26/03/2013

Das neue Stadthaus
Forschungsprojekt der Projektgemeinschaft
raith nonconform architektur vor ort:
Erich Raith, Roland Gruber,
Peter Nageler, Caren Ohrhallinger

Über die Autorin:
ASTRID RADNER (*1990) studierte Deutsche Philologie an der Philologisch- Kulturwissenschatlichen Fakultät und Kommunikationswissenschaft an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Wien. Neben ihrer Arbeit beim Radio kann Sie außerdem auf Veröffentlichungen in der Wochenzeitschrift "Profil" und der Zeitschrift "energie-bau" verweisen.

26/03/2013

Das neue Stadthaus, funktionsoffen; Schaubild

©: raith nonconform architektur vor ort
©: raith nonconform architektur vor ort

Das neue Stadthaus, Variante; Schaubild

©: raith nonconform architektur vor ort

Funktionsmischung im neuen Stadthaus; Systemschnitt

©: raith nonconform architektur vor ort

Die Projektgemeinschaft raith nonconform architektur vor ort präsentiert einen neuen Leittypus für das Stadthaus der Zukunft.

Von der Singlewohnung über die Kleinfamilie zum Patchworkhaushalt. Und wieder zurück. Oder doch gleich im Home Office bleiben? Alles ist möglich! Denn unsere Gesellschaft ist offen und dynamisch. Weniger flexibel sind jedoch die Gebäude, die in den letzten Jahren in unseren Städten aus dem Boden gestampft wurden. Derzeitiger Trend ist es, passend für jeden Bereich des Lebens eine bauliche Einheit zu errichten: Großbausiedlungen zum Wohnen, Bürogebäude zum Arbeiten, ein Einkaufszentrum zum Shoppen und ein Freizeitpark zum Entspannen. Mit städtischer Komplexität und durchmischter Urbanität hat das wenig zu tun. „Alles, was wir heute bauen, ist in Bezug auf die nächste Generation falsch.“, meint Erich Raith, Universitätsprofessor an der TU Wien. Die Technische Universität Wien und das Architekturbüro nonconform architektur vor ort haben in einer zweijährigen Studie eine Lösung aus dem Dilemma zwischen dynamischer Lebens- und starrer Baustruktur präsentiert: Das neue Stadthaus. Gefördert wird das Projekt mit circa 250 000 Euro von der ZIT, der Technologieagentur der Stadt Wien.

Das Gründerzeithaus als Vorbild
Dynamisch und verschieden einsetzbare Lebensorganisation statt monofunktionalen und vorbestimmten Räumen. So soll der neue Bautypus von raith nonconform architektur vor ort aussehen. Dabei orientiert sich das neue Stadthaus an einem altbewährten Bekannten: dem Gründerzeithaus. Denn die Grundrisse von klassischen Altbauwohnungen können auch noch heute, nach 150 Jahren, flexibel genutzt werden: als Kindergarten, Studentenwohnung, Kunstgalerie oder Bürozentrale. Genau das soll durch das neue Stadthaus auch in Zukunft weiterhin möglich sein. Denn die Gesellschaft wandelt sich rasch, in welche Richtung, ist oft unvorhersehbar. Menschen sollten sich deswegen über mehrere Generationen hinweg immer wieder neu einrichten können. Der Studie zufolge dafür notwendig: flexible Räume. Dafür nicht mehr länger notwendig: ständiger Abriss und Neubau und enorme Ressourcenverschwendung.

Strukturelle Offenheit ist somit das A und O des neuen Stadthauses. Der Projektgemeinschaft sind dabei vor allem große, hohe und offene Räume wichtig. Bereits beim Hineingehen soll man sich wohl fühlen: durch einen großzügigen Eingang und ein gut belichtetes Stiegenhaus. "Das Erdgeschoß darf nicht nur Müll- und Abstellräume enthalten, es braucht Funktionen, die eine Beziehung zum öffentlichen Raum, zum Straßenraum haben können. Nur so kann lebendige Stadt entstehen." sagt Caren Ohrhallinger von nonconform. Die Raumhöhe soll mit 3 Metern höher sein als in klassischen Neubauwohnungen, wobei der Sockelbereich im Erdgeschoß mit 4,8 Metern vorgesehen ist. Die Räume selbst sind nur durch einzelne Schächte beschränkt und lassen Möglichkeiten zur Mitgestaltung durch den Nutzer.

Außerdem soll das neue Stadthaus als Passivhaus umgesetzt werden und eine einfache Haustechnik ermöglichen. Die Grundstruktur des Gebäudes ist in Fertigteilbauweise geplant, die Fassade in Systembauweise. Dadurch werden Kosten reduziert, weil die Teile industriell gefertigt werden, andererseits kann dadurch die Flexibilität des Raumkonzepts gewährleistet werden.

Letztlich ein Neubau
Trotz aller Bemühungen ein nachhaltiges Gebäude zu entwerfen, ist das neue Stadthaus aber wiederum ein Neubau. Sollte man nicht gerade im Sinne der Nachhaltigkeit den Bestand entsprechend sanieren und nutzen? „Dort, wo Gründerhäuser noch genutzt werden können, muss man auch nicht neu bauen. Es geht darum, einen Neubau zu entwickeln, der dann, wenn der Altbestand nicht mehr zu erhalten ist, dessen Rolle im Stadtsystem perfekt übernehmen und darüber hinaus weitere zukunftsweisende Qualitäten herstellen kann.“ erläutert Erich Raith.

Prototyp im 10. Bezirk von Wien
Das Konzept wird 2013 mit einem Prototypen im 10. Wiener Gemeindebezirk in der Jagdgasse/ Ecke Buchengasse realisiert. Der Bau kostet bei 4000 Quadratmetern Bruttogeschoßfläche 1450 Euro pro Quadratmeter. „Wenn wir dort hinkommen, sind wir glücklich.“ wirft Ferdinand Lechner von der ifa, Institut für Anlageberatung, die den Bau durchführt, ein. „Architektur muss leistbar sein.“, sagt Lechner, „dennoch wollen wir bei der Qualität nicht einsparen. Am Ende bringt ein derartiger Bau Vorteile für Nutzer und Investor: der Nutzer kann den Raum an seine Bedürfnisse anpassen und für den Investor gibt es durch längere Mietdauer weniger Leerbestände.“ Ob das neue Stadthaus in 150 Jahren tatsächlich denselben Ruf haben wird wie das Gründerzeithaus? Weitere Projekte sind jedenfalls bereits in Planung.

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