18/08/2005
18/08/2005

Ein älteres Beispiel für die Bauform des Hauses in der Josefigasse 73 stand an der Stelle der heutigen Steiermärkischen Sparkasse am Andreas Hofer Platz in Graz.

Haus Josefigasse 73 in Graz

Im 16. Jahrhundert wurden in der Grazer Murvorstadt – im Lend, dem IV. Bezirk – die Straßenzüge der Mariahilferstraße und der Josefigasse entlang den damals noch nicht trocken gelegten Murarmen angelegt. Die heute noch existierende unregelmäßige und gekrümmte Straßenführung entspricht damit annähernd der ursprünglichen. Zu Anfang des 17. Jahrhunderts erfolgte die Anlage des großen Marktplatzes Lendplatz, dem städtebaulich und im Zuge der Stadtentwicklung große Bedeutung zukam. Nicht weit davon entfernt errichtete 1767 Andrä Farovino eine „Cotton und Leinwanth-Truckerey“, die 1825 stillgelegt, von Baumeister Franz Xaver Aichinger adaptiert und seither als Wohnhaus genutzt wurde.
Das Haus Josefigasse 73 wurde nicht unter Denkmalschutz gestellt. Es werden wohl wirtschaftliche Überlegungen sein, die die Eigentümer bewogen haben, einen Abbruchantrag zu stellen, der vor kurzem seitens des Stadtbauamtes genehmigt wurde. Mit dem Abbruch des Hauses Josefigasse 73 verliert Graz ein weiteres Beispiel historischer Baukunst und in diesem speziellen Fall den letzten Vertreter von ehemals dreien für das dreifache Grabendach mit Schopfwalmgiebeln. Ein älteres Beispiel für diese Bauform stand anstelle des Amtshauses am Karmeliter Platz neben dem heutigen Landesarchiv, ein zweites an der Stelle der heutigen Steiermärkischen Sparkasse am Andreas Hofer Platz.

Das zweigeschossige Wohnhaus Josefigasse 73 ist mit einem Tonnengewölbe unterkellert (Bodenbelag Murnockerln), die straßenseitige Freitreppe führt an einen tonnengewölbten Mittelflur, über den sich die Wohnräume erschließen. Die Wohnungen im Obergeschoss sind mit Holzriemendecken ausgestattet, darunter eine mit geschwungenem Stuckspiegel.
Sozialgeschichtlich stellt dieses Gebäude ein anschauliches Beispiel bürgerlicher Wohnkultur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Graz dar, zudem ist es letztes Zeugnis des im 18. Jahrhundert blühenden Stoffdruckergewerbes.

Freilich ist eine lebenswerte Stadt nicht ohne zeitadäquate Adaptionen denkbar; wer möchte schon in einem Museum leben? Andererseits aber zeichnen sich in Graz diverse Investoren durch ein besonderes Maß an Ignoranz gegenüber historisch wertvoller Substanz und der Erhaltung eines wenigstens historisch interessanten Stadtbildes aus, wie sich an immer wieder zu erinnernden Beispielen zeigt: Kommod-Haus, Griesplatz 24, Villa Lazarini (Elisabethstraße), Sackstraße, Grüne Gasse, Schützenhofgasse oder das eben erst abgerissene Biedermeierhaus in der Zeilergasse 52, das wohl einer anstehenden Blockrandverbauung weichen musste. Dagegen positiv die Renovierung des Palais Jacomini (Steinfeldhaus) oder des Glockengießerhauses in der Wickenburggasse 17.

Eva Maria Mannsberger

Sehr geehrte Damen und Herren,
nach längerem Recherchieren des Namens "Farovino" bin ich auch auf Ihren Artikel bez. Lendplatz - Farovino gestossen. Dieser Name Farovino scheint bei mir ihn einem handgeschriebenem mediz. Rezeptbuch des frühen 18. Jhdts, stammend aus Steyr auf, das ich bearbeite, neben vielen anderen Namen, wie Fundeisin, Zettenhoferin, Rathgebin, etc.(doch leider nicht verortet)auf.
Das Rezept trägt den Titel " Pflaster wie solches Herr Farovino machet." Möglicherweise besteht eine Verbindung zu diesem Mann aus Graz. Vielleicht ist Ihnen mehr zu der Familie und Tätigkeit der Familie des Herrn Farovino bekannt? Gerne würde ich mit Ihnen Kontakt aufnehmen, meine Emailadresse habe ich angeben.
Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mich kontaktieren würden.
Mag. Eva Maria Mannsberger

