05/04/2018

Die Theorie im Entwurf denken

Ausstellung
Don't Stop Thinking!
Die Denkräume des Joost Meuwissen.

HDA Graz, bis 22. April 2018

Ausstellungsgestaltung
Heidi Pretterhofer
Michael Rieper
Mathieu Wellner

Buch
Joost Meuwissen:
Zur Architektur des Wohnens

(Neuauflage)
Hg: TU Graz
 - Fakultät für Architektur
Redaktion: Eva Guttmann

05/04/2018

Ausstellung: Don't Stop Thinking! Die Denkräume des Joost Meuwissen. Bis 22. April 2018 im HDA

©: Thomas Raggam

HDA-Schaufenster: Plakat zur Vortragsreihe "Stadt im Arsch", 1993

©: Thomas Raggam
©: Thomas Raggam
©: Thomas Raggam
©: Thomas Raggam
©: Thomas Raggam
©: Thomas Raggam
©: Thomas Raggam

Schon während seines Studiums an der TU Delft absolvierte der niederländische Architekt Jean Marie Corneille Meuwissen (1950-2016) ein Praktikum in der Abteilung für Raumplanung der Steiermärkischen Landesregierung. Nach seiner Promotion, 1988 an der TU Eindhoven, Leitung des Büros One Architecture (1995-2000) und Büro Joost Meuwissen Architect in Amsterdam (ab 2001), neben Dozenturen in Rotterdam und Amsterdam, war Meuwissen Professor für Gebäudelehre in Karlsruhe. Dann, 1995, führte sein Weg wieder nach Graz, wo er, vorerst bis 2002, Ordinarius für Städtebau und Entwerfen war. Dafür offenbar ausschlaggebend war eine Vortragsreihe unter dem so charmanten wie zeitlosen Titel Stadt im Arsch, die Studierende der FAKARCH 1993 organisiert hatten, um einen bis dato wenig beachteten Bereich zu verhandeln, nämlich „gegenwärtige städtische Entwicklung“. Im Sinn einer ganzheitlichen Betrachtung waren neben anderen die Architekten Bernd Albers, Konrad Wohlhage und Rüdiger Lainer zu Vorträgen eingeladen wie auch der Architekt und Schriftsteller Wolf Werdigier. Meuwissens Vortrag trug den Titel: „Die Zukunft des Städtebaus im Wandel des städtischen Raumes. (Die Öffentlichkeit eines öffentlichen Gebäudes; der Wohnblock in der Stadt)“.
Wieder in Wien, war Meuwissen von 2002 bis 2007 Professor für Städtebau an der Akademie der bildenden Künste, um bis zu seinem Ableben, ab 2007, die Professur für Städtebau und Entwerfen an der TU Graz innezuhaben.

Für das HDA Graz haben nun Heidi Pretterhofer, Michael Rieper und Mathieu Wellner eine retrospektive Ausstellung zum schier unüberschaubaren Werk und der systemorientierten Haltung von Jost Meuwissen erstellt, der man den Charakter eines assoziativen Rebus attestieren mag. Man sollte sich Zeit nehmen, sich einzulesen unter anderem in ein riesiges Konvolut an Publikationen.
Seine Grazer Vorlesungen eröffnete Meuwissen zu einem von ihm betriebenen städtebaulichen Projekt – SECHS UNTER EINEM TENNISPLATZ –, in dem er die nach wie vor relevante These vertrat, gleichzeitig zu „100% privat und zu 100% öffentlich zu sein“. In der Ausstellung sind dazu Schautafeln eingerichtet wie etwa auch zu Masterplan und Städtebaulicher Supervision des Stiegl/ASK Geländes in Salzburg, die Meuwissen 1996/97 noch mit One Architecture vornahm. Wenn auch durch einen Wust von Informationen – Skizzen, notierte Überlegungen, Videos und Audiodokumente –, wird die Herangehensweise des Architekten, der bauliche Maßnahmen respektive Entwürfe aus Geschichte, Geländeerkundungen und Verknüpfungen zu beispielsweise Geysiren und Obelisken entwickelte, wenn nicht deutlich, so doch erahnbar. Die Handzeichnung war für Meuwissen grundlegender Bestandteil sowohl seiner Entwürfe als auch seiner Vorlesungen. Beispiele aus den 1960er Jahren belegen die bis zuletzt durchgehaltene Methode der sukzessiven und materialreichen Annäherung an die richtige Form unter gegebenen Anforderungen wie in den kolorierten Zeichnungen von Ulysses Homecoming oder Markies Ouddorp. Letztere spielt nicht allein mit utopisch anmutenden Raum-Vorstellungen und -Konstruktionen, sondern auch mit phonetischen Gleichklängen, nach denen die Markgräfin zur Schatten spendenden Markise wird und Ouddorp (altes Dorf) zum holländischen Badeort Ouddorp.

Es ist wohl so, dass Die Denkräume des Joost Meuwissen, wie sie in dieser Ausstellung ausgebreitet werden, labyrinthisch anmuten. Es ist eine räumliche Zusammenstellung ausgewählter Projekte, Skizzen, Texte, Filme und Interviews. Dazu Ausgaben der in Amsterdam erschienenen, von Meuwissen mit herausgegebenen „architekturwissenschaftlichen Revue“ Wiederhall. Über allem eine Art Leitmotiv: „Practice is theory!”, hinter dem die Forderung steht, „die Theorie im Entwurf denken zu können, statt wie üblich, mit dem Denken ganz aufzuhören, wenn man zu zeichnen anfängt.“
Mit der Schau verbunden ist auch die Präsentation der erstmals 1995 erschienen Karlsruher Vorlesungen Zur Architektur des Wohnens, in der Neuauflage redigiert von Eva Guttmann.

Buch
Joost Meuwissen: Zur Architektur des Wohnens (Neuauflage)
Herausgeber: Fakultät für Architektur der Technischen Universität Graz
Redaktion: Eva Guttmann
Buchgestaltung: Margit Steidl
Klappenbroschur, 264 Seiten
88 sw Abbildungen, 88 Plangrafiken und 50 Skizzen des Autors
EUR 39,10
Park Books, 2018
ISBN 978-3038600954

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