28/11/2011
28/11/2011

PREISTRÄGER: Raiffeisenbank in Murau. Planung: Techn. Büro Bernhard Hammer mit dem Architekturbüro Jehsenko. Das ausgezeichnete Bauwerk soll laut Jury als ein Leuchtturmprojekt hinsichtlich Funktionalität, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit auf ähnliche Einrichtungen wirken. Die architektonische Qualität spielte bei der Juryentscheidung offentsichtlich keine Rolle. Foto: © RV, RB Murau

NOMINIERUNG: Erweiterung der bestehenden Straßenbahnremise bzw. -werkstätten in Graz/Steyrergasse, Baustellenfoto. In Anbetracht der bestehenden Hallenbauten bzw. des begrenzten Platzes ist das neu errichtete Gebäude auf Zweckmäßigkeit ausgerichtet, ohne besondere architektonische Akzente zu setzen. Foto: Holding Graz Linien

Der Energy Globe Styria Award wird seit zwölf Jahren vom Landesenergieverein gemeinsam mit dem Netzwerk Öko-Energie Steiermark für Projekte zum nachhaltigen Umgang mit Energie vergeben. Am 8.11.2011 überreichten in der Aula der Alten Universität LH-Stv. Siegfried Schrittwieser und LR Johann Seitinger sowie Helga Rally (LEV) und HR Wilhelm Himmel die Preise in den Kategorien Luft, Erde, Feuer und Jugend sowie zwei Lions Nachhaltigkeitspreise. Als Gesamtsieger wurde Gerald Zotter (TU Graz) und GASEVO GmbH für seinen Lösungsansatz zur Speicherung von Energie mittels Verflüssigung von Stickstoff ausgezeichnet. Wenige Tage später wurde er auf der Rieder Messe auch zum Österreich-Sieger des Energy Globe gekürt.

In der Kategorie „Erde“, die für bauliche und architektonische Lösungen vergeben wird, reüssierte für den Styria Award das technische Büro Bernhard Hammer (TBH), das in Murau das erste Bankgebäude Österreichs im Passivhausstandard errichtet hat. Von Mai 2009 bis November 2010 setzte das TBH gemeinsam mit dem Architekturbüro Jehsenko den Neubau der Raiffeisenbank Murau um. Der Baustoff Holz und der durchdachte Einsatz Erneuerbarer Energien erhöhen, so die Betreiber des Projekts, nicht nur den Wohlfühlfaktor in diesem österreichweit noch einzigartigen Bankgebäude, sie reduzieren auch die Betriebskosten beträchtlich.
Die Raiffeisenbank in Murau soll damit als ein Leuchtturmprojekt im Hinblick auf Funktionalität, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit auf ähnliche Einrichtungen wirken. Für eine ökologische und der Gesundheit förderliche Bauweise wurde der vor Ort vorhandene Baustoff Holz verwendet. Mit einem Energieverbrauch von nur 9,37 kWh/m²a leistet das Gebäude einen sehr hohen Beitrag zum Klimaschutz. In der Zertifizierung von klima:aktiv konnte die höchste Qualitätsstufe klima:aktiv „Gold“ erreicht werden. Im Süden Österreichs bzw. in der Steiermark stellt dieses Bauvorhaben damit eines der bislang vom Volumen her ehrgeizigsten Passivhaus-Projekte dar.

