26/05/2020

gelungen | nicht gelungen 4

NICHT GELUNGEN oder doch NICHT?

Die Demontage des Wartehauses Mandellstraße der Linie 3
Auftraggeber: Holding Graz

Architektur
Architekturbüro Windbichler

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In der Kolumne gelungen | nicht gelungen zeigt Architekt und Stadtplaner Bernhard Hafner anhand realisierter Beispiele auf, was aus architektonischer und/oder städteplanischer Sicht in der Stadt Graz gelungen oder nicht gelungen ist.

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26/05/2020

Abb.1: Die Demontage der Straßenbahnhaltestelle Mandellstraße der Linie 3 am 3. April 2014

©: Architekturbüro Windbichler

Abb.2: Bushaltestelle Wartehüsle Bränden, Gemeinde Krumbach im Bregenzerwald, 2014. Architektur: Sou Fujimoto, Japan.

©: Adolf Bereuter

Abb.3: Besichtigung der Reste des Wartehauses Mandellstraße am Lagerplatz, 11.05.2020 ...

©: Barbara Hafner

... von der Seite ...

©: Dieter Weber

... von hinteren Ende ...

©: Dieter Weber

... mit einer Schnittstelle ...

©: Barbara Hafner

NICHT GELUNGEN oder doch NICHT? (1)
Die Demontage des Wartehauses Mandellstraße der Linie 3

  • Auftraggeber: Holding Graz
  • Ausführung: Ankünder GmbH Graz
  • Zeit: 02.– 03.04.2014

