24/09/2019

herbststimmung

Eine Standortbeschreibung

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Emil Gruber zur Eröffnung des Festivals steirischen herbst '19

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24/09/2019

1_ Das dem heurigen steirischen herbst titelgebende „Grand Hotel Abgrund“ in der Ausstellung The Life and Adventures of GL

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"Vergangenheit hält mich in ihrem Bann,
Vergangenheit hat mir’s angetan;
Den Blick in den Herbst, den hab ich frei,
Den Blick in den Herbst. Aber der Mai?"
Theodor Fontane

Eine Standortbeschreibung

Wir machen immer alles richtig. Wir stehen auf derselben Seite. Wo wir auftreten, ist Stelle. Wir haben eine Meinung. Wir meinen es nur gut. Wir können alles. Wenn wir nur wüssten, wohin das führt. Wir sind präzise im Zuschauen. Das können wir blind. In unseren Revieren lernt jede(r), die Augäpfel wegzurollen. Wenn es nicht passt. Dafür kann die Zunge sich gehen lassen. Beim kleinen Hinschau-Hunger für zwischendurch. Sieh-fast-food – Ja eh.

Kunst und Genuss. Extra-vakant an sich – bisher – oder nicht – schon wieder. Das Hotel California für die vatergelandeten Adler. Ein daher-bin-ich-Last Exit am Highway to Heldenplatz.  Es ist wieder Mahl…zeit. Wir sind das Kollektiv. Wir können alles verwerten. Wir sind das Heimspiel. Wir sind die kritische Instanz. Wenn wir dabei sind. Wenn wir nicht dabei sind. Egal, unser reines Gewissen langt wohlgesinnt beim Amuse-Gueule zu. Kleine Kanapees mit zartem Tartar. Etwas mürber Thunfisch? Noch einen sinnlichen Schimmelkäse? Eins, zwei, drei – like, like, like – zack, zack, zack – ins, statt aufs Maul. Was schon tot ist, stirbt nicht mehr aus. Trotzdem, diese Welt muss erst mal verdaut werden. Im Namen des Rosé drängeln wir ins Chambre Séparée, um Körper zu sehen, die wir uns niemals stehen lassen wollen. Wir haben dafür Hirn beim Hinschauen. Wir trinken selbst ungerührt Flair-Trade Espresso zum Weltuntergang. Wir schunkeln im Ballsaal der großen Gesten auf unserem so geliebten, sicheren Vulkan. Gegen das moralische Sodbrennen gibt dir die Garderobe fürs letzte Hemd die Kugel dazu. Thomas Bernhard wird uns teuer und ist so süß am Ende unseres Billigessens.  

Vor der Haustür tanzt der Kongress wieder. In Europa, in Asien, in den Amerikas, in Afrika. Die Boote sind voll, wir sitzen nur nicht in denselben. Fähre-Trades auch hier. Überladen gilt für jeden nicht geladenen Gast. Rein kommt, wer raus darf, Amigos. Befreiungskriege könnten „zu ernsten Betrachtungen und Besorgnissen für die Zukunft“ Anlass geben, meinte der österreichische Kanzler Metternich 1815 beim ersten Tanz. Damals gelang noch ein gemeinsames Waterloo – Robinson und seinen Freunden bleiben zumindest heute ihr Freitag (siehe Donnerstag in Österreich). Die Wacht am Rhein macht derweil Ferien am Meer. Menschenfischer war einmal ein Beruf ohne Überstundenpauschale.

Neue Agenten braucht das Land. Unsere Agenda lautet, Shake it, Baby, schüttle den Rost von deinem Monument. Moment, sollten wir dabei etwas andenken? Kurz, nur Kurz. Vielleicht ist Body und Bildung doch ein fesches Paar. Und wir haben besseren Sex. Erlöse die M. und hab Toleranz im Sch. (Awomen und Amen) Wir verdrängen niemanden von den Biedermeier-Sofas. Wir zupfen nur an den Nähten. Art Sofage ist das Remedium. Unsere Meinung gibt Küsschen. Das meinen wir ehrlich! Hinter allen Rücken spüren wir der Wahrheit nach. Vor Ort taktvoll geschwiegen, lässt alles im Takt. Augen auf! Böse Menschen kennen keine Lider. Alles Leinwand, selbst die Achseln zucken wieder. Nachhaltig vorgebeugt, flüstern wir uns zu: Wie angeschmiert dürfen wir uns endlich wieder fühlen. Alles fließt, alles steht – uns bis da her und nicht weiter, bitte!

Tief Schlucken, noch tiefer durchatmen, auf- und abstoßen, die Hülle ordnen. Unsere Blase! Teepause jetzt. Es brennt unter unserem Horizont, behaupten die auf allen Wassern Gegangenen. Die und die, wir und die auch. Alle wissen. Sagten uns die oben in den Rundbögen im Innenhof der Herrengasse. „Rumoren und sich Schlagen“ ist dort seit 1588 verboten. Das beruhigt. Wir haben ja nichts als Kunst in unseren geballten Fäusten.

Sollten wir sie nicht gemeinsam nach oben recken, die Arme? Neben uns ist immer unter unserem Niveau. Hüben wie drüben, oben und unten sind keine beruhigenden Himmelsrichtungen. Das Glück ist sowieso immer auf der anderen Seite des Kanals. Die Kunst ist frei. Keine Ahnung, wo sie lang geht. Irrtum aus- und eingeschlossen. Wir halten nicht durch, wir halten zusammen. Alles klar?

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Bildlegenden (alle Fotos, außer anders vermerkt, Emil Gruber)

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