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Bericht
BHP 2012 _ Die Preisträger
Bauherrenpreis der ZV - Zentralvereingung der Architektinnen Österreichs

Für den Bauherrenpreis der Zentralvereingung der Architektinnen Österreichs wurden insgesamt 109 in den letzten drei Jahren ausgeführte Bauten oder Freiraumgestaltungen aus ganz Österreich eingereicht. Pro Bundesland wurden von Nominierungsjurien, die alle eingereichten Projekte besichtigten, ein bis fünf Objekte ausgewählt, deren AuftraggeberInnen und MentorInnen sich in besonderer Weise um die Konzipierung und Realisierung architektonischer Qualität verdient gemacht haben. Aus diesen 27 Nominierungen kürte schließlich die prominent besetzte Jury – Patrick Gmür, Klaus Kada, Franziska Leeb, Anna Popelka – nach Besichtigungen an Ort und Stelle jene sechs, die mit dem Bauherrenpreis 2012 ausgezeichnet werden. (Marta Schreieck, Präsidentin ZV Österreich)

DIE PREISTRÄGER 2012:
Jurybeschreibungen zu den Projekten: Franziska Leeb

Lokalbahnhof Lamprechtshausen, Salzburg
Bauherrschaft: Salzburger Lokalbahnen, Salzburg AG, Gunter Mackinger, Direktor Salzburger Lokalbahnen, Dr. Leonhard Schitter, Vorstand, Dipl. Ing. Christian Harl, Projektleiter.
Architektur + Freiraum: Udo heinrich architekten, Salzburg.
Beschreibung der Hauptjury
Seit 1896 ist Lamprechtshausen die nördliche Endstation der Salzburger Lokalbahnen. Die ursprüngliche Verlängerung bis Braunau wurde nie realisiert. Sie war aber Anlass für die etwas vom Ortzentrum entfernte Lage des Bahnhofs, der sich zu einer Verkehrsdrehscheibe für Pendler aus dem nördlichen Flachgau und dem Innviertel nach Salzburg entwickelte. Um den Komfort für die Fahrgäste zu erhöhen entwickelte das Bahnunternehmen gemeinsam mit dem Architekten (den man als Projektleiter der Lokalbahnstation beim Salzburger Hauptbahnhof in guter Erinnerung hatte) ein neues Bahnhofskonzept, das dem Stellenwert der Station Rechnung trägt. Indem die Funktionen Bahnhof und Remise kombiniert wurde, konnte der Bahnsteig 300 m näher an den Ort herangerückt werden. Wie Kiemen schotten plastisch geformte, bewachsene Betonwände an der Nordseite den Bahnhof vom angrenzenden Gewerbegebiet ab, zum Vorbereich und zum Ort hin ist die Halle verglast und damit auch bei Dunkelheit gut einsehbar. Oberlichten und ein ausgeklügeltes Kunstlichtkonzept tragen zu allen Tages- und Jahreszeiten zum Sicherheitsgefühl bei. Das auskragende Dach, der begrünte Straßenraum davor und sämtliche Ausstattungsdetails von den Sitzmöbeln bis von den Fahrradständern sind Zeichen der Wertschätzung gegenüber den Kunden. Die Personal- und Nebenräume sind in einem niedrigen Trakt aus rotem Beton im Osten unter die Halle eingeschoben und auch in diesen nicht öffentlich zugänglichen Bereichen wurde mit hoher Ausstattungs- und Detailqualität gearbeitet. Die seit Inbetriebnahme des Bahnhofs steigenden Fahrgastzahlen sind ein eindrucksvoller Beweis für die Berechtigung qualitätsbewusster Baumaßnahmen. Es zeichnet sich bereits ab, dass der Bahnhof auch zum Inkubator für eine Siedlungsentwicklung in Bahnnähe werden könnte. Ganz gewiss taugt er als vorbildliches Modell für unzählige verbesserungswürdige Bahnstationen in unserem Land.