Das Aufbauen hatte einige Werktage gedauert, das Abbauen einen Vormittag. Am Abend zuvor war sie noch da gewesen, die Station, mitgenommen zwar, beschädigte Teile nicht repariert oder ersetzt, mangels Wartung vor sich hinrostend, wie es heißt, und insgesamt von den Verkehrsbetrieben ungeliebt (Abb.1).
    Für die einen hatte sie nun schon an die dreißig Jahre da gestanden, auf demselben Platz sozusagen umher gelungert, einem Platz, den man mit Neuem bestücken konnte, situationselastisch etwa mit einem Großplakat. Andere, „Erbsenzähler“ nennt sie Irmfried Windbichler, hatten sie „immer schon“ abgelehnt, weil sie modern war, individuell, aus dem Gewöhnlichen und Gewohntem ausbrechend, künstlerisch statt Einkünfte generierend. Erbsenzähler mit erbsengroßem Kulturverständnis eben.
    "Die Stadt lebt von markanten, unverwechselbaren Objekten wie dieser Skulptur. Ich finde es unverantwortlich, diese zu entfernen", meint Leserin Barbara Hafner. Für die "Erhaltung dieses "Wahrzeichens" sprachen sich auch Michael Szyszkowitz von der ASVK und KPÖ-Gemeinderätin Christine Braunersreuther aus (2), sowie Institutionen, wie etwa die ZT-Kammer, das Haus der Architektur oder die Zentralvereinigung der Architekten. Schließlich wurde auch das Denkmalamt aktiv.
    Wenig Widerstand gab es wegen eines funktionalen Mangels an Witterungsschutz der Station. „...unser projekt ist so etwas wie ein abbild von shelter, nicht unbedingt aber shelter. ich bin nicht sicher, ob es wirklich vor regen geschützt hat. aber darum ging es nicht. es ging darum, den öffentlichen raum zu gestalten“, sagt der Architekt. Wahrscheinlich, weil das so augenscheinlich war, kam auch kaum Kritik auf. Ist es aber abwegig, ein als Skulptur hochwertiges, aber keinen vollwertigen Regenschutz bietendes Objekt nicht zu wollen? Als Wahrzeichen eines Wartehauses? Oder geht so etwas nur in einer kleinen Gemeinde in fernem Land, nicht aber in Graz, einer ehemaligen Kulturhauptstadt Europas mit rund 350.000 Einwohnern?
    In der Gemeinde Krumbach im Bregenzerwald mit etwa 1000 Einwohnern, sitzen um 2013 der damalige Bürgermeister und einige Privatpersonen am Stammtisch und reden darüber, dass die Bushaltestellen erneuert werden müssten. Ein Bürger der Gemeinde, „..der vieles anders sieht, hatte eine verrückte Idee", die zur Initiative BUS:STOP Krumbach führte, zum „Projekt ‚Wartehüsle‘, Weltklassearchitektur kombiniert mit lokalem Handwerk“ (4). Der Verein Kultur Krumbach lud 2010 sieben internationale Architekturbüros ein, in der Gemeinde ebenso viele neue Bushaltestellenhäuschen von weltoffener Gestalt zu entwerfen und in Partnerschaft mit regionalen Partner-Architekten und lokalen Handwerkern zu errichten. Die Architekten kamen aus Japan, China, Chile, Russland, Belgien, Spanien und Norwegen. (s. Artikelempfehlung unten) Anfang Mai 2014 wurden in Krumbach, Vorarlberg, die „Wartehüsle“ des Projekts eingeweiht. Am 2. April 2014 war in Graz, Steiermark, die Haltestelle Mandellstraße demontiert worden.
    Hatte es keine Kritik aus der Bevölkerung gegeben, fragte ich den Gemeindesprecher. Die gab es, vor allem, weil Stationen “unfunktional“ genannt wurden, etwa keinen Regenschutz böten. Aber in einem Bürgerbeteiligungsprozess einigte man sich, gründete einen Verein und führte das Projekt aus. Heute ist es eine Tourismusattraktion (Abb.2), durch die die Gemeinde an Renommee gewann und von der sie auch heute noch wirtschaftlichen Nutzen zieht. Was also im Bregenzerwald verstanden wird, wird in Graz, der ehemaligen Kulturhauptstadt Europas, nicht nur abgelehnt, sondern wird, einem Bescheid des Denkmakamtes zuvorkommend, demontiert. Ob sie auch verschwunden ist, weiß niemand, den ich fragen konnte.
    In Graz, seien viele für ihre Erhaltung eingetreten, heißt es bezüglich der Kunst-Tramwaystation: „Ende eines Wahrzeichens“. Bei der Holding Graz verweise man auf den desolaten Zustand, schreibt Hans Andrej in der Kleinen Zeitung. „Klar. Es ist ein Exot im Einheitsbrei der Öffi-Haltestellen auf Stadtgebiet. Jenes Wartehäuschen bei der Tramstation Sparbersbachgasse/ Mandellstraße“, das ... für internationales Echo gesorgt habe. Bei der Holding Graz winkt man aber klar ab, was die Erhaltung betrifft. Vorstand Wolfgang Malik: "Der Zustand des Wartehäuschens ist derart schlecht, vor allem vom Rost angegriffen, dass die Statik in Gefahr ist. Für uns kommt daher nur ein Austausch infrage." (sh. 2)
    Das Wartehaus Mandellstraße sollte einem Standard-Wartehäuschen Platz machen. Heinz Rosmann, Chef der Stadtplanung damals, sagt, es sei dann zur Verwirklichung einheitlicher Stationen nach dem Berliner System gekommen. In "Überfall" auf Haltestelle“ erfährt man: „Während vom Bundesdenkmalamt die Unterschutzstellung in die Wege geleitet wurde, ließ die Holding Graz gestern die Skulptur entfernen. ‚Wir haben vom Verfahren nichts gewusst‘, erklärt Holding-Sprecher Gerald Pichler... Für gestern (den 03.04.2014) 11 Uhr, war ein Gespräch zwischen Landeskonservator Christian Brugger und Stadtplanungschef Bernhard Inninger angesetzt gewesen. 'Auf dem Weg zu Inninger wollte ich das Objekt noch einmal anschauen. Als ich hinkam, lief der Abbruch‘, ist Brugger sauer. Inninger versichert, dass er davon nichts gewusst hat. Der von Brugger sofort über das Denkmalamt in Wien veranlasste Bescheid über die Unterschutzstellung ist aber zu spät gekommen.“(3)
    Der Vorstandsvorsitzende der Graz Holding beantwortet meine Anfrage zur Demontage: “Die Haltestelle, die aufgrund der Konstruktion ziemlich verrostet und desolat war, wurde bzw. musste vom Ankünder in Kooperation mit den Bauabteilungen der Holding Graz kurzfristig abgebaut und durch ein Standard-Wartehaus der Graz Linien bzw. des Ankünders ersetzt werden. Ich werde intern mal recherchieren, wo und wann die Reste der Haltestelle gelagert oder entsorgt wurden. Sobald ich etwas in Erfahrung bringen konnte, melde ich mich.“
    Gibt es die Station oder Teile davon möglicherweise noch? Aus vielen Anrufen hatte ich nichts dazu erfahren. Niemand wusste etwas, der Architekt nicht, Kollegen nicht, Freunde nicht. Einen Tag später erhielt ich Nachricht als Antwort auf die zitierte Anfrage. “Wir haben das demontierte Wartehaus (allerdings in einem sehr desolaten Zustandbei uns in der Auer von Welsbachgasse gelagert. Herr Architekt Hafner kann sich sehr gerne bei mir melden und ich würde dann einen Termin koordinieren.“ Am gleichen Tag erreichte mich eine E-Mail von Stadtrat Riegler, an den ich die genannte Anfrage als Mitglied des Aufsichtsrates der Graz Holding auch geschickt hatte: “ ... schick mir das eine oder andere Foto vom Zustand der nicht mehr funktionstüchtigen Haltestelle“. Der Termin der Besichtigung ist 08:30 Uhr am 11.05.2020. Am Montag werden wir wissen, wie es um das Ding steht. Dann ist die Frage, was kann mit Resten der Station geschehen: Bleiben sie ein Wrack auf einem Lagerplatz, werden sie verschrottet oder instand gesetzt und wieder an geeigneter Stelle aufgestellt?
    Sogar dazu besteht Hoffnung. Erstens, weil alle von mir angeschriebenen Personen umgehend, zuvorkommend und nichts verbergend geantwortet hatten. Zum Andern, weil es einmal geheißen hatte: „Die gestern abgebauten Teile sollen laut Holding zwischengelagert, saniert werden und dann das äußerst desolate Wartehäuschen bei der Haltestelle Skulpturenpark in Unterpremstätten ersetzen.“ (5)
    Das ist ein Wort, das es nun einzuhalten gilt, denn die demontierte Haltestelle gibt es in Teilen noch (Abb.3). Dann könnte die Serie statt gelungen | nicht gelungen künftig so lauten: gelungen | gelungen und ein zukünftiger Artikel: GELUNGEN: Das Wiederaufstellen der ehemaligen Haltestelle Mandellstraße als Haltestelle am Skulpturenpark. Es bliebe bei einer Skulptur als Haltestelle, wenn auch an einem anderen, passenden Ort als Eingang zum Österreichischen Skulpturenpark südlich von Graz. Kultur ist doch noch etwas Wert, wird es dann heißen müssen.
    Dem schließt sich nun auch Christian Brugger, Leiter der Abteilung Steiermark des Bundesdenkmalamtes an. “Ich habe von anderen Orten der Aufstellung gehört und habe mich dazu auch geäußert. Dazu gehört etwa das Gelände der TU, das Reininghaus-Gelände und als Haltestelle am Österreichischen Skulpturenpark“ (6). Auch ich kann mir das dort gut vorstellen. Das wieder errichtete Wartehaus würde in der ursprünglichen Funktion als Haltestelle dienen, würde als künstlerisches Objekt auf den Skulpturenpark hinweisen und gut zu ihm passen“. Urheberrechtliche Fragen sind noch zu klären.
    Bei der Besichtigung der demontierten Haltestelle zeigt sie sich, in mehrere Teile zerlegt, erhalten. Das Stahlskelett wurde für den Transport in zwei große Stücke zerlegt, die wieder zusammengeschweißt werden können. Die große Glasscheibe ist als solche nicht mehr vorhanden. Von ihr lagern mehrere kleinere Einzelstücke, die in Summe nicht der ursprünglichen Größe entsprechen und diese auch nicht ersetzen können. Die Scheibe müsste neu angefertigt werden, wie wohl auch einige andere Teile, etwa solche aus Plexiglas. Auch die Sitzschale aus Plexiglas ist vorhanden.
    Das Wesentlichste ist aber dies: Bestehende Aufnahmen und Zeichnungen zusammen mit den demontierten Resten machen eine Wiedererrichtung der Skulptur möglich. Das Bundesdenkmalamt würde einer solchen Verwendung der Teile zustimmen, die ja noch immer denkmalgeschützt sind, und würde sich an den Kosten beteiligen. Also, Holding Graz, halte Wort. Also, Politik, wahre die Aufsichtspflicht über die Agenden Kunst und Kultur im Bereich der Graz Holding. Ich bin zuversichtlich, dass sie das tun wird.
    Eines darf nicht ungesagt bleiben: Die Skulptur Haltstelle Mandellstraße zu demontieren, war kultur- und kunstschädigend. Dies in einer Ho-Ruckaktion vor Einlangen eines sich auf dem Dienstweg befindenden Bescheides der Unterschutzstellung des Bundesdenkmalamtes getan zu haben, verstößt gegen gesellschaftspolitischen Anstand. Beides sollte sich nicht wiederholen. The Times, They Are A-Changin‘.

