28/10/2015

Private Public Partnership

EPEC, das European PPP Expertise Centre, ist eine von der Europäischen Zentralbank und der Europäischen Kommission gegründete Gesellschaft, deren Aufgabe die Förderung von Public Private Partnerships in EU-Mitgliedsländer und in Ländern, die Kandidatenstatus für die Aufnahme in die EU haben, ist.

Bei der Wettbewerbs-Auslobung Schulcampus Berresgasse in Wien gab es einen Boykott vieler ArchitektInnen gegen das PPP-Modell.

28/10/2015

Plakat anlässlich WB-Auslobung Schulcampus Berresgasse in Wien

©: franz zt gmbh

Im Frühjahr des heurigen Jahres erfolgte ein Aufruf der Länderkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland an ihre Mitglieder, sich nicht an den Private Public Partnership finanzierten Wettbewerben des Wiener Schulbauprogramms zu beteiligen. Eine Klausel im Vertragswerk gibt dem Investor die Möglichkeit, Architekten nur bis zur Einreichplanung zu beauftragen. Für die Kammer hat dieser Umstand neben einem Qualitätsverlust in der Planung auch deutliche finanzielle Einbußen für den oder die Architekten zur Folge.

Anlässlich der Ausschreibung des Schulcampus Berresgasse in Wien wurden Mitglieder der IG Architektur aktiv und gestalteten Plakate, die sich kritisch mit dem PPP-Modell auseinandersetzten. Eine entsprechende „Sammlung“ aller Entwürfe wurde elektronisch auch der zuständigen Abteilung der Stadt Wien übermittelt.

1777 erhielten die Gebrüder Perrier eine Konzession über die Trinkwasserrechte in Paris für die Dauer von fünfzehn Jahren. Sie sollten durch den Einsatz von den damals gerade erfundenen Dampfmaschinen das Seine-Wasser filtern und damit die Trinkqualität verbessern sowie auch die Liefermengen erhöhen.

Für die beiden Kanalbaugroßprojekte des 19. Jahrhunderts, Suez- und Panamakanal, wurden jeweils Konzessionen auf 99 Jahre für den Betrieb an die privaten Erbauer vergeben. Die Errichtung vieler Eisenbahnstrecken und Straßen wurden vorab von privaten Konsortien finanziert, um nach Inbetriebnahme von öffentlicher Hand für die Benützung bezahlt zu werden.

Private Public Partnership ist also keine Erfindung des modernen Kapitalismus.

Die heute bekannten Modelle haben ihren Ursprung in den 1980ern und 1990ern, als in Großbritannien und wenig später auch in Frankreich massiv Infrastrukturmaßnahmen in die Hände von privaten Investoren gegeben wurden. Eines der bekanntesten PPP-Projekte ist der 1993 fertig gestellte Eurotunnel unter dem Ärmelkanal. Frankreich, aktuell das EU-Land mit den meisten PPP-Projekten, baut derzeit auf dieser Basis an der Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke Tours – Bordeaux.

Seit einigen Jahren gibt es in Luxemburg eine von der European Investmentbank gegründete Organisation namens EPEC, das European PPP Expertise Centre. Laut Eigendefinition auf ihrer Homepage ist EPEC einzigartig, "as a 'Members' club' designed solely to support public authorities deliver more, and better, PPP programmes, EPEC can promote the sharing of knowledge and experience in a way that would not otherwise be possible."

PPP-Projekte sehen vor, dass für Finanzierung, Planung, Bau und Betrieb der Investor verantwortlich ist. Der öffentliche Auftraggeber und Nutzer des Objektes zahlt an den Investor ein vorab vereinbartes Entgelt für eine fix vereinbarte Zeitdauer (im Regelfall 25 und mehr Jahre). Neben diesem Inhabermodell gibt es noch eine Reihe von anderen Varianten, die jedoch sich nur marginal voneinander unterscheiden. (z.B. in der Eigentumszuordnung bzw. Verwertung des Objektes nach Nutzungsende).

Als ein Hauptargument für PPP-Projekte wird von Seiten der öffentlichen Hand angesichts klammer Haushaltskassen mit Zinsgewinnen, Ersparnis hoher Gestehungskosten und mit Budgetplanungssicherheit durch die regelmäßigen Teilzahlungen argumentiert.  Kredite können vermieden werden, Aufgaben werden optimaler verteilt und damit noch mehr Effizienz geschaffen. Nach Endabrechnung aller Zahlungen an den Investor sei somit eine PPP-Variante günstiger als ein von öffentlicher Hand finanziertes Bauvorhaben.

Nun gibt es durchaus Beispiele, die dieses angestrebte Ziel erreichen oder erreicht haben. Andererseits mehren sich aber die Fälle, in denen sich zwischen ursprünglicher Modellrechnung und tatsächlichen Kosten, zwischen vorgestelltem Entwurf und tatsächlicher Umsetzung große Unterschiede auftun. Jeder Investor ist gewinnorientiert. Kostenminimierung zählt häufig mehr als Qualitätsstandards.