Unipark Nonntal - Kultur- und Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät, Salzburg
Bauherrschaft: BIG Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H., Wien, Dipl. Ing. Wolfgang Gleissner, Geschäftsführer, Dipl. Ing. Hans-Peter Weiss, Geschäftsführer.
Architektur: Storch Ehlers Partner GbR Architekten BDA, Hannover.
Freiraum: WES & Partner, Hamburg
Beschreibung der Hauptjury
Das neue Fakultätsgebäude leistet mehr, als eine eklatante Verbesserung der universitären Infrastruktur für die hier untergebrachten Studienrichtungen. Es ist zudem ein Schlüsselprojekt für die Neustrukturierung und Aufwertung des Stadtteils Nonntal und der gewünschten Anbindung an den anschließenden Landschaftsraum Freisaal. Der konkreten Errichtung ging ein langwieriger städtebaulicher Prozess voran, der seitens der Stadt Salzburg stets politisch getragen und befördert wurde und schließlich die Rahmenbedingungen für das konkrete Bauprojekt, das aus einem europaweit offenen Architektenwettbewerb als Sieger hervorging, formulierte. Kompakt wurden alle Funktionen in einen signifikanten Solitär gepackt, der zu einer attraktiven Landmarke im Stadtteil wurde und zugleich attraktive Freiräume, die nicht nur den Studierenden und Universitätsangehörigen, sondern auch den Salzburger BürgerInnen zu Gute kommen, anbietet. Der über dem Bibliothekssockel entstandene Platz unter dem aufgeständerten Gebäudeteil ist von urbaner Grandezza, die sich in den anschließenden öffentlichen Verkehrs- und Grünflächen fortsetzt und somit weit in das Umfeld ausstrahlt. Das Dach wurde als fünfte Fassade behandelt sowie als öffentlich zugänglicher Platz, der von einzelnen Institutsräumen perforiert wird, gestaltet und erschließt zwischen Stadt und Festung gleichsam einen neuen Horizont in der Stadt.

Rathaus und Stadtplatz Kufstein, Tirol
Bauherrschaft: Kufsteiner Immobilien GmbH & Co KG, Stadtgemeinde Kufstein, Mag. Martin Krumschnabel, Bürgermeister, Dr. Karl Helbok, Stadtamtsdirektor.
Architektur + Freiraum: Dipl. Ing. Thomas Giner, Dipl. Ing. Erich Wucherer, Dipl. Ing. Rainer Köberl, Innsbruck.
Beschreibung der Hauptjury
Bauen im Bestand par excellence: Das im Kern aus dem Mittelalter stammende Rathaus am Unteren Stadtplatz – sanierungsbedürftig und funktional als Amtshaus längst unzulänglich – galt es mit dem angrenzenden „Bildsteinhaus“ am Oberen Stadtplatz sowie dem in Richtung Pfarrkirche angrenzenden Paramentenstöckl zu einem bürgerfreundlichen, multifunktionalen, barrierefreien Rathaus und einer „architektonisch wertvollen Einheit zu verschmelzen“. Ohne Scheu vor der denkmalpflegerischen und konstruktiven Herausforderung, sondern in einer Kombination aus angemessener Achtung vor dem historischen Ensemble, Mut zum heiklen Eingriff und einer wohl auf dem Vertrauen in die eigene Gestaltungskraft fußenden Unbeschwertheit näherte sich das Architektenteam der heiklen Aufgabe im Herzen der Stadt. Im geladenen Wettbewerb wurde das Projekt bestgereiht, allerdings kein erster Platz vergeben. Die Überarbeitung im engen Dialog mit der Gemeinde führte bei Beibehaltung der wesentlichen konzeptuellen Überlegungen – Verlegung des Haupteinganges vom Unteren an den Oberen Stadtplatz, ein neuer Rathaussaal als Gebäudekrone – zu einem insgesamt schlüssigeren, homogeneren Ganzen. Haus- und bautechnische Anstrengungen werden von der souveränen Nonchanlance der Architektur überspielt, sie sind Handwerk und bleiben im Hintergrund, was zählt sind Raum und Funktion. Bei Vorbereich und Unterem Stadtplatz wurden weniger gestaltet, als vielmehr aufgeräumt und geordnet. Die visuelle Ruhe dieses öffentlichen Raumes stärkt die Strahlkraft des Rathauses und der angrenzenden Stadthäuser.

