25/04/2020

CORONA GEDANKEN 12

Villa Corona

Eine Entwicklungsgeschichte von Armin Lixl

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25/04/2020

Watching you

©: Emil Gruber

Villa Corona, Ansichten, Schnitt

©: Armin Lixl

Villa Corona, Grundrisse

©: Armin Lixl

Coronazeit, Stillstand, Selbstgespräche. Planen zwischen Reflex und Reflexion. Armin Lixl setzt sich mit Lixl Armin auseinander, will ihm was zeigen, was erklären, Kritik hört er weniger gern. Wer bin ich und wenn ja, wie viele? Verwirrung in der Krise und Träumen von einer Zeit danach.

Spiegelinterview #1

L.A.: Hallo, ich bin‘s, sorry, dass ich schon wieder auf der Matte steh‘, so kurz nach dem letzten Mal. Bin aber neugierig auf dein neues Projekt, ein Traumhaus für dich selber. Wie läuft es, hast du schon was gezeichnet? Oder stör ich gerade?
A.L.: Du störst immer. Was soll‘s. Wenn du schon da stehst. Komm rein.
L.A.: Wie geht’s dir denn mit deinem Traumhaus.
A.L.: Ich weiß nicht. Ich hab da was gezeichnet. Ist aber doch nicht mein Traumhaus geworden, viel eher schon das Haus für meine Traumkunden.
L.A.: Das versteh ich nicht. Was heißt hier Traumkunden?
A.L.: Naja, ich selber hab eigentlich kaum mehr Bedürfnisse. Ich bin schon über das Alter hinaus, ans Hausbauen zu denken. Das Haus, das ich da geplant hab, ist für eine junge Familie. Drei Kinder hab ich mir da vorgestellt. Eine ganz normale Familie, wie ich das von früher her kenne.
L.A.: Da hat sich aber doch einiges geändert. Sollte das nicht in ein aktuelles Bauprogramm einfließen:
A.L.: In Wirklichkeit hat das ja früher auch nie so richtig funktioniert. Zuerst der Stress mit dem Hausbau, dann kommen die Kinder eins nach dem anderen, das Haus füllt sich, wird zu eng und dann sind die Kinder plötzlich weg und das Haus ist viel zu groß.
L.A.: Der Fluch des Einfamilienhauses eben. So wird es auch deinem Haus ergehen.
A.L.: Nein, das muss nicht sein. Das Haus ist mit minimalem Aufwand in drei Einheiten zu teilen. Das Erdgeschoß bleibt den Eltern, ein Apartment, vielleicht für Feriengäste, ist von außen über die Terrasse zugänglich das andere über die Innenstiege. Der nötige Aufwand zur Adaption ist minimal. Und reversibel.
L.A.: Das ist sicher ein Plus. Aber für die Gestaltung eines Hauses doch wohl nicht das wesentliche Kriterium. Ein wenig simpel ist es geraten, dein Traumhaus, wenn ich das mal so sagen darf.
A.L.: Na und?
L.A.: Ich mein‘ ja nur, ein Traumhaus ist doch nicht simpel, und zwischen Nachbarn mit Tiroler Haus, Doppelgarage, Dreifachbalkon, Pool und was weiß ich noch, wird es förmlich im Erdboden versinken. Na vielleicht glänzt es ja mit inneren Qualitäten.
A.L.: Maria und Josef, denkst du denn wirklich, dass meine Traumkunden sich den Grund in einer Siedlung kaufen müssen? Natürlich gibt es da ein tolles Grundstück im Familienbesitz, Südhang, Einzellage, am Fuß vom Schöckel, Kalkleiten vielleicht, da irgendwo, verstehst du!
L.A.: Aha! Das ist dann natürlich was ganz anderes. Trotzdem mickrig, die Bude.
A.L.: Ich seh schon, du bist immer noch der gleiche Angeber wie früher. Wird Zeit, dass du dich da mal transzendierst. 170 m2 Wohnfläche sind nicht mickrig – und noch dazu die riesige Garage und das Atelier! Überhaupt der ganze Keller! Werkstatt, Fitness, Wellness, Erdkeller. Was willst du denn noch?!
L.A.: Lass mal gut sein, wollt' dich ja nur ärgern. Übrigens selber transzendieren von wegen Südlage und so.
A.L.: Na gut, innere Qualitäten stimmt vielleicht. Und besonders groß wirkt das Haus auch nicht. Das machen der quadratische Grundriss und die sparsame Gestaltung. Nach außen wollte ich wirklich möglichst wenig Wirbel machen. Der Schmuck des Hauses soll vor allem seine Farbe sein.
L.A.: Was stellst du dir denn vor? Rot? Ocker?
