29/09/2015

Nach der Baustelle ist vor der Baustelle

A Tempo war vom 1. Juni – 30. September der Beitrag GATs zum Architektursommer 2015.

A Tempo spielte im öffentlichen Raum assoziativ mit Bildern und Begriffen zur Architektur.

Wer dabei neugierig geworden war, begegnete auf GAT neben Aktuellem auch den besten Texten aus mehr als einer Dekade.

A Tempo wird bleiben und weiterhin kritische Geister aus der Flasche lassen.

Bleiben Sie dran!

29/09/2015

Hinter dem Bauzaun

©: Emil Gruber

Die aufgeschlitzten Straßen sind vernäht. Nur mehr kosmetische Arbeiten sind hier und dort noch zu sehen. Das Verkehrsschild mit dem Knick stapelt sich wieder in der Straßenmeisterei. Der Sommer ist vorbei.
Rückblickend gleichbleibende Erkenntnis beim fallweise Selbstversuch im Stadtautofahren: Verengung und Reißverschluss fanden auch heuer in Graz nicht zu Rhythmus und Nachgiebigkeit.
Auf der Straße bleiben kleine Häufchen im großen Sandkasten der Bauwirtschaft über.
Keplerbrücke ist vorübergehend halbseitig gelähmt. Am Südgürtel komponiert für den Rest des Jahres das Straßenbauamt. Der Grabentunnel wird nächtlich verkehrsfrei überholt.
Es herrschen jetzt andere Prioritäten.
Der Herbst ist der zweite Frühling für den Wohnbau. Arbeiter – jetzt tragen sie wieder Hemden – wuseln auf Gerüsten. Was vor dem Winter noch geschlossen, bedacht oder überhaupt fertiggestellt werden kann, was im Zeitplan korrekt fließt, löst die Spannung bei denen, die mit den Banken tanzen.
Die Herren der Bauten können nun nächste Besuche machen, Notwendigkeiten, Bedeutsamkeiten und Perspektiven bei denen präsentieren, die später die Schranken aufheben, uns allen die Anpassungsfähigkeiten von Räumen erklären und die Argumente dafür, das alles immer neu bleiben muss, verdichten werden.
Um die Ecke beißen Bagger gerade neue Löcher in die Erde. Beton fließt in Fundamente und Zwischenräume erster, zarter Wände. Gerüste wuchern hoch, Kräne knarzen, Fassadenteile tanzen um ihre Haken, Geruch von warmem Stahl drückt sich aus den Lichtbögen der Verschweißer. 
Dort drüben streicheln Investoren zärtlich eine wieder entdeckte Brache, weiter oben am Hang malen sie Kreuze auf alte Herrenhäuser.
Auch im neuen Jahr werden am Markplatz der kreativen Stadt wieder Visionen gehandelt werden.
Die Reininghausgründe werden demnächst für das große Ganze bereinigt.
Üppige Rohbauten befüllen einstige Gewerbeflächen der Waagner-Biro-Straße.
Der Wilde Mann wird gerade gezähmt.
Im Pfauengarten wurde das erste Rad geschlagen, die dunkle Seite des Karmeliterplatzes lauert auf ihre Bestimmung.
Das Bauen in der Stadt ist in seinem Arbeitstakt aus Wunsch und Wahn, Bewegung und Stillstand, Euphorie und Agonie.
 
A Tempo - die Mobile Baustelle ruht derzeit. In vierundzwanzig Clips hat sie die Architektur als bunten Hund gezeigt.
Architektur markiert das Revier, wenn sie sich für ihren Phänotyp entschieden hat. Sie kann brav Männchen machen, das Stöckchen holen, sie kann ein Streuner sein. Sie kann beißen, bellen, heulen. Sie kann einen Maulkorb tragen. Sie kann bei Fuß gehen. Sie kann an der Leine zerren. Sie kann spielen. Sie kann frei sein. Sie kann an „Ich-darf-hier-nicht-rein“-Schilder das Bein heben.
Nicht jede Wiese ist für bunte Hunde gedacht.

A Tempo hat die Architektur mit Denkgut aus dem gat-Archiv der letzten zwölf Jahre gestreichelt, getrimmt, gegen den Strich gebürstet. Die Inhalte hatten nichts an Aktualität verloren. Eine kleine Auswahl der Berichte, Essays, Kommentare, Rezensionen, Glossen konnte beim ersten Architekturspaziergang von A Tempo ins lesbar Freie gelangen. Andere schlaue Inhalte warten noch, wieder losgelassen zu werden.

A Tempo
wird bleiben. A Tempo wird weiter Musik machen, Bauten tanzen lassen, kritische Geister aus der Flasche lassen.

Stadt funktioniert, wenn ihre Bewohner wach bleiben und wissen wollen.
Stadt funktioniert, wenn Architektur am Boden bleibt. Stadt funktioniert, wenn der Abstand zwischen Mensch und Macht so gering wie möglich ist.

Auf Deutsch, my dear Public Private Partnerships, Real Estate Investors, Gated Community Proponents: Die Quadratur gehört nicht dem Kreis allein.

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