Daher herrschen an den tatsächlichen Entwicklungs- und Planungskosten oftmals Zweifel, verstärkt durch die für niemand einsichtigen, intransparenten Vertragsvereinbarungen zwischen Investor und öffentlicher Hand.

In den USA zwangen der Konkurs der Betreiber San Diego zu Kostenübernahmen bei auf PPP Basis finanzierten Mautstraßen. Das Defizit im Budget war entsprechend groß. 

In Deutschland kann die Hamburger Elbphilharmonie, deren Mantelbebauung PPP finanziert ist, als derzeit abschreckendes Beispiel herangezogen werden. Waren die anteiligen Kosten für den Steuerzahler bei dem Projekt, das nunmehr statt 2010 erst 2017 eröffnet wird, mit  ursprünglich 77 Millionen geplant, liegen sie aktuell bei 789 Millionen Euro.

Auf der Homepage des Verbands Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine positioniert sich dessen Präsident Christian Baumgart: „Was sind die Konsequenzen für die öffentliche Hand, wenn der Privatinvestor in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät oder insolvent wird? Sind während der Laufzeit eigene technische Kompetenzen erst einmal abgebaut, wird es umso schwieriger, steuernd einzugreifen und die in jedem Fall nach Vertragsablauf zurückfallenden Investitionen in eigener Regie weiterhin zu unterhalten und zu entwickeln.“

Heino von Schuckmann, Seniorpartner der Wirtschaftsprüfungskanzlei Deloitte verteidigt dagegen in der Zeitschrift Innovative Verwaltung den PPP Gedanken, ist davon überzeugt, dass der Katastrophenflughafenbau Berlin Brandenburg als PPP Projekt schon längst fertig gestellt wäre und die Steuerzahler sich viel Geld ersparen hätten können. "Dies ist nur ein weiteres Beispiel dafür, dass die öffentliche Hand nicht über die Erfahrung, die Strukturen und Prozesse verfügt, um komplexe Großprojekte kosten- und termingetreu abzuwickeln. Was im Übrigen alle einschlägigen Erhebungen der Rechnungshöfe u. a. über konventionelle Beschaffung unisono bestätigen."

Diese Aussage ist etwas verwunderlich, denn einer Stellungnahme der Präsidenten der deutschen Landesrechnungshöfe von 2006 ist eher das Gegenteil zu entnehmen: „PPP ist mittel- und langfristig ein gefährlicher Weg, weil auch hier die Finanzierungslast in die Zukunft verschoben wird […]. Projekte, die sich die öffentliche Hand konventionell finanziert nicht leisten kann, darf sie sich ebenso wenig alternativ finanziert leisten.“

Dirk Kramm vom Verein Gemeingut in BürgerInnenhand kann in einem Interview mit der Deutschen Welle den PPPs nichts abgewinnen: "Wir sind der festen Überzeugung, dass die meisten Projekte überhaupt nicht mehr realisierbar wären, wenn die Projektkalkulationen offengelegt würden. Weil dann klar wäre, wo die Einsparungen erzielt werden und dass das mit sehr unlauteren Mitteln auf Kosten der Bürger gemacht wird.“

England hat aktuell rund 900 fertiggestellte PPP Projekte. 2012 kam ein eigens dafür eingesetzter Untersuchungsausschuss des Parlaments zur Erkenntnis, dass in den meisten Fällen private Unternehmen die „Steuerzahler abzocken".

Um diesem Missbrauch entgegensteuern zu können, wurden in Großbritannien die Rahmenbedingungen für künftige PPP Projekte überarbeitet. Diese sehen vor, dass künftig die öffentliche Hand unter anderem von Beginn an auch zu einem kleinen Teil wieder Co-Investor wird, die Projektumsetzung und die Kosten überwacht werden, Qualitätsstandards für die Auftragsvergabe formuliert werden. Die Verträge sollen transparent gestaltet, öffentlich einsichtig werden und eine behördliche Risk Management Abteilung das Projekt begleiten.

Der Höhepunkt von PPP-Projekten scheint aufgrund vieler negativer Erfahrungen aktuell überschritten zu sein, das muss sogar die EPEC in ihrer aktuellen Statistik zugeben. Trotzdem werden private Investoren angesichts der Finanzierungsnöte von Bund, Land und Gemeinde weiter ein Bestandteil der Finanzierungslandschaft bleiben.

Die Aktivistengruppierung attac sieht dahinter auf einer eigens dafür eingerichteten Homepage ppp-irrweg.de (s. Link rechts) ohnehin nur das Offensichtliche: Eine weitere Fortsetzung im Ausverkauf staatlicher Verantwortung und damit auch sozialer Verpflichtungen.

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