A.L.: Weiß ich nicht. Das wird sich erst ganz zum Schluss zeigen. Und das werde auf keinen Fall ich allein entscheiden. Da hat jeder eine Stimme, die Hausfrau sogar zwei und gegen ihren Willen darf in dieser Frage sowieso gar nichts entschieden werden. Ich kann da nur ein schönes Buch mitnehmen. Weiß schon was ich da herzeigen werde. Luis Barragán.
L.A.: Ah, Mexico. Schaut sowieso irgendwie mexikanisch aus, deine Finca. Wenn ich das Atlierhaus anschau', lacht mir ja förmlich ein Aztekengott entgegen. Gruselig.
A.L.: Ja das wird eben ein Mexikaner sein, mein Traumkunde, Bildhauer oder Maler, wie mir scheint. Künstlerpärchen wahrscheinlich sogar. Er Mexiko, sie Steiermark. Die Kinder werden wohl auch alle Künstler werden, die armen Kleinen. Musiker wahrscheinlich, deshalb hab ich die Garage so groß geplant, du weißt schon Garagenband, man kennt das ja.
L.A.: Innen ist soweit alles ganz gut aufgeteilt, großzügig fast. Trotzdem noch mal zum Außen. Der Blick bleibt wirklich kaum wo hängen. Mit Ausnahme der kleinen Fenster vielleicht. Wie Schießscharten irgendwie.
A.L.: Ja zum Blicke schießen. Ich hab mir vorgestellt, dass sich das Haus nach einer Seite hin, vielleicht nach Norden, weniger öffnet, wegen dem Wetter oder der Aussicht oder so. Da bin ich auf die kleinen Fenster gekommen aber auch auf die tiefen Laibungen. So kommt viel Licht und für den Innenraum bleibt mehr nutzbare Wandfläche. Irgendwo will ich ja auch Platz haben für ein Bild oder ein Regal. Kennst du die Kirche von Corbusier? Der Effekt der Fenster ist toll. Ich hab mir das angeschaut, bin extra hingefahren.
L.A.: Verstehe. Also die Farbe wird wichtig, sagst du. Das Material auch?
A.L.: Natürlich. Wird aber trotzdem nicht spektakulär. Ziegelmauern oder besser gleich Lehm, Stahlbetondecken und Holzfenster. Innen auf jeden Fall Lehmputz, im Erdgeschoß Steinböden, schwarz und weiß irgendwie, im Obergeschoß dunkler Parkett. Im Groben wär’s das auch schon.
L.A.: Wie steht's mit dem Garten?
A.L.: Ja, der Garten. Tiere und Pflanzen würd ich sagen. Ziegen, Hühner, Bohnen, Mais – alles was es eben für ein kräftiges Chili con Carne braucht. Rinder und Pferde auch, gut zur Alm am Schöckl ist‘s ja nicht so weit.
L.A.: Das braucht dann aber wohl noch einen Wirtschaftstrakt. Und ohne Werkstätten geht’s auch nicht. Und Weinbau. Hast du darauf ganz vergessen? Und die Bediensteten wollen schließlich auch wo wohnen.
A.L.: Schön langsam kommt mir auch vor, das Haus könnte ein wenig repräsentativer sein.
L.A.: Ja doch, eine Hazienda braucht eine Veranda.
A.L.: Also gut. Dann soll die Villa Corona halt ein bescheidener Anfang sein, kann ja später das Gästehaus werden, oder das Haus für den Gärtner.
L.A.: Das klingt schon vernünftiger. Also eine Veranda und einen Teich noch, das ist wichtig im Sommer, und die Sommer werden in Zukunft ja immer heißer.
A.L.: Jetzt aber Schluss. Dir reicht man den kleinen Finger und du greifst gleich nach der ganzen Hand. Jetzt ist mal dieser Plan da und das muss reichen. Immer schön klein beginnen, sonst wird das nichts.
L.A.: Dann fehlen also nur noch die Traumkunden.
A.L.: Die fehlen allerdings. Wird gar nicht leicht sein, die zu finden, schon wegen der Südlage und dem Familienbesitz. Mein einziger Ansatzpunkt ist wohl Kalkleiten. Und dass er Mexikaner ist.
L.A.: Das ist doch schon was. Nix wie hin zur Gemeinde, die Mexikaner sind im allgemeinen streng katholisch, der Pfarrer weiß vielleicht was. Ausserdem, wenn sich eine unserer höheren Töchter mit einem Mexikaner einläßt, bleibt das in Graz nicht lange unbemerkt, sag ich nur mal so. Und wenn das alles nix hilft, kannst‘ es immer noch mit einer Flaschenpost versuchen. Ich hab da noch eine Flasche mexikanisches Bier, lecker Corona. Im Übrigen, ich muss jetzt weiter, ich wünsch dir was.
A.L.: Guter Tip mit der Flaschenpost. Gar nicht so blöd, der alte Knabe. Danke und pass auf auf dich.

