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Ein undichtes Dach, schlechtes Wetter, ein Kontrollgang, ein Knirschen unter den Füßen. Manchmal sind die Wege zum Heben eines Schatzes genauso seltsam wie einfach. Als 2016 ein Nachkomme von Franz Fauth den jahrzehntelang nicht bestiegenen Boden einer Scheune am Hof betrat, kam unter Schutt und Heu Unglaubliches zu Tage. Über 12.000 Glasplattenegative, Fotografien, Korrespondenzen und fotografisches Gerät legte später das Team der Multimedialen Sammlung Joanneum frei.
Franz Fauth (1870 bis 1947) war ein Techniknarr. Im weststeirischen Sulmtal hatte er als einer ersten ein Fahrrad, ein Motorrad, einen Rundfunkempfänger. Nicht überraschend auch den ersten fotografischen Apparat. Die Arbeit mit einer klobigen, mit Glasträgern bestückten Plattenkamera wurde ab 1888 für knapp fünfzig Jahre neben der Landwirtschaft zum zentralen beruflichen Standbein im Leben des leidenschaftlichen Bastlers. Vieles an notwendigem Accessoire fürs Fotografieren, wie Entwicklungsgerät oder Stoppuhr, wurde von Fauth selbst hergestellt. Eine der Scheunen am Hof wurde zu einem Atelier umgebaut. Zeitgenössische Aufnahmen zeigen, dass es an nichts fehlte, das nicht auch die Ateliers in den großen Städten besaßen. Verschiedene gemalte Hintergrundleinwände standen zur Auswahl. Sitzmöbel und Tischchen, die als „motivierte Stütze“ unverzichtbar waren, um wegen der langen Belichtungszeiten unverwackelte Fotos zu erhalten, fehlten ebenso wenig. Für das Überbrücken der Wartezeit auf Aufnahme oder Entwicklung gab es für die Kunden eine Ablage mit Zeitschriften. Darüber an der Wand hing als Werbungsmaßnahme eine Auswahl von Fotografien.
Fauth hielt im Atelier wie im Freien alles fest, was in einer Zeit, in der ein privater Fotoapparat Rarität war, zum klassischen Repertoire eines Berufsfotografen zählte. Porträts, Hochzeiten, Begräbnisse, Umzüge, Feste. Immer wieder nahm er auch Alltagsszenen auf. Der Hausierer vor der Tür zum Wohnraum am Hof musste Modell stehen, ebenso wie der Siebverkäufer auf der Straße oder Mutter und Tochter vor ihrem Hasenstall. Es finden sich Inszenierungen im zeitgenössischen Stil, wenn Gäste des Stroamer Kellers eine Rauferei andeuten. Rätselhafter dagegen ist die Aufnahme eines Hochzeitspaars in einer Kutsche, während unterm First eines Stadels im Hintergrund ein (nachträglich ins Negativ einmontiertes?) gerahmtes Porträt einer älteren Frau zu sehen ist. Wacht da eine verstorbene Mutter über das Eheglück ihres Kindes?
Zumindest eine zeitliche Zuordnung ist bei vielen der Aufnahmen möglich. Fauth hatte die Angewohnheit, eine Jahreszahl in das Negativ zu ritzen.
Aufwändig war die Restauration des Materials. Zwar war das Heu ein Helfer gegen Licht, Luft und Temperaturschwankungen. Dennoch hatten auf vielen Negativen Witterung, Staub und Taubendreck die Emulsion stark angegriffen. Auffällig ist auch, dass ein Teil der Aufnahmen vom Ausschnitt her seltsam schlampig fotografiert wirkt, unscharf oder schlecht belichtet ist. Für Heimo Hofgartner, der gemeinsam mit Walter Feldbacher die Ausstellung kuratiert hat, ein möglicher Hinweis, dass der Fundplatz auch als Ablage für etwaigen Ausschuss verwendet wurde.
Trotz der rein lokalen Motive könnte der bemerkenswerteste Teil der Sammlung auch für eine Anmerkung zur österreichischen Fotogeschichte sorgen. Fauth fotografierte in seinem Atelier im ersten wie auch im zweiten Weltkrieg Kriegsgefangene. Es sind Porträts, die nur marginal sich von den Auftragsarbeiten aus der Bevölkerung unterscheiden. Für Hofgartner sind Studioaufnahmen vom Feind ein Unikum in der Geschichte der Fotografie. Angereichert wird diese Besonderheit zusätzlich durch Bilder ab 1938, in der sich Einheimische stolz mit NS-Emblemen vor die Linse stellen. Zum endgültigen Treppenwitz politischer Entwicklungen wird die Porträtthematik, als sich zu Kriegsende 1945 bulgarische Befreiungssoldaten und Tito-Partisanen stolz mit ihren Waffen im Anschlag ablichten lassen. Laut Zeitzeugen wurde Fauth unter Todesandrohung zu diesen Aufnahmen gezwungen. Der Fotograf, zu diesem Zeitpunkt schon schwer erkrankt, ließ Nachbarskinder die Kamera bedienen. 1947 starb dann Fauth und obwohl seine Söhne das Gewerbe weiterführten, geriet der Nachlass unterm Heu in Vergessenheit.
Museum für Geschichte
Fauth fotografiert ist ein sehenswerter und gelungener Auftakt zum Relaunch des ehemaligen Museums im Palais. Im nunmehr neuen Museum für Geschichte sind die Kulturhistorische Sammlung und die Multimedialen Sammlungen vereint. Während im Parterre die Räume für wechselnde Ausstellungen adaptiert wurden, beherbergt ein oberer Stock nun eine Dauerschau mit Beständen aus dem Joanneum-Depot. Zu sehen ist ein Best of der unterschiedlichen Sammlungen. Der Bogen spannt sich von Schmiedearbeiten über Keramiken bis zu Transportmitteln und Kleidung. Die hermetisch geschlossenen Wände wurden dafür erfreulicherweise geöffnet, sodass wieder natürliches Licht durch die Fenster ins Innere gelangen kann. Da nur sehr wenig Budget für den Umbau zur Verfügung stand, funktionierten INNOCAD als begleitende Architekten metallene Kabelschächte zu Regalsystemen um und spannten Netze davor, die leider die freie Sicht auf die Objekte entsprechend einschränken. Dafür kreiert das Ausstellungsdesign Reflexionen, die für unterhaltsame Licht-Schatten-Zeichnungen in den Gängen sorgen.
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- _E. Gruber,Rezension
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Infobox
Der große Fang
Emil Gruber zur Ausstellung Fauth fotografiert im Rahmen der Eröffnung des Museums für Geschichte, dem ehemaligen Museum im Palais.
Fauth fotografiert
Ein weststeirisches Hof-Atelier
Kuratiert von
Heimo Hofgartner und Walter Feldbacher
bis 08. Oktiber 2017
Museum für Geschichte
(vormals: Museum im Palais)
Sackstraße 16, 8010 Graz
Öffnungszeiten
Mi-So 10 - 17 Uhr