BTV-Filiale Mitterweg, Innsbruck, Tirol
Bauherrschaft: BTV Vierländerbank, Innsbruck, Konsul Peter Gaugg, Vorstandssprecher Mag. Matthias Moncher, Vorstand Mag. Dietmar Strigl, Vorstand, Hr. Ing. Alois Zimmermann, Projektleiter.
Architektur: Dipl. Ing. Rainer Köberl, Innsbruck
Beschreibung der Hauptjury
In der beginnenden Peripherie gönnte sich die Bank – die selbst Auslober eines Bauherrenpreises ist – eine neue Geschäftsstelle, in die es zwei in der Nähe befindliche Filialen überzuführen und zusätzliche vermietbare Flächen zu schaffen galt. Im Zuge der Jurierung des geladenen Wettbewerbs kam man zur Erkenntnis, dass der vorhandene Baugrund zu knapp sei, um den Anforderungen gerecht zu werden. Der Bauherr bemühte sich erfolgreich um den Erwerb einer angrenzenden Fläche und lobte daraufhin den gleichen Wettbewerb unter den gleichen sechs Architekten zu den gleichen Konditionen nochmals aus. Der extravagant zugespitzt in die Höhe ragenden Pyramidenstumpf distanziert sich als auffällige Stadtmarke bewusst vom baulichen Wildwuchs in der nächsten Umgebung und sucht Bezüge im weiteren Umfeld, allen voran zu den omnipräsenten Berggipfeln. Die sichtbare Gebäudehülle aus auf einer Stahlkonstruktion im Schachbrettmuster angeordneten weißen Betonplatten filtert den Aus- und Einblick und beinhaltet auch subtile Ironie indem der Architekt damit auf das bei Bankgeschäften wichtige Vorausdenken anspielt und sich ihre Zartheit auch in Entsprechung zum oft recht fragilen Bankwesen deuten lässt. Kundenbereich Arbeitsplätze und zugeordnete Außenräume (über die auch die Filterung und Ableitung von Oberflächenwässern erfolgt) überzeugen ästhetisch und funktional – die MitarbeiterInnen wurden in die Entwicklung des Raumprogramms eingebunden.

Volksschule & Sportklub Bad Blumau, Steiermark
Bauherrschaft: Gemeinde Bad Blumau, Franz Handler, Bürgermeister, Erna Erhart, Volksschuldirektorin, Rainer Baronigg, Obmann des Sportvereins USC Bad Blumau.
Architektur + Freiraum: Feyferlik/Fritzer, Graz, Mitarbeit: Dipl. Ing. Elisabeth Stoschitzky.
Beschreibung der Hauptjury
Der Neubau von Volksschule und Sportanlage zählt im Hochbauprogramm der prosperierenden Gemeinde (rund 1.700 Einwohner, über 200.000 Nächtigungen) zu den wesentlichen Investitionen zur Verbesserung der kommunalen Infrastruktur. Von Beginn an unternahm die Gemeinde hohe Anstrengungen, um zu einem bestmöglichen Ergebnis zu gelangen. Zum Wettbewerb wurden anstatt der vom Land empfohlenen fünf insgesamt zehn Architekturbüros geladen. Einer politischen Initiative, die anstelle des Siegerprojektes die Adaptierung des alten Schulstandortes forcierte wurde mit einer Volksbefragung, die deutlich zugunsten des Neubaus entschieden wurde, begegnet. Ein engagiertes Lehrerinnenteam und ein ebensolches Architekturbüro fanden im intensiven Dialog zu einer gemeinsamen Sprache, mit der es gelang, die im Wettbewerb angepeilten „optimalen Bedingungen für zeitgemäße Unterrichtsformen“ Realität werden zu lassen. Großzügig bemessene polygonale Klassenräume mit eigenen, als Freiluftklassen nutzbaren, Loggien erlauben unterschiedliche Unterrichtskonstellationen. Viel Raum für Bewegung sowohl innen wie außen und eine Vielfalt an Rückzugsorten kommen den individuellen Lern- und Spielbedürfnissen entgegen. Das Ergebnis geht im Hinblick auf das Raumkonzept wie auch dessen mit Liebe zum Detail erfolgte Umsetzung weit über die hierzulande gängige Praxis des Schulbaus hinaus. Das gegenüberliegende und ebenfalls mit Empathie für die Nutzer sorgsam überlegte und detaillierte Sportklub- und Tribünengebäude schirmt die eingeschossige Schule zur Straße hin ab und bildet mit ihr zusammen ein kommunales Zentrum, das sich gut in den Kontext der örtlichen Strukturen einfügt. Herausragend in Architektur und dem Engagement aller Beteiligten fand die Jury hier eine Schule vor, bei der das gern verwendete Zitat vom „Raum als dritten Lehrer“ kein leeres Versprechen ist.