Spiegelinterview  #2

A.L.: Hallo mein Lieber. Ich melde mich, weil ich ein wenig Input von dir jetzt ganz gut gebrauchen könnte, hast du Zeit - kannst‘ zu mir rüber kommen?
L.A.: Lass mich das nur flott zu Ende bringen, bin dann gleich bei dir.
A.L.: Begrüße, Komm rein, magst du was trinken? Jö schau, du hast ja was mitgebracht. Das kenn ich doch.
L.A.: Ich hab mir gedacht, das könnte der richtige Input sein. Hab selber auch ein bissl nachgedacht.
A.L.: Du kennst mich nicht schlecht.
L.A.: Du hast mir ja den Tip gegeben, von wegen Farbe des Hauses und welches Buch du mitnehmen wirst. Da hast du ihn zurück, deinen Luis Barragán. Den wirst ja nun eher du brauchen. Ist wirklich phantastisch. Und bei all der Freiheit und dem Spielerischen so seltsam ernsthaft.
A.L.: Das wollt ich ohnehin ansprechen, das gestern war wohl etwas sehr launisch, das tut mir leid.
L.A.: Kein Ding, hat ja auch Spaß gemacht.
A.L.: Danke für dein Verständnis. Manchmal kenn ich mich selber kaum wieder.
L.A.: Lass das und schieß los. Und übrigens, hast du ein Bier für mich?
A.L.: Corona?
L.A.: Sicher. Danke.
A.L.: Ja mir sind so einige Dinge durch den Kopf gegangen und ich hab tatsächlich an Luis Barragán gedacht. Vor allem an seinen subtilen Umgang mit dem Räumlichen. Die Farbe, das Licht und das Material, auch die Bäume sind mir als Stimmung gegenwärtig geworden, der Raum aber wurde mir zum Rätsel. Wie macht er das, mit so wenigen Elementen so viele Beziehungen herzustellen? Da hab ich mir gedacht, ich versuch das jetzt mit der Villa Corona auch. Ich dachte mir, große Fehler hast du bisher in dem Entwurf noch nicht gemacht, geh jetzt einfach in die Tiefe, lern was dazu, nutz die Chance Corona. Die Villa Corona soll nicht nur ein lauer Scherz sein.
L.A.: OK. Wie hast du dann begonnen?
A.L.: Na, wie schon. Ich hab mir die Pläne angeschaut und insgesamt eine gewisse Beziehungslosigkeit gespürt.
L.A.: Räumlich?
A.L.: Genau! Beim Keller bin ich dann drauf gekommen. Kastl, Kastl, Kastl, nur Funktionen addiert, ein aus den Fingern gesogenes Raumprogramm unreflektiert abgearbeitet aber keinen Raum geschaffen. Finster, unpraktisch und fad. Wenn‘s im Keller schon so los geht, wie soll‘s dann nach oben hin weiter gehen. Das hab ich mir gesagt und erst einmal alle Wände rausgeschmissen und mit den Kastln aufgeräumt.
L.A.: Und die Kellerstiege hast du verlegt. Die war zuerst ja unter der Stiege ins Obergeschoß.
A.L.: Genau! Mein Kunde ist ja Künstler und den schick ich nicht durch die halbe ‚Unterwelt‘ bis  er endlich in sein Atelier kommt und auf dem Weg zurück dann wieder in den Vorraum kommt und zum normalen Bürger wird. Nein der hat zwischendurch Hunger und will rauf kommen in die Küche oder er kommt am End‘ mit schwerem Material in der Garage an – oder er hat vielleicht Gäste und setzt sich mit denen erst mal in die Veranda. 
L.A.: Ah. Da sehen sie ja schon den tiefer liegenden Platz und das große Atelierfenster.
A.L.: So ist es. Irgendwann geht er dann mit ihnen runter, um ihnen seine aktuellen Arbeiten zu zeigen. Da schick ich die feine Gesellschaft nicht wieder durch das ganze Haus, dann durch die halbe Unterwelt, sondern schau, dass das möglichst direkt geht.
L.A.: Und dann hast du all diese Bewegungen in dem seltsamen Punkt zwischen Garage und Küche konzentriert.
A.L.: Ja ein Minimalraum mit vier Türen. Ein Gelenk zwischen zwei Baukörpern. Das hat mich herausgefordert. ‚Punktus Knaxus‘, leg alle Probleme in einen Punkt zusammen und lös den Knoten. Wenn‘s gelingt ist es super, wenn’s nicht gelingt musst du eben damit leben. So sind jetzt zwei Baukörper unterschiedlicher  Ausprägung, Größe und Funktion entstanden.
