29/03/2023

Kennt jemand dieses Gebäude, oder gibt es ähnliche Villen in Graz oder in der Umgebung?

Erkenntnisse, Hinweise, weitere Fundstücke bitte an:

Antje Senarclens de Grancy, Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften, TU Graz

antje.grancy@tugraz.at

29/03/2023

Dieses Haus, dem Architekten Karl Ilbing zugeschrieben, ist wohl Anfang der 1930er-Jahre in Graz oder Umgebung errichtet worden. Wer kennt es oder kennt seine Geschichte?
Foto: Privatbesitz

Karl Ilbing, Haus Elhanan 22, Haifa/Israel, 1936
Foto: Privatbesitz

Nur wenige Zentimeter groß ist ein Foto, das sich – leider unbeschriftet – in Israel im Nachlass des russisch-österreichisch-israelischen Architekten Karl Ilbing (1886–1981) befindet. Aufgrund der Vegetation, der Dachform und verschiedener Details ist wohl anzunehmen, dass das darauf zu sehende Einfamilienhaus nicht in Israel, sondern um 1930 in Österreich entstanden ist. Es könnte sich als ein Schlüsselprojekt in Karl Ilbings Werk erweisen, das die Verbindung zwischen Graz und Haifa nachvollziehen lässt.

Hinweise zu dem Foto und dem Haus sind willkommen!
Kennt jemand dieses Gebäude, oder gibt es ähnliche Villen in Graz oder an anderen Orten? Charakteristisch ist vor allem die gerundete Wand mit den schmalen, aneinander gereihten Fenstern, die sich auch bei Ilbings Bauten in Haifa finden.

Bis vor kurzer Zeit war – zumindest aus österreichischer Perspektive – so gut wie nichts über Leben und Werk des bis 1934 in Graz und danach in Palästina/Israel tätigen Architekten Karl Ilbing-Israelson bekannt, abgesehen von kaum mehr als einem Boykottaufruf in einer nationalsozialistischen Hetzschrift. Das soll nun ein am Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften der TU Graz in Zusammenarbeit mit dem Centrum für Jüdische Studien geplantes Ausstellungs- und Publikationsprojekt ändern. Es soll vor allem auch Studierenden die Möglichkeit geben, sich mit dem (Re)Konstruieren von Architekt*innenbiographien und den Wirkweisen wissenschaftlicher Narrative zu beschäftigen und sich mit dem zeithistorischen Kontext von erzwungener Migration und Vertreibung (auch aus dem kollektiven Gedächtnis) auseinanderzusetzen.

Nach ersten Recherchen der in Haifa ansässigen Architektin Dafna Berger und auf Initiative von Ilbings Enkel Michael Herman konnte ich mit finanzieller Unterstützung des David-Herzog-Fonds im Februar/März den architektur- und zeithistorisch höchst interessanten Nachlass einsehen. Mittlerweile sind bereits einige Puzzlesteine zu Karl Ilbings Werk zusammengekommen. Bekannt geworden sind etwa Grazer Geschäftsgestaltungen wie das Schuhhaus Armin Spitz in der Herrengasse, das Bekleidungshaus Leo Lichtenstein in der Annenstraße oder Geschäft und Kaffeerösterei Hornig in der Sporgasse.

Aufgewachsen in Dvinsk/Dünaburg im Russischen Reich als Sohn eines Arztes, war Karl Israelson aufgrund des Numerus clausus für jüdische Studierende das Studium der Medizin an der Universität Dorpat (Tartu) verwehrt. Er begann deshalb 1906 ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule Graz, konnte dieses jedoch, im Ersten Weltkrieg interniert und konfiniert und wegen Ressentiments unter den Professoren mehrfach behindert, erst 1923 abschließen. Die Etablierung als Architekt ging mit der 1924 erfolgten, durch das antisemitische Grazer Umfeld bedingten Änderung des Nachnamens auf Ilbing einher.

Karl Ilbing arbeitete in Graz mit dem renommierten Bauunternehmen Johann Guido Wolf sowie mit Architekt Hans K. Zisser und Bauunternehmen wie der Metallbaufirma Treiber zusammen. Da nach kaum zehn Jahren selbständiger Tätigkeit in Graz seine und seiner Familie Existenzgrundlage und Sicherheit jedoch gefährdet waren, sah er sich zur Auswanderung nach Palästina gezwungen. 1934 emigrierte er nach Haifa in das Palästina der britischen Mandatszeit, wo er für sich, seine Frau und seine beiden Kinder eine bescheidene neue Existenz aufbauen konnte und rund ein Jahrzehnt als Architekt arbeitete, später als Planer in einem großen Aluminiumunternehmen. Offensichtlich konnte sich Karl Ilbing durch eine (zunächst) bessere Auftragslage erst in Israel als Architekt wirklich entfalten, zumindest eine Zeit lang. Mit seinen architektonisch sehr interessanten Wohnbauten schloss er unmittelbar an die Mitte der 1930er-Jahre in Tel Aviv und Haifa bereits etablierte, für die klimatischen Verhältnisse adaptierte moderne Bauweise an.

Hinweise zu dem eingangs besprochenen Einfamilienhaus oder sonstige Anregungen für unsere Recherche könnten dem geplanten Projekt weiterhelfen.

Bitte wenden Sie sich an:
Antje Senarclens de Grancy
Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften, TU Graz
antje.grancy@tugraz.at

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