08/07/2010
08/07/2010

Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) und Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer (ÖVP)

Anlässlich der steirischen Landtagswahl im Herbst findet am 13. Juli im Haus der Architektur eine Podiumsdiskussion mit den SpitzenkandidatInnen der wahlwerbenden Parteien zum Thema Architekturpolitik und Baukultur statt.
Auf GAT werden im Vorfeld die Antworten der einzelnen KandidatInnen auf drei themenspezifische Fragen veröffentlicht.
Landeshauptmann Franz Voves sieht einen Großteil der Verantwortung in Sachen Baukultur im Bereich der Länder und stellt Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit in den Vordergrund. Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer betont die Potenziale der Kooperation von Kleinregionen, vor allem in Fragen der Raumplanung und der Energieeffizienz und äußert den Wunsch, dass qualitätvolle Architektur für alle leistbar ist.

Welchen persönlichen Zugang oder Bezug haben Sie zum Themenkreis Baukultur und Architektur?
Landeshauptmann Franz Voves (FV): Im Rahmen meiner Tätigkeit als Finanzvorstand bei einem steirischen Privatversicherungskonzern war ich unter anderem für den Immobilienbereich und damit für Bauvorhaben und Revitalisierungen zuständig – sozusagen mein erster beruflicher Kontakt zu Architektur und Baukultur.
Es ist unbestrittene Tatsache, dass die gebaute Umwelt einen wesentlichen Einfluss auf die dort lebenden Menschen hat. Die meiste Zeit unseres Lebens verbringen wir in Gebäuden, vor oder zwischen Gebautem. Es geht letztlich um unser Wohlbefinden, die physische wie psychische Gesundheit, auf der anderen Seite aber auch um das baukulturelle Erbe der kommenden Generationen und um die sinnvolle Nutzung von Ressourcen.
Das Wohlbefinden war auch primäre Antriebskraft privat ein Haus im Grünen zu verwirklichen und in der Natur zu leben: Den Garten zu pflegen ist der ideale Ausgleich zum politischen Alltag.
Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer / ÖVP (HS): Mein Zugang ist ein sehr breiter: Einerseits ist die historische Baukultur und Bausubstanz auch in der Steiermark von großer Faszination und wenn im Bereich der Revitalisierung auf Originaltreue und Detailgenauigkeit Wert gelegt wird, wird Tradition verantwortungsbewusst weitergetragen.
Andererseits schätze ich auch qualitätsvolle, moderne Bauten sehr, vor allem dann, wenn sie zeitgemäß und nicht zeitgeistig, modern aber nicht modisch sind. Mir gefällt der Mut zu Neuem, das Begehen von Neuland – auch in puncto Funktionalität und Technik.

Welche Schwerpunkte aus den baupolitischen Leitsätzen des Landes Steiermark sind für Sie besonders wichtig und wo sehen Sie Möglichkeiten im Rahmen der politischen Arbeit, diese konkret zu unterstützen bzw. einer rechtlichen Verbindlichkeit zuzuführen?
FV: Das Zusammenspiel von Nachhaltigkeitsthemen (ökonomisch, ökologisch, sozial, kulturell/gestalterisch) begleitet mich bereits mein ganzes Berufsleben. Als Landeshauptmann der Steiermark und unmittelbar Zuständiger für die Baukultur war es mir ein Anliegen, verbindliche niedergeschriebene Richtlinien zu erstellen. Vorausgegangen ist dem Prozess der Erstellung der baupolitischen Leitsätze das Projekt REGIONEXT, das den Anreiz zur Zusammenarbeit von Gemeinden steigert. Dies gilt durchaus auch im Bereich des Hochbaus. Einen weiteren Hinweis auf die Notwendigkeit, in der Sache Baukultur aktiv zu werden, erhielten wir durch den von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Österreichischen Baukulturreport. Denn viele Verantwortungen liegen im Bereich der Länder (Baugesetze, Raumplanung udgl.) und hier müssen wir aktiv werden. Wir dürfen uns nicht ausschließlich auf zu erwartende EU-Richtlinien und das daraus abgeleitete nationale Recht verlassen, sondern müssen als Bundesländer – und hier hat jedes Bundesland seine Eigen- und Besonderheiten – aktiv sein.
Für besonders wichtig erachte ich neben den Fragen der Energie(-einsparung) solche der Raumplanung. Das Verdichten von Siedlungsstrukturen ist unbedingt anzustreben. Zersiedelung, sowie das damit verbundene Installieren und Instandhalten von Infrastruktur werden wir uns in Zukunft in diesem Ausmaß nicht mehr leisten können. Soziale Gerechtigkeit aufrecht zu erhalten – gerade auch in Hinblick auf die demographischen Veränderungen – wird durch Ressourcenverschwendung noch schwerer, als es derzeit schon erscheinen mag.
HS: Ich glaube, dass künftig vor allem die Fragen der Raumplanung, die Fragen der Kooperation und Zusammenarbeit in Kleinregionen und die Fragen der Energieeffizienz eine wichtige Rolle spielen werden. Vor allem in der Kooperation innerhalb der Kleinregionen sehe ich Fortschritte, weil den Verantwortlichen vor Ort mittlerweile klar ist, dass man durch Zusammenarbeit mit dem gleichen Geld mehr erreichen kann. Ich habe mich selbst bemüht, bei Hochbauprojekten in Gemeinden auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz zu setzen und dafür erhöhte Unterstützungen zu ermöglichen. Bei der Raumplanung wird es notwendig sein, in größeren Zusammenhängen zu denken. Die kleinregionalen Entwicklungskonzepte sind eine wichtige Vorstufe dazu.