L.A.: Da hast also die Hierarchie, Hauptgebäude und Zubau, aufgegeben.
A.L.: Ja. Es ist jetzt ein Verhältnis wie zwischen einer großen Schwester und ihrem kleinen Bruder.
L.A.: Das mag ich. Und wie ich jetzt sehe, haben die etwas mit dem sie gemeinsam spielen, den abgesenkten Hof. Wie zwei Kinder, die so da hocken und mit Murmeln spielen. Gut auch, dass der Hof um ein weniges abgesenkt ist. Jetzt wird’s räumlich spannend. Überhaupt sind die drei Freiflächen in ihrer Zusammenstellung interessant. Hof, Veranda und oben drüber ist ja noch die große, ich sag mal, Himmelsterrasse.
A.L.: Schön, dass du das auch so siehst. Zentrum aber ist der gemeinsamen Hof und deshalb hab ich dort auch einen Baum gepflanzt.
L.A.: Lassen wir noch kurz den Baum, dazu möchte ich später noch einiges wissen und bleiben wir noch beim Keller. Der hat jetzt ja enorme Bedeutung in dem Entwurf gewonnen. Ich lese da Halle, sehe ein Klavier. Lager, Werkstatt, Erdkeller - alles Profane ist verschwunden.
A.L.: Das ist aus mehreren Gründen so geworden. Erstens wollte ich einmal keinen normalen Keller mehr, dazu war mir jetzt die Beziehung zur ‚Unterwelt‘ zu wichtig und das gab mir auch die Möglichkeit freier zu denken und etwas zu probieren.
Zum Zweiten sind in diesem Entwurf die Möglichkeiten zur Belichtung des Untergeschoßes eingeschränkt. Ich hab mich darauf festgelegt, das Licht nur über den abgesenkten Innenhof ins Innere zu führen. Kellerfenster, am Ende noch mit Lichtschacht und Gitterabdeckung, sind mir ein Greuel. Das wollte ich vermeiden.
L.A.: Da waren dann natürlich die Wände und damit auch die Funktionen im Weg. So bist du also auf den Großraum, auf die Halle gekommen. Find ich gut. Wenn du einmal diesen Raum, und ich lese der hat über 80 m2, wenn du den also einmal gesehen hast, wirst du dir genau überlegen, ob du ihn mit all deinem Kramzeugs voll stellen willst. Außerdem hast du dann ja genug Zeit dir dazu eine elegante Lösungen einfallen zu lassen. Wie ich dich kenne, geht’s da aber noch um was anderes.
A.L.: „Unterwelt“ an sich ist schon was anderes. Immer. Worte dafür wirst du nicht finden.
L.A.: Du denkst doch nicht etwa an Mystik?
A.L.: Quatsch. Mein Ding ist Wissenschaft, du kennst mich doch. Ich interessiere mich für Instinkte, nicht für Märchen.
L.A.: Ich lass das jetzt mal so stehen, ich muss da selber drüber nachdenken.  Nun zum Baum. Ich kenne ja deine Entwürfe und da sind immer irgendwelche Pflanzen und Menschen. Auch Bäume. Dieses Mal ist das aber anders. Dieses Mal geht es um nur einen Baum. Damit sind wir jetzt wohl direkt bei Luis Barragán. Jeder, der an sein Werk denkt, wird sich an den einen Baum erinnern. Warum denkst du, hat er dem Baum eine solch zentrale Bedeutung zugestanden.
A.L.: Sehr gute Frage. Ich denke es geht um eine weit unter der bewussten Wahrnehmung liegende Schicht, die in uns angeregt wird, das braucht keine Worte. Ähnliches gilt auch beim Bauen unter der Erde. Ich denke es geht ihm um Vollständigkeit. Wenn der Baum nicht da wäre, würde er fehlen.
L.A.: Ist das nicht ein Zirkelschluss?
A.L.: Nein, denk‘ nach.
L.A.: Du weißt schon, dass der Baum in diesem Fall vorher schon da war.
A.L.: Ja, in diesem Fall hat zur Vollständigkeit noch das Haus gefehlt.
L.A.:. Ich seh die Villa Corona jetzt schon vor mir, in Pink, Ocker und einem fahlen Mintgrün. Der Himmel strahlend blau.
A.L.: Na, na! Ich sehe, du hast das Buch wirklich studiert.
L.A.: Ein wenig schon. Lieber ist es mir aber, mit dir zu reden, du bist da und dich kann ich fragen. Jetzt machen wir aber Schluss. Ich sag nur noch: Viva Villa Corona!
L.A.: Ole!

