08/07/2019

Architektin DI Christiane Kordon starb am 6. Juni 2019 im 96. Lebensjahr in Graz.

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08/07/2019

Architektin DI Christiane Kordon

©: Privat

Christine Josefine Johanna Friederike Schmid-Schmidsfelden wurde am Sonntag, 9. September 1923 in Wasendorf, Gemeinde Fohnsdorf, geboren. Sie war das erste von fünf Kindern des Ehepaares Dorothea – geborene Pengg – und August Schmid-Schmidsfelden. Beide Eltern kamen aus weitverzweigten Unternehmerfamilien der Eisen- und Stahlindustrie. In ihren Erzählungen und Aufzeichnungen erinnerte sich "Christl" – wie sie in der Familie stets genannt wurde – lebhaft an die schönen, mit vielen Ausflügen und Erlebnissen in die regionale Bergwelt verbundene Kindheit am Familiensitz in Wasendorf, wo sie auch die Volksschule absolvierte.

In wirtschaftlich und politisch schwieriger Zeit geht sie im Herbst 1933 nach Wien. Nach einer Prüfung wird sie in die Frauen-Oberschule des Wiener Frauen-Erwerb-Vereins aufgenommen, am Wiedner Gürtel, 4. Bezirk. Während der Schulzeit wohnt sie zuerst bei Tante Heidi Reinthaller am Brahmsplatz. Nach zwei Jahren stoßen ihre Schwestern Traudl und Hannerl dazu, und alle drei wohnen dann bei Tante Gusti Neumann im Areal des Theresianums.
Sie erleben 1938 in Wien das Ende Österreichs, den Einmarsch der Deutschen Wehrmacht, am 15. März die Massenhysterie am Heldenplatz. Ab Herbst 1939 wohnt die ganze Familie zur Miete in einer Villa in Hietzing; Christiane maturiert 1941, danach kommt für sechs Monate der obligate Reichs-Arbeitsdienst, weit weg – in Thüringen.

Im Herbst 1942 beginnt sie an der Wiener Kunstgewerbeschule das Studium der Innenarchitektur bei Oswald Haerdtl, wechselt aber nach drei Monaten aus eigener Entscheidung zur Architektur an die Technische Hochschule am Karlsplatz. Zu ihren Lehrern zählen dort die Professoren Karl Holey, Ernst Melan und Max Theuer.

Im Herbst 1944 hat sie die 1. Staatsprüfung erfolgreich hinter sich, aber die Universitäten werden nun kriegsbedingt geschlossen. Schon vorher gibt es in den Ferien und bei Bedarf immer wieder "Kriegseinsätze" für die Studierenden – für Christiane z.B. als Schaffnerin der Wiener Verkehrsbetriebe. Ab September 1944 macht sie dann Praxis bei Architekt Hans Steineder in Liezen, in der Bauabteilung des von Vater August Schmid-Schmidsfelden gegründeten Stahlwerkes "Schmid-Hütte".

Im Oktober 1945 setzt sie das Architekturstudium an der Technik in Graz fort. Ihre Lehrer dort sind unter anderen Karl Hoffmann, Karl Raimund Lorenz, Hans Riehl, Friedrich Zotter. Die 2. Staatsprüfung wird im März 1947 mit Auszeichnung absolviert. In ihrer Grazer Studienzeit wohnt Christiane in einem winzigen Zimmer am Joanneumring, hat aber dort – bei allem Mangel in der Lebensmittelkartenzeit – sehr viel Hilfe aus der Nachbarschaft, und sie findet mit dem ihr angeborenen Organsationstalent auch Mittel und Wege zur Selbst- und Eigenständigkeit.
 
So erzählt sie: "Mir ging es damals gut, und ich hatte viel Glück! Papa ließ mich ja von Anfang an zeichnen. Und jetzt konnte ich davon leben! Professor Riehl von der Uni schenkte mir Zeichenkartons und Passepartouts, ich konnte Zeichnungen von Stadtmotiven verkaufen, und die Firma Schönbauer, ein Geschäft am Jakominiplatz, kaufte meine Entwürfe für Kerzenleuchter, Buchstützen, Serviettenhalter und Ähnliches und produzierte das auch, in Eisen und in Holz. Und so konnte ich auch meinen Schwestern aushelfen, die sich wenig leisten konnten und oft hungern mussten."

