19/10/2011
19/10/2011

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Podiumsdiskussion (v.li.): Christian Hanus, Brian Cody, Moderator Werner Ranacher (ORF), Theodor Zillner, Siegfried Kristan

Architekt Stefan Forster zum Thema „Wenn Architekten träumen ..."

Blick in den gut gefüllten Minoritensaal. Alle Fotos: Josef Schiffer

Die Gleisdorfer AEE INTEC – Institut für nachhaltige Technologien veranstaltete Ende September im Grazer Minoritensaal die 4. internationale Konferenz "ökosan’11" – davor hatte sie in den Jahren 2005, 2007 und 2009 in Weiz stattgefunden. Im Blickpunkt der Teilnehmer aus 14 Nationen stand diesmal die hochwertige energetische Sanierung von großvolumigen Gebäuden hin zum Plus-Energiegebäude. Während des dreitägigen Kongresses wurden Themenfelder zur innovativen Sanierung des Gebäudebestandes mit VertreterInnen aus Politik, Wirtschaft und Forschung diskutiert. Das erklärte Ziel der Veranstalter ist es, die Verbreitung von Know-how aus aktuellen Projektergebnissen, u.a. des österreichischen Programms „Haus der Zukunft Plus“, zu fördern. Der Fokus lag zum Einen auf der Präsentation der europaweiten Aktivitäten und sollte zum Anderen dem Ausbau der Technologieführerschaft dienen, betonte Karl Höfler von AEE INTEC als Gastgeber der Konferenz.

Aus dem reichhaltigen Spektrum der Beiträge im Rahmen der Fachtagung zur energetischen Sanierung können nur einige Highlights herausgegriffen werden, um einen Eindruck von der Vielzahl der Projekte auf diesem Gebiet zu geben. Als Eröffnungsredner berichtete Architekt Stefan Forstner (Frankfurt) „Wenn Architekten träumen dürfen“ über die Revitalisierung von Ex-DDR-Plattenbauten in Halle/Saale zu architektonischen Schmuckkästchen, die mit Begrünung und Barrierefreiheit zeitgemäße Wohnqualität bieten, und das für verschiedenste Familiensituationen in einer Palette von 18 Wohnungsschnitten in allen Größen von S bis XL.

Die anschließende Podiumsdiskussion mit Brian Cody (TU Graz), Christian Hanus (Donau Universität Krems), Theodor Zillner (BMVIT) und Siegfried Kristan (Wohnbauförderung Steiermark) wurde über die Möglichkeiten intelligenter Konzepte für Sanierungen geführt. Cody forderte einen Masterplan für eine „Stadt der Zukunft“ ein, während Hanus auf die schlechte Effizienz der angeblich so soliden Gründerzeitbauten hinwies. Das Hauptproblem sieht er allerdings in der dramatisch ansteigenden Zersiedlung durch den anhaltenden Trend zum Eigenheim. Auch sei neben dem damit verbundenen Pendlerverkehr die Vollheizung der Häuser rund um die Uhr, während die Hausbewohner den Großteil ihrer Zeit in Arbeits- und Ausbildungsstätten verbringen, eine schwere ökologische Hypothek.

Zillner verwies neben der Wichtigkeit der Betrachtung der energetischen Gesamtbilanz eines Gebäudes (Ökobilanz der Materialien bzw. der Entsorgung/Recycling) darauf hin, dass sich eine Passivhaussanierung vielfach v.a. angesichts der wirtschaftlichen Situation einfach nicht rechne. Hier müsse man alternative Wege finden. Für eine flexible Reaktion auf den Wohnbedarf sprach sich Kristan aus: Während der Bedarf in den Zuzugsgebieten wie Graz eine Aufstockung der Wohneinheiten erfordere, sei man gezwungen, die Situation in anderen Regionen, etwa der Obersteiermark, bezüglich der Förderung von Objekten eher restriktiv zu handhaben. Einigkeit bestand darin, dass eine unverzichtbare Voraussetzung für eine hochwertige Planung und Umsetzung in der gesamtheitlichen Sicht ganzer Stadtteile besteht und jede Standardsanierung, die aus Fördergründen nach Schema F durchgeführt wird, eine vergebene Chance für die nächsten 30 Jahre darstellt.

