09/05/2011
09/05/2011

Architekt Johannes Fiedler (fiedler.tornquist arch + urb, Graz). Foto: M. Brischnik

Architektin Jördis Tornquist und Architekt Johannes Fiedler (fiedler.tornquist arch + urb, Graz). Foto: mb

Die vergleichenden Architekturmodelle der Reininghausgründe, die Fiedler am 09.05., im Rahmen seiner offenen Vorlesung an der TU Graz präsentieren wird. Foto: J. Tornquist

Im Rahmen der Vorlesungsreihe „Wohnen im Kontext“ des Instituts für Wohnbau der TU Graz hielt Architekt Johannes Fiedler (seit April 2010 interimistischer Leiter des Lehrstuhls für Städtebau an der TU Braunschweig) am 09.05.2010 eine offene Vorlesung zum Thema „architecture development - zu den Rahmenbedingungen urbaner Architekturproduktion“.

Fiedler analysierte die gängige Vorstellung von Urbanität anhand bestehender Innenstädte, deren gewachsene Strukturen zumeist vergleichsweise kleinteilig sind. Die Nachfrage nach großflächiger Gesamtbebauung war über lange Zeit kaum gegeben. Das Maß der bebauten Parzelle hat sich über Jahrzehnte an den finanziellen Möglichkeiten einzelner BauherrInnen orientiert, die in reale Immobilien investiert und städtische Mietshäuser gebaut haben. Resultat sind Stadtzentren, deren hohe Dichte von den BewohnerInnen akzeptiert wird und die aufgrund ihrer abwechslungsreichen Vielfältigkeit fußläufig erschlossen werden können. Die Sockelzonen werden unterschiedlich genutzt und belebt, die Stadt wird von verschiedensten NutzerInnen und AkteurInnen geprägt.

Der Bauprozess basierte in der Vergangenheit auf dem Engagement und der Risikobereitschaft der BauherrInnen. Ähnliche positive Entwicklungsimpulse wurden in jüngster Zeit auch in Graz gesetzt. Vertreter der Architekturbüros Innocad (Golden Nugget, Rose am Lend) und Pentaplan (Lendplatz Urban) sowie Architekt Markus Pernthaler (Rondo) referierten im Rahmen der Vorlesung über die Entwicklung urbaner Projekte.

Am Beispiel der Reininghausgründe erläuterte Fiedler die Notwendigkeit der Parzellierung. Die heute üblichen, großformatigen Wohnbauprojekte, die auch im Zuge der Bebauung der Reininghausgründe zu erwarten sind, bestätigen zumeist die gängigen Vorurteile gegenüber zeitgenössischer Architektur. Unpersönliche Baukörper, sich wiederholende und gesichtslose Fassaden, unattraktive Sockelzonen und vor allem unverhältnismäßig große Dimensionen schrecken viele Menschen ab. Der kurzfristige Vorteil großformatiger Baukörper liegt unbestritten in deren wirtschaftlicher Errichtung. Hunderte Wohnungen nach demselben Schema, auf Basis derselben Details und mit denselben Bauteilen lassen sich natürlich denkbar günstig errichten. Der Investor hat nur mit e i n e m Bauträger zu verhandeln, nur e i n Architekturbüro muss mit der Planung bemüht werden, es gibt e i n e Anlaufstelle für interessierte zukünftige NutzerInnen.
Das urbane Umfeld solcher realisierten Großprojekte, so sehr es auch begrünt und behübscht wird, bleibt üblicherweise unbelebt und anonym. Die BewohnerInnen gelangen trockenen Fußes in die Tiefgarage und erreichen per PKW das nächstgelegene Einkaufszentrum, ohne ein einziges Mal per pedes außer Haus zu müssen bzw. zu wollen.

Positive Gegenbeispiele finden sich unter anderem in Deutschland. Kleinteilige Strukturen werden dort durch die Gründung von Baugruppen gefördert und ermöglicht. Baugruppen sind Zusammenschlüsse interessierter NutzerInnen, die gemeinsam ein Haus beauftragen und errichten und damit größtmöglichen Einfluss auf ihren zukünftigen Wohnraum haben. Seitens der Kommunen werden solche Baugruppen gefördert, indem beispielsweise Anwartschaften an die Interessensgemeinschaften vergeben werden und Zahlungen für den Baugrund erst bei Baubeginn fällig werden. Es gibt Baugruppenentwickler, die das Zustandekommen von Baugruppen steuern und den Planungs- und Bauprozess begleiten. Die Stadtviertel, welche auf Basis solcher Prozesse entstehen, zeichnen sich durch ihre abwechslungsreiche Vielfalt, ihre funktionierende soziale Durchmischung und vor allem die deutlich höhere persönliche Identifikation der BewohnerInnen mit ihrem Stadtteil aus. Es zeigt sich außerdem, dass diese Form der kleinteiligeren Bebauung auch eine höhere nachhaltige Wertschöpfung nach sich zieht, da die günstige Wohraumbeschaffung nicht zwingend das Leitthema ist. Klein- und Mittelbetriebe beleben die Erdgeschoßzonen und attraktiveren den Fußweg durch die Stadt.

Betrachtet man die beiden vergleichenden Architekturmodelle der Reininghausgründe, die Fiedler im Rahmen seiner offenen Vorlesung präsentierte, so scheint es besser zu sein, die Grundstücke kleinteilig zu filetieren. Fraglich ist, wie so ein Strukturierungsprozess realistisch durchzusetzen wäre. Wesentliche Voraussetzungen wären zum einen der politische Wille, welcher sich in Bebauungsplänen ausdrücken müsste, sowie zum anderen die Bereitschaft des Investors, im Sinne der Nachhaltigkeit den Mehraufwand der Parzellierung auf sich zu nehmen.

Arch. DI Johannes Fiedler
Offene Vorlesung – architecture development
Zu den Rahmenbedingungen urbaner Architekturproduktion

WANN: 09.05.2011, 09.15 – 12.00 Uhr
WO: TU Graz, HS II, Rechbauerstraße 12

VORTRÄGE:
Architektur als Entwicklungsimpuls:
- Martin Lesjak (Innocad): Golden Nugget, Rose am Lend
- Wolfgang Köck (Pentaplan): Lendplatz Urban
- Markus Pernthaler: Rondo

Städtebau als Generator von Vielfalt:
Der Fall Graz – Reininghaus

Die Veranstaltung ist Teil der Vorlesungsreihe „Wohnen im Kontext“ des Instituts für Wohnbau der TU Graz.

Verfasser/in:
Martin Brischnik, Bericht
Fabian Wallmüller

... aber auch wenn man auf die Kleinteiligkeit setzt, darf das Große Ganze eine Idee haben, oder? > Ist beim hier gezeigten Masterplan nicht der Fall, stattdessen ist wieder mal die übliche Beliebigkeit vorstädtischer Riegel-Winkel-Bauweise zu besichtigen. Ist das wirklich State of the Art?

Mo. 09/05/2011 10:35 Permalink
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