29/06/2013

Ausstellung RECALL mit Werken von Joachim Baur ist bis zum 25. Oktober 2013 in der KulturPension Landhaus Feuerlöscher, Übelbacherstraße 161, 8121 Deutschfeistritz (Prenning) zu sehen.
Informationen _ Tel. 0664 411 36 68

29/06/2013

Joachim Baur und der Lungot-Garten, 2013 (1992)

©: Joachim Baur

O.T. (Widmung während RECALL)

©: Wenzel Mraček

Goldküche

©: Wenzel Mraček

O.T. (Bankhaus Krentschker, 1989)

©: Wenzel Mraček

Sicheldorfer Heilwasser

©: Wenzel Mraček

Bambo Sane und Teranga

©: Wenzel Mraček

RECALL – Eine Werkschau von Joachim Baur im Landhaus Feuerlöscher

Am Fuß einer Reihe von Bohnenstangen sprießen junge Pflänzchen. Den Lungot-Garten von 1992 hat Joachim Baur neben dem Landhaus Feuerlöscher anlässlich seiner Personale rekonstruiert. Das alte französische Wort Lungot bezeichnet sowohl die Bohne als auch den Goldklumpen oder Nugget. Joachim Baur hat mit Blattgold belegte Bohnen gesetzt, die Bohnenstangen sind mit Phosphor-Farbe gestrichen und leuchten nachts. Eine ironische Komposition mit Versatzstücken alchimistischen Verfahrens, das in Übertragung auch heute für die vielfach rücksichtslos betriebenen Unterfangen steht, aus unedlem Stoff Verwertbares und Wert zu generieren. Phosphor entstand in den Goldküchen der frühen Betrüger und Chemiker als Nebenprodukt aus dem Verkochen von Pferde-Urin. Gold, sofern es sich zeigte, war, wie im Lungot-Garten, jedenfalls kein Produkt einer Transmutation.

Erinnerungen und Erzählungen, die den künstlerischen Arbeiten Joachim Baurs zugrunde liegen, gibt es zuhauf. Zu viele, um sie in einem kurzen Artikel adäquat den Arbeiten des Künstlers auszubreiten. Der Verein Prenninger Gespräche bietet dagegen mit der Ausstellung RECALL weit umfassendere Einblicke in das Werk des Künstlers, der vor allem dafür bekannt ist, die Kunst anderer zu fördern und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wie seit 1987 mit der Werkstadt Graz und seit dem Vorjahr mit dem Zollamt in Radkersburg.

1977, erzählt Joachim Baur von dem für ihn entscheidenden Schritt zur Kunst, habe ihn eine Fotografie „komplett aus der Bahn geworfen“. Der ausgebildete Goldschmied sah ein Bild mit „Haufen von Goldbrillen, Goldringen und Goldzähnen, die von den nationalsozialistischen Mördern in den Konzentrationslagern den Gefangenen weggenommen oder nach deren Ermordung aus den Körpern gerissen wurden“. Der Gedanke, „dass mit jedem Stück Gold auch ein Bruchteil dieses Verbrechens in Umlauf ist“, führte zu dem Entschluss, sich fortan „mit dem Material Gold auf eine andere Art zu befassen“. In mehreren Aktionen und auf formal verschiedene Weisen gibt der Künstler seither „Gold an die Erde zurück“, wovon in großen Teilen und oft dokumentarischen Exponaten die Ausstellung handelt. Das Gold der Lungot-Bohnen bleibt in der Erde des Hauses Feuerlöscher. Damit wurde bewusst auch ein Ort gewählt, an dem sich während der Zwischenkriegszeit widerständige KünstlerInnen und Intellektuelle trafen wie Anna, Lilli und Herbert Feuerlöscher, Axl Leskoschek, Walter Ritter, Kurt Neumann und der 1943 von den Nazis ermordete Herbert Eichholzer.