Mo. 08/04/2013 1:33 Permalink
wambacher_www

Antwort auf von Eva Maria Mannsberger

AUS Bernhard A. Reismann: Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Stadt Graz 1500 bis 1800.
(Geschichte der Stadt Graz, Bd. 2, S. 150f.)
Als erster Leinwanddrucker der Stadt ist im Jahr 1701 der gebürtige Ungar Jacob Philipp Szerdahéli (Certohelli) genannt, der in der Murvorstadt lebte und arbeitete. Er wurde 1713 als Bürger aufgenommen und erdachte in den nächsten Jahren neue Model und Formen, bemühte sich auch um den Baumwolldruck, brachte eine Baumwollspinnerin und einen Webergesellen aus Augsburg nach Graz und errichtete eine eigene Bleiche, um Leinen und Baumwolle nach dem Druck wieder zu bleichen. 1729 wurde sein Unternehmen privilegiert, 1740 wurde ihm sogar ein Privilegium Privativum ausgestellt, doch um die Mitte des 18. Jahrhunderts arbeiteten in der Stadt bereits vier Leinwanddrucker.351 Dennoch beherrschte Szerdahéli den Grazer Markt vollständig. Er verfügte über weit reichende Handelsverbindungen in die gesamte Steiermark, nach Salzburg, Oberösterreich, Kärnten, Venedig und Triest und gar nach Rom.352 Der Betreiber des Unternehmens verstarb am 20. Oktober 1748 und seine Witwe Maria Apolonia ehelichte 1750 den Handlungsbedienten Andreas Farovino aus Graubünden, der die Druckerei und Färberei weiterführte und ausbaute.
Das Werkstättengebäude nahm seinen Ausgang in einem Pferdestall in der Josefigasse 57 oder 59 und entwickelte sich rasch zu einem Großbetrieb, der zwar arbeitsteilig organisiert war, allerdings über keinerlei mechanische Hilfsmittel verfügte. Hier befanden sich bald Blachenhaus und Manggebäude samt Färberei und Kesseln.353 Zu den Bediensteten fehlen leider genaue Zahlen. Sicher jedoch gab es um das Jahr 1768 mindestens drei Druckergesellen, einen weiteren Gehilfen, einen Hausknecht, ein Ladenmensch und eine Angestellte sowie ein Kuchelmensch und ein Viechmensch, die allerdings eher nicht zu den mit der Druckerei und Färberei Betrauten zu zählen sind.354
Die Unternehmung ging nach Farovinos Todim Jahr 1776 in den Besitz des Grazer Handels-mannes Johann Anton Poschinger und dessen Gattin Theresia über, die sie bis nach 1790 betrieben. Die „Skitze von Grätz“ vermerkt noch: Die poschingerische Leinwanddruckerey soll sehr gut seyn, und würde noch blühender werden können, wenn sie Unterstützung hätte.355 Allerdings zeichnete sich der Zerfall des Unternehmens bereits ab, da im aus-gehenden 18. Jahrhundert die technische Entwicklung, insbesondere der Übergang zum maschinellen Walzendruck, in der Josefigasse nicht mehr mitvollzogen wurde. Die ehemaligen Betriebsräume wurden zu Wohnzwecken umgestaltet. 356

Di. 09/04/2013 10:31 Permalink
Mannsberger Eva Maria

Antwort auf von wambacher_www

Sehr geehrter Herr Wambacher!
Erst jetzt finde ich zufällig Ihre Antwort auf meine Anfrage zu Herrn Farovino. Vielen Dank für die Auskunft.
Ich hätte da noch einige Fragen. Wenn es möglich ist, dann würde mich sehr freuen, wenn Sie mit mir per email Kontakt aufnehmen würden.
Mit freundlichen Grüßen
Eva Maria Mannsberger

Fr. 12/07/2013 6:06 Permalink
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