Spiegelinterview  #3

A.L.: Ahoi, mein Lieber! Wie steht‘s denn so bei dir?
L.A.: Heute fragst einmal du mich, wie’s steht?!
A.L.: Wieso nicht. Dauernd rede ich und und es geht ständig nur um meine Ideen und Einsichten. Das muss dir doch mit der Zeit langweilig werden.
L.A.: Das vergiss mal gleich wieder, ich weiß schon, wann und wie ich mich einbringen mag und am liebsten ist mir, du machst deine Dinge ordentlich und ich muss gar nichts sagen.
A.L.: Entschuldigung, wollt ja nur höflich sein.
L.A.: Schluss damit. Hast wohl nichts mehr zu tun coronamäßig!
A.L.: Ja, ich glaub der Entwurf steht.
L.A.: Glaubst du also. Ich seh das anders. Wann bitte hast du die Möglichkeit, dich mit einem Entwurf so frei und selbstbestimmt auseinander zu setzen, wie gerade jetzt. Es ist Coronazeit. Du hast keine Bauherrn, die dich und deine Ideen immer nur halb verstehen, keinen Druck von der Behörde und auch keine Firmen, mit denen du dich herumärgern musst.
Ich würd‘ dir empfehlen, jeden einzelnen Raum noch einmal durchzugehen und dir klar zu werden, wie du zu deinen Entwurfsentscheidungen gekommen bist.
A.L.: Du willst wohl, dass ich noch einmal alles umwerfe. Das kannst du vergessen.
L.A.: Dazu sag ich jetzt nichts.
A.L.: Das Ist auch besser. Jeden Raum soll ich durchgehen. Das hab ich doch schon längst wieder vergessen.
L.A.: Und wie willst du dann was lernen?
A.L.: Hm. OK. Ich mach mit bei deiner Forschungsaktion. Was war mein erstes Bild? Ich hab mir ein Haus vorgestellt, leichter Hang offener Blick Richtung Süd. Ideale Bedingungen also. Der Sohn einer Freundin hat sich für das Grundstück interessiert, ich hab ihn da beraten. Das ist dann anders gekommen, er hat ein Haus gekauft und wollte sich die Mühen des Bauens ersparen. Egal um das soll es jetzt nicht gehen.
L.A.: Schau, das hat also einen realen Hintergrund gehabt!
A.L.: Ja doch. Das ist aber unwichtig. Mir war das schon damals mehr Studienprojekt als Realität. Willst du jetzt was hören zur Entwurfsgeschichte oder nicht?
L.A.: Schieß los.
A.L.: Also ich hab mir ein Haus vorgestellt und sah eine kleine Villa vor meinem geistigen Auge, alles durchaus bescheiden, in den Maßen und im Erscheinungsbild. Es gibt da so eine kleine Villa in der Schubertstraße, die kleine rote, in guter alter Werkbundtradition gebaut. Die kennst du sicher.
L.A.: Ja, die ist süß. Ich war da sogar einmal drinnen. Bescheiden und großzügig, ein Phänomen irgendwie.
A.L.: Ja. Aus dieser Haltung ist schon einiges in den Entwurf eingeflossen. Zum Beispiel die niedrige Raumhöhe im Eingangsbereich um dann mit drei Stufen nach unten dem Wohnzimmer betont Großzügigkeit zu geben. Ich spiele mich gern mit diesen leichten Abweichungen vom Normalmaß, auch bei meinen Möbeln. 
L.A.: dem Tisch, der ein wenig zu schmal ist, dafür aber zu lang?