Die nachhaltigsten Bauten sind jene, die in jeder Hinsicht qualitätvoll geplant und umgesetzt werden. Welches Bauprojekt der jüngeren Vergangenheit, das Sie näher verfolgt haben, hat sich hinsichtlich Prozessqualität und Ergebnis Ihrer Meinung nach besonders positiv auf das Land ausgewirkt?
FV: Sie können sich vorstellen, dass ich als Landeshauptmann zu vielen Spatenstichen, Eröffnungen und Einweihungen eingeladen werde. Es gibt meines Erachtens in der Steiermark eine hohe Dichte qualitätsvoller Bauten und es fällt mir gar nicht leicht, eines exemplarisch als besonders nachhaltig hervorzuheben. Dies auch deswegen, da mir bewusst ist, dass sich Nachhaltigkeit erst im Betrieb und nach längerer Nutzungsdauer abwägen lässt.
Wenn ich aber doch versuchem, von einem Beispiel zu berichten, das mich beeindruckt hat, dann ist es das Congresszentrum „Zehner Haus“ in Bad Radkersburg. Wie Sie wissen, ist Bad Radkersburg eine kleine Stadt an der Grenze zu Slowenien, die hauptsächlich vom Tourismus lebt. Die Innenstadt leidet auch dort unter ähnlichen Problemen wie wir sie von anderen Städten kennen: Geschäfte schließen, Leerstände nehmen zu, viele vitale Funktionen gehen verloren. Als nun die Überlegung anstand, ein Zentrum zu errichten, das sowohl für kulturelle Nutzung als auch für Kongresse verwendet werden kann, entschied man sich dafür, nicht „auf der grünen Wiese“ außerhalb der Altstadt etwas Neues zu errichten, sondern für einen Standort im Zentrum. Es wurden drei Altstadthäuser, die zum Teil erst angekauft werden mussten, derart miteinander verbunden, saniert und umgebaut, dass das neue Congresszentrum neben dem reinen Erfüllen seines funktionalen Zwecks mehr erreicht, als in einem Raumprogramm fest geschrieben werden kann: Leer stehende Gebäude wurden mit Leben erfüllt. Die Innenstadt hat ein neues vitales Zentrum, das auf die umliegende Infrastruktur (Gastronomie, Geschäfte usw.) bereits positive Auswirkungen zeitigt. Die Gestaltung erlebe ich als äußerst gelungen: wie die gewachsene Substanz mit den zeitgenössischen Zubauten kommuniziert, das ist sehr harmonisch.
Den Bürgerinnen und Bürgern von Bad Radkersburg und dem Architekten Hans Gangoly sei dazu herzlich gratuliert. Ich würde mich freuen, wenn dieses und ähnliche Beispiele Schule machen würden. Sowohl in Hinblick auf die Qualität des Planungs- und Umsetzungsprozesses als auch im Weiterentwickeln gewachsener, historischer Strukturen.
HS: Ich möchte kein einzelnes Projekt hervorheben, wichtig ist vor allem, dass im ländlichen Raum qualitätsvoll geplant und gebaut wird, dass die Menschen vor Ort einbezogen werden und dass der Prozess mit dem Bauherrn ein transparenter ist. Wenn die Bevölkerung miteinbezogen wird, wenn regionale Baustoffe verwendet werden, wenn in die Bauweise auch regionale Besonderheiten einfließen, dann gibt es auch für moderne Architektur große Unterstützung. Es gibt genügend Projekte in kleinerem Maßstab, im privaten und im öffentlichen Bereich, die diese Anforderungen erfüllen. Mein Wunsch an die Architekten ist, dass sich vernünftige und qualitätsvolle Planung auch der „normale Häuslbauer“ leisten kann. Dafür sind Lösungen zu entwickeln, denn moderne Architektur darf nicht den Eliten vorbehalten bleiben.

Das HDA lädt ein:

Thema Baukultur: Podiumsdiskussion mit den steirischen SpitzenkandidatInnen anlässlich der Landtagswahl 2010.

WANN: 13. Juli 2010, 17.00 Uhr
WO: HDA, Palais Thinnfeld
Mariahilferstraße 2, 8020 Graz

Mit:
Landeshauptmann Franz Voves, Klubobmann Christopher Drexler (in Vertretung für Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer), Nationalratsabgeordneter Werner Kogler, Landtagsabgeordnete Claudia Klimt-Weithaler, Nationalratsabgeordneter Gerald Grosz, Nationalratsabgeordneter Gerhard Kurzmann

Moderation:
Bernhard Steger, Sprecher der Plattform für Architekturpolitik und Baukultur

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