Maria Lassnig, Kleines Sciencefiction-Selbstporträt, 1995

©: UMJ / N. Lackner

Maria Lassnig, Dreifaches Selbstporträt 1972, Öl auf Leinwand
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©: Maria Lassnig

Maria Lassnig, Harte und weiche Maschine, 1988

©: Maria Lassnig

Maria Lassnig, Selbstporträt mit Stab, 1971 (Foto und weitere UMJ / N. Lackner)

©: Maria Lassnig

Maria Lassnig, Körperteilung, 1960

©: Maria Lassnig

Maria Lassnig, Selbstporträt expressiv, 1945

©: Maria Lassnig

Unter dem Titel Der Ort der Bilder zeigt die Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum eine Schau des Œuvres der 93jährigen Maria Lassnig. Gemeinsam mit der Künstlerin traf Günther Holler-Schuster diese Auswahl ausschließlich aus den privaten Beständen Lassnigs. Die chronologisch aufgebaute Ausstellung führt von 1945 bis zu jüngsten, 2011 entstandenen Werken und beleuchtet damit alle Schaffensperioden einer der bedeutendsten Künstlerinnen Österreichs.

„Ich bin ein Realist, der mit dem Realismus nicht zufrieden ist“, ist als Zitat Maria Lassnigs an einer Wand der Ausstellungsräume in der Neuen Galerie zu lesen. Aus einem, dem Pressematerial dieser Ausstellung beigelegten Maria Lassnig ABC kann um eine weitere Aussage, Form wie inhaltliche Fragen betreffend, ergänzt werden: „Was als Deformierung der Realität erscheint ist keine, weil Realität auf einer anderen Ebene, der Gefühlsebene stattfindet.“

Den menschlichen respektive ihren eigenen Körper begreift Maria Lassnig seit Beginn ihrer künstlerischen Arbeit als Medium, das Bilder generiert. Wahrgenommene äußere Bilder werden überlagert und verändert durch solche aus Vorstellung und Erinnerung, um schließlich, transformiert, als Bilder neuer Realität mittels Kunstwerk entäußert zu werden. Aufgrund dieser Haltung müsste der Begriff der Abstraktion über weite Bereiche im Werk von Maria Lassnig relativiert erscheinen. Was für den Betrachter wie Abstraktion von Körperformen oder Bildkonstellationen - entsprechend übereingekommener Wahrnehmung vergleichbarer Motive der Wirklichkeit - erscheinen mag, ist für die Künstlerin Bild ihrer subjektiven Konstruktion und Form ihrer ureigenen Wirklichkeit.
In den zeitlich geordneten Blöcken der Ausstellung sind frühe Bilder von Körperkonstellationen zu sehen, die tatsächlich aus der Selbstbetrachtung entstanden sind. Ohne Vorwissen währen diese nur zu einfach einer informellen Tendenz der späten 1950er und 60er Jahre zuzuordnen. Lassnigs damaliges Künstlerumfeld bedenkend, ist der Einfluss zwar nicht ganz von der Hand zu weisen, allerdings entstanden aus der Methode, den eigenen Körper ohne weitere Hilfsmittel zu sehen (sie malte beispielsweise liegend vor oder sitzend auf der Leinwand, der eigene Kopf kann nicht gesehen werden), Selbstbilder wie Große Knödelfiguration (1960), ein Titel, der, wie viele andere, nach Fertigstellung gefunden wurde.

Während des Studiums an der Akademie der bildenden Künste in Wien (1941–1943) wertete Professor Wilhelm Dachauer Maria Lassnigs Malerei als „entartet“, daraufhin wechselte sie zu Ferdinand Andri und Herbert Boeckl. In dieser Zeit entwickelte sie ihr „subjektives Farbsehen“. 1945 kehrt Lassnig zurück nach Klagenfurt, wo ihr Atelier zu einem Treffpunkt von Künstlern und Schriftstellern wird, unter ihnen Anton Kolig und Franz Wiegele vom Nötscher Kreis.
Ein Selbstporträt expressiv (1945) zeigt Einflüsse des Kärntner Kolorismus, ist allerdings schon in den bis heute verwendeten, für Lassnig typischen Farben angelegt. Dagegen zeugen die in der Ausstellung folgenden Arbeiten von einer bisher kaum beachteten Phase der Auseinandersetzung mit dem Abstrakten Expressionismus: Schwarzer Kopf (1955), vor allem aber die pastose Ölmalerei in Zwei Formen übereinander/Schwarze Fächenteilung (1952) und Ungeteilte Form (1952/53) lassen an Ellsworth Kellys Hard-Edge-Malerei denken und sind diesem wie dem österreichischen Kunstverständnis eigentlich zeitlich voraus. Es folgen polychrome gestische Informels zwischen 1959 bis 1960.

Narrative Konstellationen und Körpermotive sind in einem großen Block von Aquarellen der 1970er Jahre versammelt, wobei der fragmentierte Körper immer größere Bedeutung erhält: Ein Film, Iris (1971), zeigt über Spiegel verzerrte, segmentierte Körperbilder der Medienkünstlerin Maria Lassnig.
Methoden des Surrealismus (automatisches Zeichnen) wurden hinsichtlich der Selbsterfahrung immer wieder eingesetzt und fließen auch formal in unwirklich erscheinende Wirklichkeiten der Künstlerin ein. Ebenfalls von 1971 stammt ein Selbstporträt mit Stab: Lassnig, auf einem Sessel sitzend hält einen vor ihrer Brust nicht weiter ausgeführten, unter-, nicht zerbrochenen Stab in Händen. Als Bild im Bild hinter ihr die Zeichnung des Kopfes ihrer Mutter, die ihr scheinbar, die nun wieder in Öl ausgeführten Hände auf die Schulter legt.
Die medial transformierte Wahrnehmung von Wirklichkeit wird in Bildern bearbeitet, die Körper und Medium (eine Art Cyberbrillen, Monitore) ineinander übergehen und die Figur Lassnigs wie Hybride erscheinen lassen. Ähnlich Bilder wie Hohe Sitzende (1964), in denen der Körper nun schon dem verwendeten Objekt gleichkommt. In den 1990ern werden Körperfunktionen über die verantwortlichen Organe assembliert bzw. "anagrammatisch" (Peter Weibel) zusammengestellt - Auge und Kiefer werden zu Wesen.

Neben einigen großformatigen Werken, die noch im Vorjahr entstanden sind, schließt die Ausstellung mit einem sieben Meter breiten Großformat aus dem Jahr 2007: Nasenflucht in die Wasenschlucht - lyrisch in Sprache und Bild.

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