A.L.: Ja, zum Beispiel. Diese leichten Irritationen fallen ja kaum auf, wirken aber um so mehr. Mir ist das am liebsten. So entsteht Atmosphäre. Wir denken in Kontrasten und Verhältnissen. Wenn man da nicht übertreibt, hat man sogar ein taugliches Werkzeug in der Hand. Ein anderes Werkzeug hab ich mir auch zurechtgeschnitzt. Das ist mir jetzt aber fast peinlich
L.A.: Raus damit!
A.L.: Du weißt ja, ich hab die letzten zehn Jahre praktisch ausschließlich Kunst gemacht und bin mit der Architektur ein bissl außer Übung geraten. Außerdem haben meine ehemaligen Partner in der PENTAPLAN, Wolfgang und Klaus, inzwischen so eine Meisterschaft im Wohnbau erreicht, dass ich mich richtig anstrengen musste, da was Entsprechendes zu schaffen. Das betrifft neben vielen anderen Aspekten vor allem die Grundrissentwicklung. Ich kenn das, da geht es ständig um Zentimeter, das ist ein Herumgeschiebe, bis du dich nicht mehr auskennst, vor allem warum du dies oder jenes verändert und verschoben hast. Um da auszuweichen, hab ich mir ein Raster zurechtgeschnitzt, mit dem ich flott alle Raumgrößen abbilden kann. Ich hab das versucht und ich bin da auf 125 cm gekommen. Das hat mich irgendwie doch sehr befriedigt, wie schnell und zuverlässig das funktioniert hat. Es ist ja auch ziemlich viel von diesem Raster in der weiteren Verfeinerung des Entwurfes erhalten geblieben.
L.A.: 125 cm sagst du. Ist das nicht zwei mal 62,5 cm?
A.L.: Ja das ist mir peinlich. Ich hab das ganz stupide Grundraster des industriellen 08-15-Bauens noch einmal erfunden. Als nächstes erfind ich dann das Rad und fühl mich großartig.
L.A.: Da breiten wir lieber ein Tuch des Schweigens drüber.
A.L.: Danke. Aber es hat funktioniert und ich werde das auch in Zukunft verwenden, jedenfalls zu Anfang eines Entwurfes.
L.A.: Mach wie du glaubst. Hättest du mich gefragt, ich hätte dir das gleich empfehlen können.
A.L.: Du weißt, dass ich das nicht kann. Ich glaub gar nichts, wenn ich nicht selber drauf komm. Segen und Fluch. Das ist so bei mir.
L.A.: Egal, bleiben wir beim konkreten Entwurf, Raum für Raum, wenn‘s möglich ist, bzw. wenn‘s dir sinnvoll scheint:
A.L.: Warum nicht. Fangen wir mit der Garage an?
L.A.: Ja, da kommen wir schließlich an, das Haus liegt im Grünen, das wird ohne Auto schwerlich funktionieren.
A.L.: Die ist groß, die Garage. In der Tiefgarage hast du 12,5 m2 für zwei Autos. Bei mir sind es über 50 m2. Da geht sich schon ein wenig mehr aus, Garagenband inklusive. Nein Spaß beiseite. Da wird sicher auch eine Werkstatt eingerichtet und für die Küche wird auch einiges dorthin ausgelagert, Kühltruhe und Holz für den Tischherd zum Beispiel. Im Boden wird es wohl eine große Öffnung geben, wenn große Lasten in oder aus dem Atelier bewegt werden sollen oder zur Reparatur des Autos von unten. Die ist im Normalfall natürlich abgedeckt. Die Oberflächen, Wände, Boden, Decke sehe ich sehr schlicht und hell, den Boden glänzend poliert.  