13/02/2017

Gib mir Fünf

Geschichten aus Seiersberg respektive der Shopping City Seiersberg, dem größten steirischen Einkaufszentrum südlich von Graz.

Glosse von Emil Gruber

13/02/2017

Shopping City Seiersberg. Foto: Karin Tschavgova, Fotoquelle EXPA/Picturedesk

Die Quadratur des Kreises = etwas Ovales.

Nörgler, die keine Ahnung von alternativen Fakten haben, werden jetzt behaupten, das sei ein augenscheinlich falsches Ergebnis. Das kann nicht sein. Ja, wegen euch hat es die Politik so schwer. Die von ihr völlig unabhängigen Behörden auch. Und die Wirtschaft sowieso.
Da möchten Gutmenschen ganz, ganz viele andere Menschen glücklich machen. Das geht aber nicht wie geschmiert, weil ein paar misanthropische Zukunftsverhinderer das einst mit realitätsfernen Paragrafen blockiert haben. Jetzt könnten die Politik und die Behörden engstirnig sein und zu den Menschenbeglückern sagen: „Blöd’, aber so isses.“ Dann werden die Menschenbeglücker sagen: „ja, sehr blöd“ und alles sein lassen. Die Politischen und die Behördlichen könnten aber auch nächstenlieb sein und zu den Menschenbeglückern raunen: „Hey, es muss ja nicht immer Abfahrt sein, es gibt auch Slalom“. Dann setzt man sich zusammen und redet und irgendwann finden sie eine tolle Lösung für das Beglücken. Da, wer schnell hilft, doppelt hilft, geht alles Weitere unbürokratisch ganz schnell, ohne das endlose Debattieren. Und weil alle ein Rückgrad haben, bleiben sie trotz vieler hinterfotziger Einwände beinhart bei ihrer richtigen Richtigkeit. Im Normalfall wäre das hier das (Happy) Ende.
Gemeinerweise verpetzen jedoch Krämerseelen und Rechthaberer die Richtigkeit bei einer diesen unabhängigen Instanzen, nennen wir sie der Einfachheit halber Verfassungsgerichtshof. Der macht sich wichtig, haut mit dem Justamenthammer um sich und kommt natürlich zu seinen eigenen alternativen Alternativfakten. Das ist, ihr Neidhammeln, überhaupt nicht lösungs- und schon gar nicht kundenorientiert!
Jahrelang tümpelt eine Gemeinde, nennen wir sie Seiersberg, wirtschaftlich träge vor sich hin. Plötzlich der Standort-Lotto-Sechser mit Zusatzzahlen: Sie darf quasi neu-alchemisch aus Schotter Gold machen, dem mobilen Konsumeur aus einer Grube ein Immerland des andauernden Sonderangebots terraformen.
Wenn da nicht zu wenig Zeit und zu viel Raumordnung das Raumschiff vor dem Abheben in den Schnäppchenraum schon auf der Rampe bremsen. Nix über 15.000 Quadratmeter heißt diese kleinstbürgerliche, steirische Hürde gegen wahre Größe – gerade einmal die Fläche von zwei Fußballfeldern. Greißlermaß, überregional betrachtet. Da vertreibt es Adam und Eva aus dem Konsumparadies, bevor sie es überhaupt betreten haben, von Schlangen gar keine Rede. Die Gewinnmargen werden so höchstens in Pipettenmengen ausgeschüttet. Fern jeder Bilanzromantik sucht sich jede Konzernmama bei diesen Aussichten schnell irgendwo anders eine neue freie Wiesen-Romanze. Alles Kleine ist eindeutig kontra-aktionär.
Unternehmerisches Denken bedeutet, die richtigen Formeln fürs Geschäftliche zu finden. Eine wichtige Regel, die sonst eher nur im Steuerlichen zu finden ist, sagt: Mach aus Mehr Weniger. Eine andere: Das ideale größte gemeinsame Vielfache ist – mit Abstand betrachtet – die Summe aller Teile. Oder in Seiersbergerisch: 5 x 15.000 Quadratmeter gehen immer. 
Nur was tun gegen die unbeeinflussbaren Widrigkeiten? Den frostigen, hitzigen oder gar regnerischen Klimamomenten? Ist der taschenbeschwerte Kreditkartenstecker weiter bereit für die Big Five? Wird „runter, raus, rein, rauf“ und das fünf Mal nicht eher zur Qual denn zur Lust? Lässt man/frau nach, bevor frau/man den nächsten Nachlass erspäht? Erlahmt im Freien die innere Kaufkraft?
Jeder Kunde ist Suchender, besonders wenn es um XXXL geht. Er sehnt sich nach Verbindlichem fast zu jedem Preis. Er will den geraden Weg zum Glück, barrierefrei. Solche Emotionen bewegen den echten Unternehmer. So etwas verlangt nach einem gewinnenden Aneinander statt nüchternem Nebeneinander. Der Unternehmer baut für seine Bedürftigen Brücken, wenn notwendig, sogar in echt.
Also ergibt sich eine Lösung, die einmal erbaut, alles Minus zu einem großen Plus vereint: Aus Eins (Kreis) wird Fünf (Quadratur) weil Brücken = Verbindungswege = öffentliche Straße (Ovales). Diesen Geistesblitz finden die Behörde geil, die Politik sehr geil und die Betreiber obergeil.
