27/08/2014

Von Hinterstoder bis Eisenerz geben Kreative und Zukunftsgestalter regionale Anstöße. Zwischen Blasmusik und Bauernstube ist noch viel Platz für Veränderung.

Der Artikel von Norbert Philipp erschien am 30.07.2014 im Schaufenster der Tageszeitung Die Presse

27/08/2014

Rostfest. Eisenerz füllt sich mit neuem Leben an: ein kultureller Aktivierungsschub von 21. bis 24. August 2014

©: Lupi Spuma - Fine Photography OG

Eisenerz… auf Draht! Ausstellung im öffentlichen Raum in Eisenerz, 21.08.2014 - 30.11.2014

©: eisenerZ*ART

Weiches Ei, Workshop, Wanderweg: Nicht nur Paragleiter landen regelmäßig in Hinterstoder, auch Menschen, die kurze Distanzen schätzen. Und Brücken sowieso. Zwischen den eigenen Gedanken und denen anderer etwa. Oder von der Frühstücks­terrasse hinüber zu frischem fachlichen Input, in der Höss-Halle, einem Indoor-Spielplatz der Ideen mit angeschlossenem Freigelände, der oberösterreichischen Bergwelt. Dort wandern und gondeln jeden Juli die Landinger, Zukunftsgestalter in karierten Hemden, Kopfzerbrecher in kurzen Hosen. Auf die Berge, auf die Höss wandeln sie, aber vor allem Pfade entlang, die ihnen niemand vorgegeben hat, und die in neue Projektideen münden. Kreative Co-Worker aus Städten und ländlichen Gemeinden sind sie, die sich gern auch überlegen, wie man Orte in Österreich, in denen die Blasmusik spielt, wenn der Maibaum fällt, für die Zukunft aktiviert.

Kreative suchen sich Experimentierfläche und Gestaltungsspielraum vermehrt auf dem Land. Dort schubsen sie Dominoeffekte an, legen Innovationskraft frei, fördern Ressourcen zutage, die vor lauter düsterer Zukunftsprognosen kaum einer wahrgenommen hat. Das funktioniert. Weil Menschen wie Christoph Isopp etwa auch das Z’sammhocken wieder pflegen. Dafür stellt er regelmäßig Sessel, Tische und Gelegenheiten auf. Und das nicht nur beim Landinger-Sommer, den er mitinitiiert hat: Schließlich ist sein Büro in Wien auch ausdrücklich eines „für Verknüpfungen“. So rücken Menschen zusammen, die ländliche Regionen aus der Schockstarre des demographischen Wandels wachrütteln. So kommt sich auch näher, was früher kaum kompatibel schien, ländliches Ursprungswissen und die Möglichkeiten neuer Technologien.

Deshalb haben auch neun österreichische Gemeinden, die das so ähnlich sehen, einfach ihre eigene Region gegründet: den Verein der Zukunftsorte. Auch so ein Projekt, das Isopp gemeinsam mit Architekt Roland Gruber auf Schiene gebracht hat.  Hinterstoder gehört ebenso zum Netzwerk,  die Gemeinde verlässt sich vor allem auf ländliche Baukultur und nachhaltigen Tourismus. Dort gondelt man mit Aktiv-Karte gratis auf den Berg und durchs ganze Tal per Tälerbus oder Elektro-Wandertaxi. 
Munderfing in Oberösterreich dagegen setzt auf einen Energie-Selbstversorger-Windpark, Moosburg in Kärnten auf das Thema Bildung und die dazugehörige Architektur. 
In allen Zukunftsorten ist der Wille zur selbstbestimmten Veränderung heimisch geworden. Genauso wie die Überzeugung, dass man dem „Braindrain“, wenn die Innovationskraft gemeinsam mit den Menschen in die Städte zieht, auch mal den Hahn abdrehen kann. Dafür haben die Gemeinden in Wien ein geschicktes Schlupfloch installiert: Über das Kommunalkonsulat im vierten Wiener Bezirk lassen sich Ideen und Engagement leicht wieder zurück in die Heimat einschleusen.

Rosten statt rasten. So manche Region in Österreich hatte in den letzten Jahren nicht viel zu feiern. Zumindest gaben die demographischen Statistiken dazu kaum Anlass. Statt Land und Leute: Land und Leere. Auch im steirischen Eisenerz schrumpft der Erzberg konsequent und damit die Ressource, die die Region hunderte Jahre nährte. Dafür wächst etwas anderes umso mehr: der Raum und seine Möglichkeiten. „Da entstand eine neue Ressource für die künstlerische und kulturelle Produktion“, sagt Soziologe Rainer Rosegger. Er ist mit schuld, dass sich Eisenerz entschieden hat, einmal nicht nur apathisch dazuliegen. 
Gemeinsam mit Elisa Rosegger und Franz Lammer hat er das Rostfest in die Region geschickt. Jetzt bringen Kreative reichlich temporären Füllstoff mit für Leere, bespielen Gebäude außen mit Visualisierungen, innen mit Musik, Workshops, Performances und Installationen sowie die Straßen dazwischen mit Street Art und anderer Kunst. 
Das Rostfest lässt eine Region hochleben, die glaubte nichts mehr feiern zu können. Und zelebriert, was die Region selbstbestimmt sein könnte...

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