(1)  Anlass für diesen Artikel waren Errichtung und Demontage des Wartehauses „Mandellstraße“der Straßenbahn Linie 3. Unter GELUNGEN wurde der Sachverhalt des Entstehens der Station durch zahlreiche Telefonate und Lesen von Texten zum Thema geklärt. In diesem Artikel, ursprünglich als NICHT GELUNGEN vorgesehen, wurde mit Hilfe von und durch Recherchen bei der Holding Graz und dem Ankünder der Verbleib der demontierten Reste geklärt. Weil die Erwartung auf Instandsetzung besteht, wurde der Titel in NICHT GELUNGEN oder doch NICHT? Geändert.
(2)  Großes Echo rund ums Wartehäuschen, Kleine Zeitung, Hans Andrej, 24.03.2014
Quelle: https://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/4139269/Graz_Grosses - Echo-rund-ums-Wartehaeuschen
(3)  Überfall auf Haltestelle, Kleine Zeitung, Hans Andrej, 0304.2014 Quelle: https://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/4142379/Ueberfall -auf-Haltestelle
(4)  Telefonat mit der Gemeinde am 04.05.2020 und 08.05.2020, Antwort von DI Judith Wellmann, bernardo bader architekten, Bregenz
(5)  Anwort #27 – April 04.2014, 08:59:45, vergl. (3)
(6)  Telefonate, zuletzt vom 12.05.2020.

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