Über die architektonische Qualität der Ausführung kann man geteilter Meinung sein, auch wenn Architekturkritik an so für die Menschheit technisch segensreichen Bauwerken gern mit einem Schulterzucken abgetan wird. Egal in welcher Region bzw. Landschaft sie errichtet werden, Passivhaus-Bauten scheinen jedenfalls dazu prädestiniert, in knalligen Farben und in kubistischer Formgebung gestaltet, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen zu wollen; was sich in der Beschreibung des Projekts etwas schwammig so liest: „Nicht unbekannt hat die Gebäudetechnik wesentliche Einflüsse auf die Architektur.“ Zwischen dem von den Raikas in den achtziger Jahren favorisierten idyllischen Filialen im Almhaus- bzw. Heimatstil und dem Passivhaus-Futurismus der Gegenwart sollte es doch ein weiteres Feld an Gestaltungsmöglichkeiten geben, die auf die Umgebung und den Ort Rücksicht nehmen. Von der angepriesenen Verwendung des soliden, „ökologischen und heimischen Baustoffes Holz“ ist zumindest, wenn man die Fassade betrachtet, so gut wie nichts zu erkennen.

Ein weiteres nominiertes Projekt in der Kategorie Erde des Styria Award war die Erweiterung der bestehenden Straßenbahnremise bzw. -werkstätten in Graz/Steyrergasse zur Unterbringung der neuen, längeren Fahrzeug-Garnituren. In Anpassung an die neuen Längen wurde der bestehende Hallenbau erweitert und daran anschließend der Bauabschnitt 2 mit einer bebauten Fläche von ca. 3.600 m² errichtet. Dieser beinhaltet weitere Reparaturstände, Abstellgleise, Lagerräume und einen fünfgeschoßigen Funktionstrakt mit Mannschafts-, Verwaltungs- und Besprechungsräumen, sowie die neue Funkleitzentrale der Graz Linien. Ziel dieses Projektes war es, so die Betreiber, ökologische und ökonomische Aspekte in das Gesamtkonzept zu integrieren und umzusetzen. Dies spiegelt sich in der energieeffizienten Bauweise, im Energie- und Lichtkonzept sowie der Wahl der Tragkonstruktion mit Holzleimbinder wider. Die Heizung des gesamten Gebäudes und die Kühlung des Funktionstraktes erfolgen großteils über regenerative Energiequellen (Solarpaneele und Erdwärmepumpen in Tiefbohrweise. Die Freiflächen rund um das Objekt werden neu gestaltet und nach ihrer Funktion an den Bestand angepasst.
Als planender Architekt firmierte Werner Kampits mit Architekt Heinrich Wolfsgruber (Kampits&Gamerith ZT GmbH., Graz). In Anbetracht der bestehenden Hallenbauten bzw. des begrenzten Platzes ist das neu errichtete Gebäude auf Zweckmäßigkeit ausgerichtet, ohne besondere architektonische Akzente zu setzen, soweit diese nicht durch technische Erfordernisse entstanden sind, wie die Gestaltung der Oberlichten, die sich an der Industriearchitektur des frühen 20. Jahrhunderts orientiert.

Angesichts des in der Kategorie „Erde“ ausgezeichneten Bauwerkes und der Nominierung muss bemängelt werden, dass es in der Preisauslobung keine architektonischen Qualitätskriterien für die Beurteilung eingereichter Bauten gibt und in der Jury des Energy Globe Styria Awards üblicherweise keine Fachjuroren aus dem Bereich Architektur vertreten sind. Vielleicht fehlt deshalb auch der Anreiz, Bauten einzureichen, die sowohl in energetischer als auch gestalterischer Hinsicht Qualität haben.

Das Forschungsprojekt „Kryo-P Speichersystem“ des Gesamtsiegers Gerald Zotter (TU Graz) in Zusammenarbeit mit der GASEVO GmbH untersuchte die technische und wirtschaftliche Machbarkeit der Speicherung von elektrischer Energie durch die Gewinnung von flüssigem Stickstoff aus der Umgebungsluft. Dieser innovative und zugleich kreative Lösungsansatz zur Bewältigung des Problems der nur selten übereinstimmenden Höhe von Stromangebot aus regenerativen Energiequellen (Wind, Sonne, Wasser) und der Nachfrage verspricht, in Zukunft der erneuerbaren Stromerzeugung zu weiterem Wachstum zu verhelfen.

Verfasser/in:
Josef Schiffer, Kommentar
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