In den Vorträgen wurden u.a Rahmenbedingungen für die ökologisch hochwertige Sanierung vorgestellt und diskutiert. Einen wesentlichen Schwerpunkt bildeten Referate und Diskussionen über Möglichkeiten der Sanierung von Altbeständen zum Plus-Energiegebäude. Gebäude und deren Hüllen können sich mit Hilfe von technischen Innovationen vom Energieverbraucher zum Energieerzeuger wandeln. Solche zukunftsträchtige Lösungen sind jedoch meistens nur in einem Gebäudeverband bzw. Stadtteil wirtschaftlich umsetzbar. Vorbilder sind hier Projekte wie MILPARENA, einem Netzwerk von Pilotprojekten zur Wohnhaussanierung, das von Jan-Olof Dalenbäck (Gothenborg) präsentiert wurde.

Die Gesamtbetrachtung von Gebäudekomplexen und -verbänden, über das Einzelgebäude hinaus, ist seiner Ansicht nach die zentrale Herausforderung für energieoptimiertes Sanieren in der Zukunft, um die ehrgeizigen energetischen Ziele in den kommenden Jahrzehnten zu erreichen. Über die schwierige Entscheidung, ob der Abriss die sinnvollere Alternative zur Sanierung ist, berichtete Sara Horváth (Budapest). Das zentrale Problem ist hier, dass Investoren ebenso wie politische Entscheidungsträger lediglich in Zeiträumen von zehn bis maximal fünfzehn Jahren denken. Andreas Müller (TU Wien) warf die Frage auf, ob die vorzeitige Sanierung von Gebäuden angesichts ständiger technologischer Verbesserungen klug sei, denn die Sanierung nach minderwertigen Standards verschwende einen begrenzt vorhandenen Gebäudebestand. Darum sei in jedem Fall zuerst die Qualität der Sanierung zu forcieren und erst dann eine Anhebung der Sanierungsrate anzustreben.

Mit den massiven Herausforderungen der Sanierung von historisch wertvollen Beständen befasste sich u.a. das Vortragspanel des zweiten Nachmittags. Mit einem Angebot von speziellen Fenster- und Fassadenelementen für Gründerzeithäuser (GRUEFF) stieß Arch. Fritz Oettl auf reges Interesse. Mit seinen Prototypen will er die Angebotslücke für gleichermaßen ästhetische wie thermisch hochwertige Lösungen schließen. Die gestalterische Aufwertung historischer Fassaden genießt für Oettl in diesem Projekt neben der Schaffung behaglicher Wohnräume die höchste Priorität. Einem ähnlichen Ziel widmet sich das PLUS Leitprojekt „Gründerzeit mit Zukunft“, das von Walter Hüttler (e7 Energie Amrket Anlayse GmbH). Ein Fünftel der österreichischen Wohnungen wurde vor 1919 errichtet, in Wien beträgt der Anteil sogar ein Drittel. Das Potenzial für energietechnische, aber auch gestalterische Lösungen ist enorm, konstatiert Hüttler. Anhand der Demonstrationsprojekte Wißgrillgasse und „David’s Corner“ in Wien wurde das Spektrum innovativer Konzepte, die zu einem Niedrigstenergiestandard hinführen, aufgezeigt.

Als Anschauungsobjekte in der Steiermark führte eine Exkursion zur BH Weiz, zu einem Amtsgebäude in Bruck/M. sowie zum Franziskanerkloster in Graz. Gerade letzteres Unternehmen, an dessen Abschluss das Nullemissionskloster stehen soll, stieß bei den Tagungsteilnehmern auf enormes Interesse, da die angestrebte Sanierung auf 8 % des Ausgangsstands, der schließlich durch Erneuerbare Energien aufgebracht werden soll, angesichts des alten Gemäuers eine vorbildhafte Leistung darstellt.

ZUR INFORMATION
In zwei Jahren wird "ökosan´13" gemeinsam mit der Technischen Universität Graz, Institut für Materialprüfung und Baustofftechnologie, im Rahmen von "International Sustainable Building Conference´13", vom 26. bis 28. September 2013 in Graz stattfinden.

Verfasser/in:
Joser Schiffer, Bericht
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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