Nach dem Diplom macht sie Praxis im Grazer Büro von Architekt Edgar Tritthart und lernt dort den jungen Diplomingenieur Walther Kordon kennen. Er stammte aus Sponau in Mähren und war 1945 nach Österreich geflüchtet. Christiane und Walther verlieben sich, tun sich zusammen und gründen ihr eigenes Büro. Die ersten Aufträge kommen von der Familie Pengg in Thörl. Im Mai 1951 wird geheiratet, und sie wohnen und arbeiten nun im Haus Glacistraße 35.
 
Jetzt geht es stetig aufwärts, zuerst mit Umbauten und Wiederaufbauten, mit verschiedenen Lokalen, die alle bis ins Detail, bis zum Türgriff individuell geplant und ausgeführt werden. Bald kommen größere Projekte, – ab 1953 als erster Großbau das Arbeits- und Invalidenamt in Graz, nach einem gewonnenen Wettbewerb. Auffallend auch, dass in diesen Jahren vom Büro Kordon lokal und regional, nicht weniger als 14 Kinobauten und -einrichtungen entstehen. Christiane bringt in den 50er Jahren zudem drei Kinder zur Welt – Renate, Gise und Gerhard. Neben der Büroarbeit managt sie sogar zwei Haushalte, denn ab 1960 kommt der Landsitz Huttermichl in Hönigtal dazu. Auf vielen Reisen mit der Familie im In- und Ausland - zuerst mit VW-Bus und Zelt, dann mit speziell ausgebautem Wohnmobil, die Malutensilien immer dabei – vermittelt sie den Kindern die Schönheiten von Orten und Landschaften.

Das Büro entwickelt sich enorm: ein 1983 publiziertes Referenzbuch dokumentiert weit über 300 bearbeitete, großteils auch ausgeführte Projekte! Das Oeuvre reicht von Privathäusern, Bankfilialen, Schulen, Siedlungen, Bürobauten bis zu großen Industrieanlagen, die von Anfang an einen Schwerpunkt bilden. Zu den bekanntesten Beispielen zählen die Frauenoberschule Graz-St. Peter, das STEWEAG-Hochhaus, die Handelskammer Steiermark mit dem Wirtschaftsförderungsinstitut in Graz-Geidorf und das große Schulungszentrum Fohnsdorf. Bei all diesen Planungen ist Christl voll involviert, – ihre besondere Stärke liegt in der funktionalen Aufteilung und Gestaltung von Räumen, was im Detail besonders bei Einfamilienhäusern zum Tragen kommt, die bis heute ihre BewohnerInnen zufriedenstellen.

Ab 1981 wird an der Revitalisierung der Grazer Oper gearbeitet, es ist der bisher prestigeträchtigste Auftrag, aber terminlich, technisch, denkmalpflegerisch und budgetär der heikelste. Das Büro steht nun in der Grazer Szene an vorderster Stelle. Doch kurz vor der Fertigstellung stirbt Walther Kordon, plötzlich und mitten in der Arbeit: ein ganz schwerer, nicht ersetzbarer Verlust für die Familie, für das Büro und alle rundum ...

Die Oper wird dennoch zeitgerecht prächtig wiedereröffnet, aber die Zukunft des Büros steht auf des Messers Schneide. Um den Weiterbestand für die künftige Führung durch Sohn Gerhard zu sichern, muss Christiane umgehend, im Alter von 63 Jahren, die aufwendige Ziviltechnikerprüfung ablegen, was auf Anhieb gelingt und den Kammerfunktionären allen Respekt abringt. In diesem Alter hat noch niemand diese Prüfung beantragt noch gar bestanden.

In den 1990er Jahren ist sie in Pension und widmet sich intensiv den heranwachsenden Enkelkindern. Unvergessen sind die Erlebnisse mit Großmama am idyllischen Huttermichl oder die Ferien in Jesolo, wo Christl mehrere Sommer in einem Hotel Quartier nimmt und die Enkelkinder zu sich einlädt. Unvergessen sind dort die Streifzüge den Strand entlang, das Entdecken und Sammeln von schönen Muscheln und sonstigem Treibgut, das Bauen prächtiger Sandburgen, – unvergessen auch das gemeinsame Zeichnen und Malen.

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