13/05/2014

Alt Jetzt Neu ist das Motto der Architekturtage 2014, die am 16. und 17. Mai österreichweit stattfinden

Nichtwegwerfarchitektur ist Schwerpunktthema in der Steiermark

Trash Boom Bang
Ausstellung
15.05. - 17.05.2014
10:00 - 18:00 Uhr
HDA Graz

13/05/2014

Hummelkaserne Graz, kurz vor dem Abriss. Abriss ist nicht immer die beste oder gar die einzige Alternative.

©: Martin Grabner

Cover der Publikation zum 25-jährigen Bestehen des HDA Graz

©: HDA – Haus der Architektur

Auch vor der Architektur macht die allgegenwärtige Wegwerfgesellschaft nicht halt. Was gestern noch neu war, ist heute oft schon alt. Die Immobilienwirtschaft denkt nur an die nächsten 20 Jahre, die Baustoffindustrie nicht viel weiter. Immer öfter wird aber versucht, den Recyclinggedanken in der Architektur zu etablieren und den Wert von verbauten Ressourcen, leerstehenden Gebäuden oder vermeintlichem Abfall neu zu denken.

Die Eröffnungsveranstaltung der Architekturtage 2014 trägt den Titel
Trash Boom Bang. Am Donnerstag, den 15. Mai um 19:00 Uhr versammeln sich Experten und Interessierte in Graz im Haus der Architektur, um über Nichtwegwerfarchitektur, Möglichkeiten, Hindernisse und die tatsächliche Verwirklichung in der Gesellschaft zu sprechen. (s.a. Terminempfehlung unten)

Ursula Schneider (pos architekten, Wien), Prof. Peter Maydl (Inst. für Materialprüfung und Baustofftechnologie, TU Graz), Rainer Rosegger (SCAN, Graz), Anna Resch und Lisa Enzenhofer (Lendlabor, Graz), Christoph Wiesmayr (Schwemmland, Linz) sowie Gerhard Pichler (zweintopf, Gniebing Oberweißenbach) nehmen in Kurzvorträgen Bezug auf Nachhaltigkeit und Leerstand, Recycling und Upcycling, Kunst, Mode und Alltag in der Architektur. Nach einer Diskussion über den Paletten-Möbel-Hype und Dämmung aus altem Zeitungspapier, Bauschutt-Recycling und den Cradle-to-Cradle-Gedanken können die Gespräche an der Bar weitergeführt werden. Dazu gibt es Musik von DJ XiCurry (Soundküche).
Moderation: Armin Stocker (Vize – Präsident ZV Steiermark, TU-Graz Institut für Architekturtechnologie)

Von Donnerstag bis Samstag begleitet die Ausstellung Trash Boom Bang im Haus der Architektur den Themenschwerpunkt mit kreativen Exponaten und Ideen zwischen Architektur und Design.

Zum Thema Nichtwegwerfarchitektur

Recycling in der Architektur
Wiederverwertung und damit das Rückführen von Materialien in den Stoffkreislauf findet im Bauwesen auf unterschiedlichste Weise statt. So spannt das Spektrum der im Heft vorgeführten Projekte von der Wiederverwendung ganzer Bauteile (z.B. aus Beton) über die Nutzung von Abfallprodukten (z.B. aus Holz) oder Abbruchmaterialien (z.B. aus Stein) bis hin zum völlig unsichtbaren Einsatz von Recyclingmaterialien, wie beispielsweise aus Altglas gefertigte Fassadenpaneele. [Baunetzwoche 47]

Reduce / Reuse / Recycle
steht als erfolgreicher Slogan für die Umwertung von Müll zu Wertstoff: Die 3 Rs bilden die ‚Abfall-Vermeidungshierarchie‘. An erster Stelle steht mit ‚Reduce‘ die Verringerung des Abfallvolumens: die Abfallvermeidung. Danach folgt ‚Reuse‘: die möglichst direkte Weiterverwendung. Erst an dritter Stelle kommt die materielle Umformung durch ‚Recycling‘.
Je geringer die Änderung des Ausgangsprodukts, desto besser ist also der Prozess. Durch die Übertragung dieser Logik auf Architektur erhält man ein mögliches Wertesystem zum Umgang mit Bestandsgebäuden: Je weniger Änderungen gemacht werden, und je weniger Energie aufgewendet wird, umso effektiver ist die Umbau-Strategie. [Deutscher Pavillon, 13. Architektur-Biennale Venedig, 2012]

Was passiert mit den Gebäuden, die nicht mehr gebraucht werden – oder wie es so schön heißt, das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben? Sie werden zu Müll, sogar zu einem ziemlich großen Haufen. Und anders als unser Hausmüll, den wir so pflichtbewusst trennen, kann nur ein Bruchteil der Baustoffe getrennt oder energetisch genutzt, d.h. verbrannt, werden. Der Bausektor trägt satte 60 Prozent zum gesamten Abfallaufkommen bei. Für die viel zitierte „Nachhaltigkeit“ ist es also eine entscheidende Frage, dass Architekten bereits bei der Planung die Wiederverwertung ihrer Gebäude mitdenken. [Baunetzwoche 220]