Das Volk braucht ab sofort nicht mehr zu geizen, es frohshoppt fortan. Für nicht wenige Lebewesen gibt es am Samstag nur mehr das große S. Manch eine(r) verbringt das Seiersberg-Wochenende zwar vorwiegend voller Frust mit Rundfahrten auf der Suche nach dem verlorenen Parkplatz anstatt selig nach Minus 25 Prozent und mehr zu fahnden. Dennoch, das Center blüht und die Erlöse erlösen die Betreiber.
Das große S leistet sich sogar, möglicherweise als Hinweis auf die Zahlen des jährlichen Betriebsergebnisses, seinen eigenen großen, schwarzen Uhrturm. Der ist wohlfeil von der Landeshauptstadt zu erwerben, wohl weil nach 2003 sonst zu viel Schatten auf die Kulturhauptstadt fällt. Vielleicht will Graz aber auch nur weiter jung bleiben und braucht das Geld.
Die honorige Kaufmannschaft der steirischen Metropole ist dagegen von der Entwicklung minder entzückt. Sie ärgert sich absätzig und einbußig über die Fremdgänger, die jeden Samstag mit leeren Taschen den ganzen Tag in den Süden fahren und trotzdem mit vollen Taschen wieder heim kommen. Und natürlich auch über die, die aus dem Süden kommen und nicht mehr weiter nach Norden reisen. Und über die aus dem Westen und Osten sowieso.
Denn Graz hat’s und ist’s eigentlich und für das immer weniger wert werdende Geld gibt es hier viel zum Erleben. Aber in Seiersberg gibt es halt noch mehr zum Erleben und zum Erleben. Und zum Erleben gibt es auch viel. Und dann noch der Geiz, der ist…, wir wissen.
Lange Jahre wird seitdem von alteingesessenen Kommerzienräten der Feind draußen vor der Tür bekämpft, viele rechtliche Brandpfeile knisterten schon am Dach von El Dorado S. Doch kann die immer bestens gerüstete Anwaltsfeuerwehr den großen Brand verhindern.
Dann kommt ein Sommer, der von 2016. Der externe Wichtigmacher, nennen wir ihn nochmals Verfassungsgerichtshof, prüft, was ewig binden soll und kommt zum Schluss: Quadratur retour. In den Brücken stecken die Tücken. Fünf ist doch Eins oder weg mit den Wegen. Jetzt herrscht spontanes Frösteln und Zähneklappern nun im Süden. Das Umsatzbarometer droht zukünftig in Richtung Überschuss-Nullpunkt (absolut) zu sinken, so raunen die Auguren der freien Märkte. Ein Konsumtempel ohne Kreuzwege, ohne guten Schnitt ? Da bleiben bessere Bauchläden über. Das Damoklesschwert nimmt die Umrisse einer Abrissbirne an. Statt S nur mehr s. Wichtig V ist gnädig und gibt den so heftig Gewürgten etwas Luft: der Countdown für eine halbjährige Galgenfrist beginnt zu laufen.
Das Steirerland erkennt sofort: Da ist ein großer Kahn ins Schlingern geraten. 2.500 Seelen drohen an den Gestaden des AMS angespült zu werden. Und – wenn auch nicht unbedingt  erste Priorität – eine mögliche Schadenersatzklage in der Höhe von knapp einer halben Milliarde Euro seitens der S-Beglücker steht als Menetekel ante Burg(as). Helden sind nun gefragt. Helden die bereit sind, das was vor langen Jahren Behörde und Politik unten geil gefunden haben, wieder aufzugeilen, diesmal aber richtig.
Der Anlass verlangt nach einem Gesetz, lösungsorientiert und wirtschaftsvernünftig. Nennen wir es Einzelstandortverordnung. Für den spitzfindigen Connaisseur ist das bester Freejazz der Gesetzgebung, ever! Improvisiert, auf alle Spieler abgestimmt, reich an übergeordneten Akkorden, in losgelöstem Rahmen werden alte Konventionen überholt, auf spezielle Weise harmonisch, auch wenn Banausen, die keine Ahnung vom Tonangeben haben, meckern.
Der Herbst ist für das große S zu einem zweiten Frühling geworden. Dann ist Weihnachten auch noch. Prächtige Umsätze erleuchten den Konsumentenhimmel. Alles ist gut.

Epilog:
Beinahe.
Wenn da nicht Stapel voller Stellungnahmen gegen die konstruktive Instant-Lösung Einzelstandortverordnung im Büro des Verkehrslandesrates abgegeben werden. Wenn nicht die Volksanwältin aktuell vom Bürgermeister von Seiersberg einen Beweis fordert, dass nun alles rechtmäßig sei. Sie habe bis heute keine Information, dass die Verordnung fristgerecht in Kraft getreten sei. Sagt sie. Die Landesregierung ist faktisch ob dieser Alternative der alternativen Alternativfakten überrascht.
Glänzt da in der Zukunft etwas Ovales?

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