10/07/2016

Christo und Jeanne Claude
The Floating Piers
Project for Lake Iseo, Italy
2014 – 2016
Taschen Verlag
ISBN: 978-3-8365-4786-4
Preis: 19,99 Euro

10/07/2016

Christo und Jeanne Claude, The Floating Piers, Project for Lake Iseo, Italy, 2014 – 2016, Taschen Verlag

Christo und Jeanne Claude: Floating Piers, Lago d’Iseo, Lombardei, Italien, 18. Juni – 3. Juli 2016

©: Karin Tschavgova

Wie alles bei Christos Arbeiten auch diese: Präzise Vorbereitung und perfektes Timing für das Erscheinen eines Buches zum Projekt der Floating Piers am Lago d’Iseo. Was selbstredend und durchaus legitim sicher Gründen des Marketings geschuldet ist – nämlich, das Buch im Zeitraum der 16 Tage anbieten und verkaufen zu können, während das vollendete Werk vor Ort besucht und erlebt werden kann – macht auch aus einem anderen Grund mehr Sinn, als den Floating Piers eine Dokumentation des Ereignisses nachzuschicken.
Das Buch erklärt und zeigt uns die Entstehungsgeschichte der Installation am Iseosee, und die ist genauso aufregend wie das physische Erleben des Schwankens auf den Stegen selbst. Sie zeigt uns den ungeheuer großen Aufwand, den Christo und seine 2009 verstorbene Frau Jeanne Claude mit unzähligen Helfern bei jedem ihrer Projekte auf sich genommen haben, um ihre Visionen zu verwirklichen und sie vielen Menschen zugänglich zu machen. Wir erfahren von den generalstabsmäßigen Vorarbeiten, der Einbeziehung von Ingenieuren von Arup Italian zur technischen Projektierung der Piers und von deren Erprobung der Schwimmtüchtigkeit am Schwarzen Meer. Wir lesen, dass zur Installation von 190 Betonankern, die die Floating Piers am Seegrund fixieren, eigens eine schwimmende Plattform konstruiert und gebaut wurde, wie diese von Bulgarien nach Montecolino kam und wie die französischen Profitaucher die Piers mit enorm dicken Seilen an den 5,5 Tonnen schweren Fundamenten befestigt haben. Wir erfahren, wie der Nylonstoff der deutschen Textilfirma gewebt wurde, auch, dass fünf oberitalienische Unternehmen die 220.000 kubischen Hohlkörper aus Polyethylen über Monate produzierten und wie und wie lange die Stege vor Ort zusammengebaut und fertig gestellt wurden.
Das alles erklärt uns nicht nur, wie viel Energie, Geld, Wissen, Technik und Durchhaltevermögen hinter diesem Projekt steckt, es gibt dem Projekt eine weitere Dimension. Es zeigt uns, dass großartige Werke wie die Floating Piers, die uns auf eine poetische Weise andere, außergewöhnliche Perspektiven, neue Blicke auf die Natur, auf das Alltägliche, auf uns selbst geben, nicht nur Phantasie und kreatives Potenzial brauchen, sondern auch die Fähigkeit, Konzepte präzise und technisch perfekt umzusetzen.
Die vielen Zeichnungen im Buch, deren Originale der Künstler verkauft, um die Floating Piers ausschließlich damit zu finanzieren, zeigen, wie intensiv sich Christo mit der Erarbeitung seiner Vision beschäftigt hat. In unterschiedlichsten Ausschnitten hält er den Streckenverlauf, das Ankommen der Stege in den drei Orten, die Einfassung der Ufer auf den für ihn so charakteristischen perspektivischen Zeichnungen in Bleistift, Wachskreide und überarbeiteten Fotoausschnitten fest. Meistens ist ihnen auch eine Grundrisszeichnung zur Seite gestellt. Allein die Zeichnungen sind so schön und schön gedruckt, dass der Besitz des Buches etwas darüber hinweg tröstet, dass man sich die Originalzeichnungen als Nicht-Super-Reicher sicher nicht leisten könnte.

Der Empfehlung zum Kauf dieses Buches an alle, die auch an den Hintergründen zum Entstehen der Floating Piers interessiert sind, und für jene, die nicht hinfahren konnten wie die Autorin, ist nur eine Empfehlung an den Verlag hinzuzufügen. In der zweiten Auflage des Buchs bitte der Collage von Seite 95, die die Floating Piers als Zeichnung von oben zeigt, das reale Abbild des Kunstwerks als Satellitenbild gegenüberzustellen. Beeindruckend und beeindruckend deckungsgleich – diese dritte Dimension, die das Flüchtige dieses Werks für immer festhält.

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