es geht so:

Jetzt gute Nacht, ihr Lieben und ihr Schönen,
jetzt wird es Zeit, jetzt ist es für heut aus.
Ich kann vor Müdigkeit schon nicht mehr stehen
und sag und bitte euch: gehn wir nachhaus.

Von mir aus nehmt noch eine letzte Runde,
von mir aus nehmt noch einen letzten Zug,
ist es am schönsten, kommt die Morgenstunde,
denkt auch an Unsereins und sagt: es war genug.

Am Vormittag, da seid Ihr noch am Träumen
von Freundschaft, Schönheit und auch von Cynar,
bin ich längst wach, ich darf es nicht versäumen,
und hocke müd und matt in meinem Seminar.

Seid gut zu mir, wie ich auch zu Euch gut war,
zahlt und schließt dann bis morgen diese Tür
und singt und sagt es allen, dass es gut war.
Und auch an Johnny Walker einen Gruß von mir.

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