Der nächste Raum ist schon das erste Highlight. Ein Miniraum, vier Türen, keine Wände. Was ist da wohl zu gestalten? Gar nicht so wenig, wie mir scheint. Der Boden ist denke ich ein einziger Fußabstreifer, robust und nicht zu hell. Die Tür ins Freie wird eine Glasöffnung haben, nicht allzu groß, würd ich sagen. Die anderen drei könnten eigentlich auch so sein. Alle vier gleich.  An der Decke eine zentrale Lampe.  Ja da steh ich nun und kann in drei Richtungen weiter. Will ich gleich ins Freie, will ich ins Atelier oder geradewegs weiter in die Küche. Wo willst du den hin?
L.A.: Wo du willst.
A.L.: Gut ich bin der Künstler. Ich geh also in mein Atelier. Die Küche und der Außenraum sind ja, glaub ich, ganz gut im Plan lesbar. Ich öffne die Tür und ansatzlos wirft sich eine gerade Stiege hinab und wendet sich unten an der, vom großen Atelierfenster erhellten, Wand. Ziemlich dramatisch, würd ich meinen und auch überraschend, wie sich dann der Atelierraum öffnet. Der ist vom großen Fenster dem Blick in den Hof und damit vom Baum dominiert. Er ist quadratisch, hat etwa 55 m2 und ich stell ihn mir ganz weiß vor, auch den Boden. Irgendwann entdecke ich die einzige weiter führende Öffnung unter der Stiege und gelange über drei Stufen hinab in einen weiteren Raum, in die Halle. Die soll in einem denkbar großen Kontrast zum Atelier gestaltet sein, dunkler, gesetzter, auch akustisch.
L.A.: ich stell mir das jetzt wie eine Höhle vor, die nach hinten immer weiter gehen könnte, jedenfalls auf den ersten Blick keine Begrenzung, kein Ende zeigt.
A.L.: Den Boden stell ich mir glatt aber nicht glänzend vor. Mit Teppichen ausgelegt vielleicht. Ja Teppiche.
L.A.: du hast ein Klavier gezeichnet. Warum?
A.L.: Erinnere dich an das Haus von Luis Barragán. Der Auftraggeber hat zu ihm gesagt, bau mir ein Haus, in dem ich Freunde empfangen kann. Ich möchte ein Haus zum Feiern.
L.A.: Ah. Ich hatte eben vergessen, dass in der Familie ja alle Künstler sind. Da könnte das Haus durchaus einen öffentlichen Charakter gewinnen. Selektiv öffentlich vielleicht. Wie passt da das Spa dazu?
A.L.: Öffentlich wird das Haus nur selten sein, saunieren und entspannen wird die Familie aber öfter wollen. Außerdem nutzt der Künstler Dusche und Toilette ja auch wenn er arbeitet. Warum nicht auch das Klavier. Vielleicht richtet er sich hier sogar eine Bibliothek ein. Ich  kann mir die Halle auch gut als Heimkino vorstellen.
L.A.: Machen wir vielleicht einen unvermittelten Sprung ins Obergeschoß. Das ist im Vergleich zum Untergeschoß wie eine andere Welt. Die restlichen Räume im Erdgeschoß und der Außenraum erklären sich im Plan ja selber.