Fronius Forschungs- und Entwicklungszentrum Thalheim, Oberösterreich
Bauherrschaft: Fronius International GmbH, Thalheim, Ing. Mag. Heinz Hackl, Geschäftsleitung, Ing. Josef Feichtinger, Projektleitung.
Architektur: schneider+schumacher, Frankfurt/Main.
Freiraum: GTL Landschaftsarchitekten, Kassel.
Beschreibung der Hauptjury
Das 1945 gegründete oberösterreichische Unternehmen entwickelte sich zu einem weltweit agierenden Technologieführer bei Batterieladesystemen, in der Schweißtechnik und der Solarelektronik. Funktionalität und Effizienz sind Teil des professionellen Selbstverständnisses im Unternehmen, gute Arbeitsbedingungen werden als wesentliche Grundlage dafür gesehen. Das neue Forschungs- und Entwicklungszentrum am Firmengelände in Thalheim vermittelt diese Haltung im besten Sinn. Zur Architektenfindung wurden aus einer Vorauswahl fünf Büros zum Wettbewerb geladen, im Planungsprozess auch auf die Sachverständigkeit der rund 450 Mitarbeiter vertraut, die in die Planung eingebunden wurden und über die passende Bürostruktur für ihre Abteilung entscheiden durften. Ein mittelstützenfreies Tragwerk, die Verlegung der technischen Infrastruktur in Boden und Decken bildet eine einfache, klare und flexible Grundstruktur mit sehr guter Orientierung und interner Organisation. Alle Gemeinschaftsbereiche haben direkten Zugang in die grünen Höfe, die ebenso wie die begrünten Dächer und der Vorplatz landschaftsarchitektonisch gestaltetet wurden. Das Energiekonzept fußt auf erneuerbaren Energien und der Nutzung der Abwärme aus den eigenen Labors. Zum Kühlen im Sommer wird das Wasser der nahen Traun genutzt. Die Firmenarchitektur wird hier nicht zum Marketinggag, sondern verkörpert nachvollziehbar und ohne Theaterdonner die gelebte Unternehmenskultur.

Verfasser / in:

Redaktion GAT GrazArchitekturTäglich
ZV - Zentralvereinigung der ArchitektInnen Österreichs

Datum:

Fri 05/10/2012

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Kommentare

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Danke für den Hinweis! Mir ist beim Eingeben die Überschrift KÄRNTEN abhanden gekommen. MFG, karin wallmüller

Infobox

Der ZV-Bauherrenpreis, einer der prestigereichsten Architekturpreise Österreichs, wird seit 1967 jährlich vergeben. Die Auszeichnung würdigt Funktionalität, Formgebung und gesellschaftliche Relevanz von Bauwerken und Freiraumgestaltungen, für deren Konzeption und Ausführung das Engagement der Bauherrschaft und ihre Kooperation mit den PlanerInnen relevant waren.

Die Jury des BHP 2012 bestand aus Patrick Gmür, Klaus Kada, Franziska Leeb und Anna Popelka.

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