Die Küche des Hauses wurde zur Goldküche gegenwärtiger Alchimisten umgestaltet. Der Reiz allein des Wortes und die Wert simulierenden Konnotationen führen, wie die Installation einer Sammlung diverser Lebensmittel und vor allem ihrer Verpackungen zeigt, in die Strategien von Werbeunternehmen, die Markenprodukte mit der Aura von Aurum erfolgreich vermarkten. „Au“ steht in diesem Sinn auf einer Merktafel für weitere Einkäufe geschrieben. Im Obergeschoss dann etliche Fotografien von Unwiederbringlichkeiten, Goldener Baum zum Beispiel: 1985 hatte Joachim Baur während des steirischen herbst den Stamm eines Baumes in der Nähe von Kindberg mit Blattgold im Wert von damals 60.000 Schilling belegt. Der Waldbesitzer zeigte sich einigermaßen konsterniert – um solches Geld wäre ein Traktor zu erstehen. Vor einigen Jahren machte sich Baur auf die Suche nach jenem Baum und traf auch den Waldbesitzer wieder. Der allerdings mochte sich an das Kunstwerk nicht mehr erinnern. Ein Handstaubsauger mit transparenter Staubkammer enthält Goldstaub. Während einer Aktion im Jahr 1989 saugte Baur mit diesem Haushaltsgerät ein zuvor mit Blattgold verklebtes Fassadenfenster vom Bankhaus Krentschker in Graz frei. In einer Vitrine ein Schmuckstück, ein Kollier, das wirklich wie ein Kranz Braunschweiger Wurst aussieht. Dazu erzählt Baur, dass seine Mutter in den 1930er Jahren, während eines Gewerbeumzuges am 1. Mai, von einem der Umzugswagen solche Würste an die Schaulustigen verteilte. Wie in dieser Zeit auch bei anderen Lebensmitteln üblich, waren die Würste zum überwiegenden Teil mit Sägemehl gefüllt. So auch das Kollier.

„In zahlreichen meiner Arbeiten beschäftige ich mich mit dem inneren Zusammenhalt von Tiefen und Oberflächlichkeiten“, erklärt Joachim Baur sein Prinzip einer in ihren Ergebnissen durchwegs als Konzeptkunst zu bezeichnenden, recherchebasierten Arbeitsweise. Man muss sich angesichts dieser Ausstellung gewahr sein, dass das zur Schau gestellte meist Verweisfunktion auf Recherche um und Auseinandersetzung mit sozialen, ökonomischen oder ökologischen Themen hat. Umso mehr bestätigen solche Arbeiten allerdings Hans Beltings Thesen um das „unsichtbare Meisterwerk“ und den überwiegend narrativen und verweisenden Charakter konzeptueller Kunst.
In diesem Sinn auch das neueste „Werk“, entstanden aus der räumlichen und geistigen Nähe zum Zollamt (vormals Zollamt am Grenzübergang) in Bad Radkersburg. Im nahe gelegenen Ort Sicheldorf steht eine Kapelle mit Abbildungen der Heiligen Kyrill und Method, die sich, wie es heißt, um die Verschriftlichung der slawischen Sprachen verdient gemacht haben. Im Grenzort zu Slowenien fließt auch eine Heilquelle, deren Jodgehalt Wachstum, Fruchtbarkeit, Knochenbildung und Gehirnentwicklung befördert. Letzteres vor allem der Grund, weshalb Joachim Baur eine Sonderabfüllung des Sicheldorfer Heilwassers vornahm und für die Etiketten Bazon Brock um einen erhellenden Text bat. In kyrillischer Schrift und lateinischer Umschrift also ist auf den grünen Flaschen zu lesen: HEILWASSER IM LEIB SCHAFFT HARMONIE ZWISCHEN ORTHOPÄDIE UND ORTHOGRAFIE FÜR ORTHODOXIE GEGEN FUNDEMENTALISMUS. - Davon mehr im Landhaus Feuerlöscher in Prenning.

In einer Performance unter dem Titel Return wird Joachim Baur am 24. August, um 19.00 Uhr, Gold der Erde zurückgeben. Am 28. September, um 17.00 Uhr, findet ein Küchengespräch, unter anderem zu Baurs Goldküche, mit Günter Eisenhut und dem Künstler statt; es wird gekocht und ab 18.00 Uhr gibt es zu essen. Während der laufenden Ausstellung kocht Bambo Sane, jeweils an den Wochenenden, in seinem Plein-air-Restaurant Teranga.

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