A.L.: Tatsächlich ist das Obergeschoß ein ziemlicher Gegensatz zum Untergeschoß. Wie soll‘s auch anders sein.. Mein erstes Bild, und das hat sich auch kaum verändert, war ein zentraler quadratischer Raum, von dem alle Zimmer erschlossen werden. Dieser Raum ist nur von oben durch eine Glaskuppel erschlossen. Glasbausteine im Boden leiten das Licht sogar in den Wohnraum darunter weiter. Das Zimmer für die Eltern ein damit verbundener Arbeitsraum und zwei Kinderzimmer. Falls ein drittes Kind kommt, kann das Arbeitszimmer auch als Kinderzimmer dienen. Die Flexibilität in der Nutzung ist mir in diesem Entwurf besonders wichtig. Ich glaube das Thema haben wir ja im ersten Gespräch schon kurz gestreift.
L.A.: Ich erinnere mich. Gehen wir das einmal genauer durch. Sagen wir die Kinder sind schon aus dem Haus. Wie soll das Haus dann genutzt werden.
A.L.: Ich würde das Obergeschoß vermieten. Als Ferienwohnung, zweiter Wohnsitz oder auch längerfristig. Ein Appartement würde über die Außenstiege erschlossen, die andere von Innen. Im Obergeschoß müsste man dazu nur zwei Türen schließen, Küchen und Nassräume sind ja schon vorgerichtet und müssten nur in Betrieb genommen werden. Im Erdgeschoß gibt es einige Möglichkeiten, ein Zimmer abzuteilen, wenn das überhaupt erwünscht ist. Das kann das Wohnzimmer betreffen aber auch die Veranda.
L.A.: Und wenn die Kinder mal vorbeischneien.
A.L.: Küche, Wohnraum und die Freiflächen sind ja ohnehin noch verfügbar. Und schlafen können sie zur Not ja in der Halle. Drum soll die auch besonders liebevoll gestaltet werden. Vielleicht entwerfe ich dafür aber noch einen Pavillon im Garten. Ja, das mach ich als nächstes. Was hältst du von einem japanischen Teehaus.
L.A.: Jetzt wird’s aber international bei den steirischen Mexikanern.
A.L.: Ich kann mir da noch einige Follies mehr einfallen lassen. Iglu, Baumhaus, Jurte, Beduinenzelt, Zirkuswagen oder einfach einen Baucontainer, such dir was aus.
L.A.: Den Baucontainer als letzte Erziehungsmaßnahme für unfolgsame Kinder. Das sitzt. Für dich als Designer ist der Container aber auch die Höchststrafe. Nur mit Paletten innen, stell dir das mal vor.
A.L.: Gott bewahre, Paletten auch noch. Mit Paletten macht man keine Scherze.
L.A.: Also doch Teehaus?
A.L.: Gerne, nur keine Paletten.
L.A.: Du, ich glaub die Konzentration lässt jetzt schon nach. Ist ja heute etwas länger gegangen. Was machst du heute noch?
A.L.: Ein bissl Kunst könnt nicht schaden.
L.A.: Viel Spaß wünsch ich.
A.L.: Thanx, und komm gut heim.

gatleser

gibt es einen noch größeren Schmarren als diese Coronabeiträge? Dieser setzt dem Ganzen wohl die Corona auf. Architekten glauben kleine Philosophen zu sein, schreiben im Stil von 16-jährigen und langweilen einfach nur. Schuster bleib bei deinem Leisten.

Mo. 27/04/2020 8:53 Permalink
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