21/01/2019

Berlin … Alles bleibt besser

Emil Grubers frische alte Eindrücke plus kommentierter Fotoserie aus Berlin im Sommer 2018.

Teil 2

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21/01/2019

Seit 2008 ist der Flugverkehr in Tempelhof eingestellt. Seit einiger Zeit hat auch die Berliner Redaktion unseres Online-Portals in Tempelhof ihren Sitz (ok, das sind jetzt Fake-News). Richtig ist: Im ehemaligen General Aviation Terminal befindet sich mittlerweile ein Besucherzentrum.

©: Emil Gruber

Die Gebäude werden ab 2008 für unterschiedlichste Veranstaltungen genutzt. Eine Sanierung des gewaltigen Komplexes wird auf rund eine halbe Milliarde Euro geschätzt.

©: Emil Gruber

Der Kantine wurde durch den Einzug einer Zwischendecke die noch aus der NS-Zeit stammende bombastische Raumhöhe genommen. Einige Szenen des Stauffenberg Films mit Tom Cruise wurden hier gedreht.

©: Emil Gruber

Das ehemalige Flugfeld ist seit 2010 für die Öffentlichkeit durch zehn Eingänge tagsüber zugänglich. Verschiedenste Initiativen nutzen die 386 Hektar des Geländes.

©: Emil Gruber

nuture Art' nennt sich die aus 18 Kunstwerken bestehende Installation. Die einer Minigolfanlage nachempfundenen Objekte setzen sich mit ökologischen Zukunftsfragen auseinander.

©: Emil Gruber

2017 wurde am Tempelhofer Feld ein Containerdorf für Flüchtlinge errichtet. Die 'Tempohomes' bieten Platz für 1000 Menschen.

©: Emil Gruber

Berlin als Experiment, selbst auf den letzten Blick aus dem Flugzeug: der ehemalige Flughafen Tempelhof.

©: Emil Gruber

Dickes B, oben an der Spree

Im Sommer tut's du gut und im Winter tut's weh

Mama Berlin mag Stein und Benzin

Wir lieben deinen Duft, wenn wir um die Häuser ziehen
(Seeed)

2001 machte Dickes B Seeed schlagartig über Berlin hinaus zu einer Erfolgsgeschichte. Für den Rhythmus des Songs Dancehall und Reggae zu vermengen, verweist auf das, was Berlin immer bleibt: Ein Testgelände für begnadetes Scheitern, ein Pflegeplatz für taugliche Selbstüberschätzung, ein Labor für unplanbare Experimente.

Diese Einmaligkeit war lange Zeit dem günstigen Wohnraum nach dem zweiten Weltkrieg geschuldet. Die Stadt war hässlich und billig, die Survivaltechnik hieß Kreativität. Berlin blieb so immer jung. Der Westen galt bis zum Mauerfall als ein geschützter Arbeitsplatz fürs Ideenauszuprobieren. Auch nach 1989 wieder gab es rund eineinhalb Jahrzehnte durch den Wilden Osten viele Orte des beinahe alles Möglichen. Doch mittlerweile frisst sich die Gentrifizierung in die letzten städtischen Wildgehege. Viele alte Szeneorte sind Geschichte. Mietpreise steigen rasant, die soziale Fallhöhe in der Stadt wird immer höher.

Eine Nacht wie die Hölle, du liegst staubig ins Herz 

Und du denkst nun ist Sense, da ein rasender Schmerz.                                                                           
Ein Stich in die Lunge, ein Reißen, ein Krampf, 

ja der Körper lässt grüßen also auf in den Kampf .…    
(Linie 1)
                                                                                 
Linie 1 ist mit 1800 Aufführungen das erfolgreichste Musical über Berlin. Seit 1986 wird es ununterbrochen am Grips-Theater aufgeführt. Es erzählt vom Leben und Überleben in der Großstadt, von Verweigerung und Anpassung, von Träumen und Selbstbetrug.

Das Musical, das entlang der Stationen eines heute nicht mehr ganz so gegebenen U-Bahn Verlaufs – seit der Wende befährt einen Großteil der ehemaligen Linie 1 die U2 – singt und tanzt, bleibt genauso vergnüglich wie zeitlos politisch. 
                                                                                                   
Die im Stück auftretenden, ultrakonservativen Wilmersdorfer Witwen werden heute wohl bei Pegida mitmarschieren oder AfD wählen:

Berlin erstickt vor Türken

und Asylantenpack

Nur eins kann da noch wirken:

Knüppel aus dem Sack!
(Linie 1)

Aber auch die nach wie vor immer wieder sich neu erfindende, emanzipatorische Gegenseite wird weiterhin streitbar versuchen, die Gesellschaft zu verändern:

Die Etappen bezwungen. 

Dem Sozialamt getrotzt,

Und dem Klassenfeind noch einmal in die Fresse gerotzt.
(Linie 1)

Apropos kritisch bleiben. Wahrscheinlich stammt das älteste Lied über Gentrifizierung aus Berlin, aus einer Zeit, in der der Begriff selbst noch nie eine Baugrube erblickt hatte. Ende 18. Jahrhundert wurden auf Befehl von Reichskanzler Bismarck Teile des Grunewalds an ein privates Konsortium verkauft, um dort im Zuge des Ausbaus des Kurfürstendamms ein Villenviertel zu errichten.

Das polemische Im Grunewald ist Holzaktion von Franz Meißner wurde 1892 schnell zu einem Gassenhauer. 

Freiflächen sind dank vieler Initiativen nach wie vor genügend vorhanden.
Investorenbegehrlichkeiten auf das Tempelhofer Flugfeld wurden bis heute erfolgreich bekämpft. Die jahrzehntelangen, durch die Bombenschäden verursachten, Baulücken sind aber nur mehr selten anzufinden. Zu viel Betongold ist in der Stadt zu schürfen.

Element of Crime sieht das lakonisch-berlinerisch:

Bring' den Vorschlaghammer mit,

wenn du heute Abend kommst,

dann hauen wir alles kurz und klein
.
Der ganze alte Schrott muss 'raus

und neuer Schrott muss 'rein.
(Element of Crime)

Berlin ist verrückt. Berlin ist seltsam. Berlin ist grausam. Berlin ist unfreundlich. Berlin macht wahnsinnig. Berlin ist aufregend. Berlin hat’s gut. Berlin ist Berlin.

Zwischen Kiez und Ku'damm, Moabit und Rieselfeld

Da gibts mehr "Unikümer", als sonstwo auf der Welt
.
Spinner, Träumer, Originale, zwischen Britz und Wilhelmsruh

Und der und die, und du und ich gehör'n wohl auch dazu.
(Reinhard Mey)

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