Cradle to Cradle
Cradle to Cradle kann ins Deutsche mit Von der Wiege in die Wiege übersetzt werden und definiert sich so in Abgrenzung vom industriekapitalistischen Gedanken des Cradle to Grave, also Von der Wiege ins Grab. Dieses neue Denken ersetzt das veraltete Problem eines endgültigen Abfallerzeugnisses in der Produktion, durch ein Denken in natürlichen Produktionskreisläufen. Wie in den Prozessen des Ökosystems werden keine schädlichen Endprodukte erzeugt, sondern es wird immer wieder Neues hervorgebracht. [http://www.cradletocradle.at/]

Upcycling
Nach Jahrzehnten des Downcyclings unserer Abfälle auf in die Unendlichkeit wachsenden Mülldeponien, hat sich das Recycling, also die Wiederverwertbarkeit von Teilen unseres Mülls, langsam in unseren Köpfen als unausweichliche Notwendigkeit festgesetzt. Aber wollen wir wirklich einfach nur weniger schlecht sein oder streben wir danach wirklich gut zu werden? Upcycling entscheidet sich für Letzteres und führt vermeintlichen Abfall in neue wertvolle Nährstoffe über: Abfall = Nahrung. [http://www.cradletocradle.at/]

Verbrauchsgüter und Gebrauchsgüter
Cradle to Cradle-Begründer Michael Braungart teilt alle industriellen Produkte in zwei Klassen: Es gibt Verbrauchsgüter wie Naturfasern, Verpackungsmaterialien, Kosmetikartikel und Gummibeläge, die sich zersetzen oder verschleißen – ihre Reststoffe sollen umweltverträglich in biologische Zyklen rückführbar sein. Gebrauchsgüter hingegen verlieren mit der Zeit nicht ihre Form, wohl aber ihre Funktion. Sie müssen so entwickelt werden, dass ihre Bestandteile nach Gebrauch als technische Nährstoffe zur Gänze recycled werden können. Derartige Produkte bleiben von vornherein im Eigentum der Hersteller. Das sogenannte Service-Konzeptmodell sieht vor, dass der Händler dem Konsumenten nur die Nutzung eines Produkts gegen ein entsprechendes Entgelt zu Verfügung stellt und es zu einem vereinbarten Zeitpunkt wieder zurücknimmt. So wird der Konsument nicht nur aus der Verantwortung genommen, wenn es um die fachgerechte Entsorgung bzw. Wiederverwertung geht, auch Wartung, Reparatur und Service bekommen einen neuen Stellenwert. Das Verhältnis zwischen Produzent, Händler und Endabnehmer verändert sich. Aus einer einmaligen Kaufhandlung wird eine womöglich über viele Jahre hinweg andauernde Dienstleistungsbeziehung. [http://www.cradletocradle.at/]
Rainer Rosegger beschäftigt sich seit mehreren Jahren intensiv mit der Idee Cradle to Cradle, als Soziologe fokussiert er dabei auf verstärkt auf die sozialen und gesellschaftlichen Aspekte von Cradle to Cradle-Design.
Ursula Schneider realisierte mit ihrem Büro pos architekten mehrere Bauten, die Cradle to Cradle implementieren. Aktuell unter anderem den gugler* Green Media Campus und einen Wohnbau für die Baugruppe JAspern in der Seestadt Aspern.

Baustofftechnologie
Peter Maydl ist Professor am Institut für Materialprüfung und Baustofftechnologie an der TU Graz mit dem Forschungsschwerpunkt Nachhaltiges Bauen. Unter anderem beschäftigt er sich mit seinem Team mit der ökologischen Bewertung von Baustoffen, Indikatoren zu Beschreibung ökologischer Nachhaltigkeit, Lebenszyklusanalysen und der Recyclingfähigkeit von Baustoffen. Schwerpunkte der letzten Jahre sind die Nachhaltigkeit von Beton, Nachhaltigkeit in der Bauwerkssanierung sowie Lifecycle-Design.

Leerstand
Die Grazer Architektinnen Lendlabor haben sich der Erforschung und Wiederbefüllung von Leerstand verschrieben, der in Österreichs Städten viel größere Flächen betrifft, als auf den ersten Blick ersichtlich. Denn vor der Wiederverwendung von schon verwendeten Baustoffen und Abbruchmaterial kommt die Weiterverwendung von Gebäudebestand und mit der Verlängerung des Lebeszykluses von Bauten die signifikante Verbesserung deren Gesamtökobilanz.

Künstlerische Auseinandersetzung mit Re-/Upcycling in der Architektur
Das Grazer Künstler-Duo zweintopf, das in mehreren Arbeiten den verantwortungslosen und -vollen Umgang mit Ressourcen thematisiert, beleuchtet anhand der eigenen Arbeit und der Arbeit anderer Künstler die Thematik aus einer kritischen künstlerischen Perspektive.
Auch Christoph Wiesmayr erforscht neben der Tätigkeit als Architekt vor allem in Kunstprojekten das Re- und Upcycling, auch und besonders im architektonischen Kontext.

Terminempfehlungen

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